Fasten, Gelübde und Ceremonien.

[367] Cermonien machen nicht heilig. Was hülfe dir es, wenn du dich ermorden ließest, damit du selig werden mögest, und Gott hätte solches nicht geheißen. Aber man hat solche äußerliche Zeichen und Heiligthum, wodurch man will geheiliget werden, als zum Exempel, daß man fastet, zu gewissen Tagen kein Fleisch ißt, eine gewisse Anzahl von Gebeten hersagt u.s.w. Welche Stücke nichts anders thun, denn ihre Natur ist, denn Gott hat es gar nicht geboten. So wenn man nur betet, ist[367] es schon genug, auf die Zahl kömmt es nicht an. Die Christen können schon geheiligt werden, wenn man schon auf der Gasse, ohne Haus oder Predigtstuhl predigt und die Sakramente reichet. Aber es giebt eine feine Ordnung, daß alles eine gewisse Zeit und Ort hat, wie Paulus sagt, laßt alles fein ordentlich zugehen. Gleichwohl soll das übrige frei bleiben, denn solche Dinge sind ganz und gar äußerlich und geben kein Verdienst. Gott fragt nichts darnach, eben so wenig als wo und wie wir wohnen, gehen oder stehen wollen. Denn dies macht keinen Christen heiliger noch unheiliger. Denn die Satzungen und Gebräuche, die die Schrift nicht befiehlt, machen nicht gerecht vor Gott, sind auch nicht noth zur Seligkeit. Wer sie aber halten will, der halte sie, wie ich einen andern Stadtgebrauch möchte halten, da ich wohne, ohne alles Vertrauen, dadurch selig zu werden. Daher man auch in Ceremonien und Gebräuchen etwas nachgeben kann, um Friede und Einigkeit willen. Denn auf das äußerliche kommt es nicht an. Gott sieht das Herz an. Dazu auch das Fasten dienet nicht, um[368] Gott gefällig zu werden oder Vergebung der Sünde zu erhalten, und ist kein Gottesdienst. Es ist Menschensatzung, und davon hat uns Christus frei gemacht, wie denn auch geschrieben steht: niemand soll euch richten in Speise oder Trank. Denn wiewohl Christus gefastet hat vierzig Tage, so hat er uns doch nicht geheißen, auch also zu thun. Wer es thut, der thue es, um das Fleisch zu kreuzigen. Der Leib braucht wohl des Wachens, Fastens und Arbeitens, daß er nicht übermäßig werde. Und einer braucht es mehr, als der andere. Doch soll ohne Unterschied der Tage und Speise das Leben mäßig und nüchtern sein. Denn so es Mittel zur Frömmigkeit sein sollen, müssen wir diese Mittel immerdar gebrauchen, und allezeit mäßig und nüchtern erfunden werden. Aber die tollen Heiligen fasten einen Tag zu Wasser und Brod, saufen und fressen sich dann ein Vierteljahr alle Tage toll und voll. Etliche fasten auch so, daß sie nicht essen, saufen sich aber voll. Und wer mag alle die Narrheit und Werke der Finsternis erzählen, weiche alle daher kommen, daß man nur das Werk, und[369] nicht den Gebrauch des Werks ansiehet. So sind auch alle Gelübde, womit man Gottes Gnade verdienen will, unnöthig und schädlich. Vorzüglich sind die Gelübde verdammt, die wider Gottes Gebot laufen. Die aber, die das nicht sind, sind frei zu lassen, und einem jeden auf seine Gefahr nachzusehen, was er will. Wer aber denkt, daß er durch ein Gelübde sich Gottes Gefallen will verschaffen, der ist ein Thor. Da sagen die Narren, sie wollen einen Tag im Jahre nicht essen, sie wollen das und das thun oder nicht thun, sie wollen da mehr Gebeter beten, gleich als ob etwas darauf ankomme, und es ihnen helfen werde. Unvernünftig und rasend aber ist es, Dinge zu geloben; die nicht in des Menschen Kraft und Gewalt stehen, und die leicht in Gefahr sind, nicht erfüllt zu werden. Darum stehe ab von den Vornehmen und laß deinen Fürwitz. Ich möchte auch fast besorgen, daß es bei einigen eitel Gleißnerei und Heuchelei ist, um vor den Leuten etwas sonderliches zu scheinen, und sind doch nichts als Lügner und Gott Misfällige.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 367-370.
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