14. Karfreitag.

[107] Ist der Freitag in der Marterwoche. An diesem Tage wurde das Fasten und Kasteien des Körpers auf den höchsten Grad getrieben. Sie fasteten 40 ganzer Stunden nacheinander, nämlich von der Zeit an, da der Heiland am Kreuze gestorben war, bis zum Anbruche des Auferstehungstages. Während dieser Zeit genossen sie keinen Bissen Brod und tranken nicht einmal Wasser. Die Veranlassung zu dieser wirklich übertriebenen Strenge gab ihnen die Stelle beim Matthäus 9, 15., da der Heiland zu den Jüngern Johannis, die ihn fragten, warum seine Jünger nicht fasteten, da sie und die Pharisäer doch fasteten, sagte: »können wol die Hochzeitleute traurig seyn, so lange der Bräutigam bei ihnen ist? Es wird aber die Zeit kommen, daß der Bräutigam von ihnen genommen wird: alsdann werden sie fasten.« Aus eben der Ursache waren alle 50 Tage nach Ostern bis zum Pfingstfeste lauter Fest- und Freudentage, da der Heiland beinahe so lange nach seiner Auferstehung mit seinen Jüngern umgegangen [108] war. Diese Strenge der Fasten dauerte indessen nur einige Jahrhunderte hindurch; da denn nach der Zeit der Eifer der Christen zu erkalten anfing. Die Kirchenversammlung zu Toledo im 7ten Jahrhunderte suchte denselben wieder anzufeuern, indem sie den Christen das Fasten an diesem Tage von Morgen bis an den Abend auf das ernstlichste einschärfte, und nur die kleinen Kinder und abgelebten Greise von dieser Fasten dispensirte.

Die Ursache, warum diese ganze Woche die Karwoche heißt, ist auch die nehmliche, daß dieser Tag der Karfreitag heißt.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 107-109.
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