Weihnachts- und Neujahrs-Geschenke.

[346] Bei den Griechen, den Persern, den Juden, war schon die so lobenswürdige Mode, daß diejenigen, welche sich liebten und Freunde waren, am Schlusse oder Anfange des Jahres sich unter einander beschenkten. Sie begnügten sich an Früchten, an Blumen, an Honig, an den besten Produkten des Landes, das sie bewohnten. Blumen und Obst sind im Winter selten, und auch in dieser Rücksicht mußten die Geschenke einen Werth haben. Titus Tatius, König der Sabiner, führte diesen Gebrauch zu Rom ein. Eisenkraut und abgehauene Aeste aus dem Hain der Göttinn Strenua, welche die Göttinn der Stärke war, machten diese Geschenke aus. Das in ihrem geheiligten Walde abgehauene Holz bezeichnete die galante Deutung des Gebers. Ohne Zweifel wollte er dadurch seinen Freunden sinnbildlich Gesundheit und Stärke anwünschen. Sagen wir wol mehr mit unserm höflichen [347] Geschwätze? Der leichtgläubige Pöbel glaubte, daß das Eisenkraut und die heiligen Zweige wirklich Gesundheit und Stärke gäben, und die Druiden, die so gern den Pöbel täuschten, sammelten und spendeten am Neujahre Eichenmisteln unter das Volk aus, das Neujahrsgeschenk der Götter. Bei den Römern waren es ebenfalls Datteln, Honig, und gedörrte Feigen. Man war noch mäßig, und vielleicht waren diese Früchte von keinem gemeinen Werthe. Einige Gelehrte haben behauptet, daß man durch die Süßigkeiten dieser Geschenke den Wunsch habe andeuten wollen, daß das Jahr süße verstreichen möge. Diese Folgerung ist um desto fader, da die Römer mit diesen Früchten auch noch ein Stück gemünztes Gold zu geben pflegten, wo auf der einen Seite das Bild des Janus, auf der andern ein Schiff geprägt war. Ovid nützt diesen Umstand auf die ihm eigne feine und bekannte Weise. Er läßt den Janus antworten: »Wie sehr würdest du dich betrügen, wenn du wähntest, daß unter den Geschenken der Honig das angenehmste sey. Schon seit dem Zeitalter[348] des Saturnus sah' ich das Gold den Vorzug behaupten, und diese Vorliebe ist noch mit der Zeit gewachsen. Sie hat bereits einen solchen Grad der Höhe erreicht, daß ich zweifle, ob sie weiter steigen kann!« – Was würde Ovid sagen, wenn er in unsern Zeiten lebte? Jetzt sind es andre Dinge als Münzen! Unsre Delikatesse erlaubt uns nicht mehr, Gold- und Silberstücke zu geben. Aber die Künstler sind unsrer Schaam zu Hülfe gekommen, und wissen eben diese Goldstücke so glücklich zu verwandeln, daß man sie ohne alle Skrupel geben und annehmen, ja selbst überlaut fragen kann: Wo bleibt mein Heil ger Christ? – Mit den Goldstücken behielten die Römer, selbst in dem glänzendsten Zeitalter ihres Luxus und ihrer Weichlichkeit, den Honig und die Früchte bei, welches ziemlich auf Eins mit dem Honigkuchen, Zuckerwerk, Bonsbons u.s.w. hinausläuft womit wir unsre Geschenke zu begleiten pflegen. Auch die Kaiser bekamen Neujahrsgeschenke: das Volk gab sie ihnen; das Volk hatte das Recht, sie ihnen zu überreichen, sie mochten auch noch [349] so geringe seyn. Jeder sagte: Mehr vermag ich nicht, und sagte es von Herzen. Augustus liebte die Volksgeschenke; in seiner Abwesenheit trug man sie in den Vorhof seines Pallastes; er betrachtete sie bei seiner Zurückkunft, und dieser Anblick war für ihn und für Mark Aurel eines der schönsten Schauspiele. August wendete das Geld zu Statuen an, die er an den Gassenecken errichten ließ. Der wilde Tiber entfernte sich in den ersten Tagen des Jahres, um des Gebens und Empfangens dieser Geschenke überhoben zu seyn. Er schränkte diesen Gebrauch auf den ersten Tag des Monats Jenner ein. Seine Nachfolger verlängerten den Termin bis auf den siebenten. Das, woraus die Geschenke bestanden, änderte sich zu Rom nach Zeit, Ort und Umständen. Zu Nero's Zeiten gab man Perlen. In den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche schränkte man sich auf Wünsche ein. Das war nicht theuer. Die er sten Christen waren arm und Feinde des römischen Prunks.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 346-350.
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