Umgang zwischen Publikum und Lehrer.

[136] Nachdem man seine Wahl getroffen und über die Persönlichkeit klar geworden ist, der man das zu vergebende Amt anvertrauen will, tritt zunächst die Gehaltsfrage in den Vordergrund. Bei ihrer Behandlung darf man eine gewisse Rücksicht nicht außer acht lassen; ›handeln‹ ist hierbei gänzlich ausgeschlossen. Die Zahlung erfolgt entweder an dem festgesetzten Zeitpunkt, z.B. am Schlusse jeden Monats oder sofort nach Empfang der zu erbittenden Rechnung, und zwar in Gold, Papier oder in größeren Silberstücken. Kleines Geld verwendet man hierbei nicht. War das Honorar eines Lehrers monatlich berechnet, so kommen ausgefallene Stunden nicht in Betracht; wird aber die Stunde bezahlt, so muß der Schüler jede Stunde bezahlen, die er nicht rechtzeitig vorher abgesagt hat. Hat er dies aber getan, so muß er gleich anbieten, die Stunde nachholen zu wollen.[136]

Läßt der Lehrer absagen, so fällt die Verpflichtung zur Zahlung fort.

Lehrer sind mit der ihrem Stande gebührenden Achtung zu behandeln und die Eltern haben die Pflicht, darüber zu wachen, daß ihre Kinder sich nicht ungebührlich betragen. Deshalb sind alle unvorsichtigen Äußerungen, selbst wenn ein abfälliges Urteil über einen Lehrer begründet wäre, in Gegenwart von Kindern zu vermeiden, will man bei letzteren nicht alle Achtung vor dem Lehrer untergraben.

Daß die Zeit des Unterrichts sowohl vom Lehrer wie vom Schüler genau innegehalten werden muß, ist eine Forderung der einfachen Höflichkeit. –

Lehrer machen ihren Schülern keine Geschenke, wogegen es letzteren gestattet ist, den Lehrern bei gebotenen Gelegenheiten Aufmerksamkeiten in Form von Geschenken zu erweisen. Denn der Schüler darf nie vergessen, daß wohl die Unterrichtsstunde dem Lehrer bezahlt wird, daß aber die Schätze, die ein tüchtiger Lehrer seinem Schüler für alle Zeiten gibt, durch die Ausbildung seines Geistes und Herzens, nie mit Geld zu bezahlen sind und daß die Dankbarkeit des Schülers dem Lehrer gegenüber nie ein Ende erreichen sollte. Es gehört zu den schönsten Eigenschaften unseres Volkes, daß ein freundschaftliches Gefühl zwischen Lehrer und Schüler sich in der Regel auch ins spätere Leben überträgt.

Quelle:
Berger, Otto: Der gute Ton. Reutlingen [1895], S. 136-137.
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