Die Einladung zum Gesellschaftsfest.

[85] Es gibt viele Arten von Besuchen, die erst auf vorherige Einladung erfolgen, wenn wir z.B. zum Essen, zum Tanzen oder zu irgend einer Festlichkeit gebeten werden. In solchen Fällen ist es unsere Pflicht, sobald wie möglich zustimmend oder ablehnend zu antworten. Können doch Fälle vorkommen, wo der Einladende, sei es aus Mangel an Räumlichkeiten oder anderen Gründen, gewisse Persönlichkeiten vorläufig mit einer Einladung nicht bedachte, denen er aber eine solche zugehen zu lassen beabsichtigt, sobald er durch die eingelaufenen Antworten weiß, wie viele Absagen auf seine ersterlassene Einladung erfolgten. Dieser Ersatz kann aber nicht im letzten Augenblick herbeigeschafft werden; denn wenn man sich nicht darüber ärgern darf, wenn man einmal zu einer Festlichkeit nicht geladen worden, so ist es doch für jeden ein peinliches Gefühl, zu merken, daß man als Lückenbüßer dienen soll.

Einladungen zu Essen, Ballfestlichkeiten und dergleichen erläßt man mittels geschriebener Briefe oder gedruckter Formulare. Letztere sind in allen besseren Schreibwarengeschäften vorrätig. Mittelst Postkarte darf man nur an nahe Verwandte oder sehr genaue Bekannte Einladungen erlassen, und auch selbst ihnen gegenüber meidet man diese Art der Einladung bei besonders festlichen Gelegenheiten.[85] Jeder Einladung ist die Bitte um Antwort beizufügen, was kurz mit den vier Buchstaben ›U. A. w. g.‹ ausgedrückt wird.

Personen, die einen eigenen Hausstand führen, sind durch Annahme von Einladungen verpflichtet, auch ihrerseits gelegentlich Einladungen zu Festlichkeiten ergehen zu lassen; Unverheiratete haben diese Verpflichtung zwar nicht, doch bietet sich ihnen Gelegenheit, bei Geburtstagen, zu Weihnachten usw. durch ein kleines Geschenk, und wenn es ein kleiner Blumenstrauß ist, ihre Erkenntlichkeit zu beweisen.

Quelle:
Berger, Otto: Der gute Ton. Reutlingen [1895], S. 85-86.
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