Die Bewerbung um eine Stellung.

[130] Die Vielseitigkeit unserer Lebensverhältnisse bedingt auch für alle, die eine geschäftliche Stellung einnehmen, besondere Verhaltungsvorschriften. Dabei haben wir zunächst zu erörtern, wie man sich eine Stellung verschafft. Hat man keinen Vermittler zur Hand und ist man auf sich selbst angewiesen, so bedient man sich der Zeitung zur Erreichung seiner Zwecke, indem man in den öffentlichen Blättern eine sachlich klar abgefaßte Anzeige erläßt, in der man seine Dienste anbietet. Erhält man darauf Angebote, so braucht man von den erhaltenen Zuschriften nur die durch Beantwortung zu berücksichtigen, die eine passende Stellung verheißen. In derartigen Briefen setzt man auseinander, was man leisten kann, fügt etwa vorhandene Zeugnisse in Abschrift bei und spricht seine Wünsche bezüglich des Gehaltes aus. Der Empfänger eines derartigen Briefes ist auf jeden Fall zur Antwort verpflichtet, mag die Anstellung zustande kommen oder nicht, auch muß er die Zeugnisse usw. zurücksenden.

Hat aber der, der die Stelle zu vergeben hat, eine Anzeige erlassen und darauf Angebote erhalten, so braucht er nur da zu antworten, wo er etwas passendes zu finden glaubt. Er ist nicht verpflichtet, den übrigen die Zeugnisse zurückzusenden, falls ihm nicht dazu ein mit einer Marke versehener Briefumschlag zugestellt worden ist.[130]

Da vielfach Klagen von Stellensuchenden laut werden, daß sie ihre Zeugnisse schon öfter eingesandt, sie aber nie zurückbekommen hätten, glaubten wir vorstehendes ausdrücklich betonen zu müssen. –

Ist eine Anstellung zustande gekommen, so hat der Angestellte sich nicht nur pünktlich an den im beiderseitigen Einverständnis bestimmten Tage einzufinden, sondern er hat auch die vorgeschriebene Arbeitszeit auf die Minute einzuhalten. Anderenfalls verstimmt er seinen Brotherrn und verdirbt sich seine Stellung von vornherein, da er sich als unzuverlässig erwiesen hat. – –

Quelle:
Berger, Otto: Der gute Ton. Reutlingen [1895], S. 130-131.
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