Oeffentlicher Gottesdienst.

[360] Ich sage, daß wahrer Gottesdienst ist Gottes Lob und Gehorsam gegen Gott. Man kann zu Tische, in Kammern, in Kellern, auf dem Boden an allem Orten, bei allen Personen, in allen Zeiten Gott dienen. Was fraget Gott nach Ort und Zeit, Haus und Wohnung, Glocken und Orgeln, Licht und Lampen? Er weiß nicht um hohe oder niedrige Feste. Man murmelt und heulet in den Kirchen und daneben schweiget Gottes Lob und Ehre in aller Welt, welches nicht will angebunden sein an Ort um Zeit. Göttlich leben, siehe das ist der rechte Gottesdienst. Darum es schändlich ist, wenn die Leute mit dem Kirchengehen und Schreien in den Himmel zu kommen gedenken, und dabei nicht das Herz reinigen und bessern, sondern zu Hause Böses thun. Unsre Tempel sind nicht Holz und Steine, sondern wir selbst sind der Tempel Gottes, unser Herz ist das Ding, das da beten, und worin wir Gott dienen sollen. – Gleichwohl ist es fein und lieblich, mit andächtigen und frommen Herzen unter den Haufen[361] sein, da man Gott lobt und dankt. Darum mußt du ja ein verzweifelter Schelm sein, wenn du Gott nicht solchen Dienst thust. Nur mußt du nicht denken, daß es mit dem Kirchengehen genug ist. Aber wir halten dafür, daß es nütz und heilsam ist, fleißig zur Kirche gehen, weil man da Gottes Wort hört und vernimmt, und Christus selbst gesagt hat: wo zwei oder drei versammlet sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Daher wir uns ja hüten müssen, nicht faul und laß dazu zu werden, wie die schändlichen Geister, die sich dünken lassen, sie haben es nun gar, und können es wohl besser, denn man es ihnen predigen kann. Die wissen und denken nicht, was es für ein großtreflich Ding ist, das sie so schändlich verachten, oder so faul versäumen, und damit sich den größten Schaden thun, indem sie die Lehre und Ermahnung nicht hören, die doch jeder Mensch zum guten braucht. Sie erzürnen auch Gott, wenn sie mit ihrem Exempel solche löbliche Sache hindern. Denn wenn es gleich wahr wäre, welches doch nicht ist, daß du allerdings die Sachen verstündest[362] und so wohl als der Herr Christus selbst, so siehest du doch, daß er selbst in den Tempel gieng zu beten und mit seinen Schülern Gottes Wort zu treiben. Darum sollst du viel weniger müde werden weil du es so sehr bedürfest wider alle Anfechtung zum Bösen. Welcher nun dieses nicht achtet, und nicht des Tages oder der Wochen eine Stunde lang zum Gottesdienst gehet, noch sich lässet bewegen, daß er Gottes Wort gerne höre und lerne, dem weiß ich nicht zu rathen, denn niemand soll dazu gezwungen werden. Denn es muß ja kein guter Mensch sein, der solch Ding unterläßt. Kannst du Tag und Nacht sitzen in Gelagen, oder sonst dies und jenes zu thun, so kannst du ja auch eine Stunde in der Kirche sitzen dir zum Nutz und Frommen. – In der Kirche mußt du recht andächtig sein, nicht mit deinem Nachbar plaudern, welches du ja daheim thun kannst, auch dich nicht umsehen auf die schöne Kleidung, oder wohl gar Begierden der Wollust und Unkeuschheit haben sondern genau darauf merken, was gebetet, gesungen und geprediget wird, und es für dich und deine Besserung anwenden. Und[363] so du nach Hause kömmst, wird es schön sein, wo du dich daran erinnerst, was du gehört hast.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 360-364.
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