I.
Meine Großmutter Anna Luise Karschin.

Wie in der Nacht, wo das Treiben der Menschen schweigt, das Rieseln der Flut hörbar wird, so vernehme ich in der Einsamkeit, die ich mir erkoren, deutlicher die innere Stimme, die mir die Vergangenheit wieder zurück erzählt.

Ich bin, dies Werk entwerfend, auf einer Meerfahrt begriffen, auf der ich jedes Ufer, an dem ich vorüberschiffe, begrüße, jede Stelle wo ich jemals in Wonne oder Schmerz geweilt, mit Andacht feiern möchte. Doch mein Schiff segelt heim, die Segel schwellen, die Ruder fliegen, nah' ist das Ziel! – Der Steuermann, unerbittlich, will weiter. Ich reiche dem Leser die müde Hand, um ihn durch das Irrgewinde dreier Lebenspfade zu führen. Auch die holde Leserin wird mir gern folgen. Wir werden in eine weite Vergangenheit zurückgehen, Licht wird den Pfad erhellen; Liebe und Wahrheit sind Eins. Die Vergangenheit bietet eine ganz andere Gestalt dar als die Gegenwart, sie ist ein Hochgebirge, das in jeder Entfernung anders aussieht, wenngleich es immer dasselbe bleibt.[3] Je höher man geklommen ist, je umfassender und richtiger wird der Ausichtspunkt.

Die Lebensgeschichte meiner Großmutter Karschin ist in verschiedenen Sprachen häufig erschienen, mitunter von sehr geistvollen Männern geschrieben worden; man hat sogar Romane und Novellen daraus gemacht – und sie bedurfte doch keiner Schminke, sie ist durch sich selbst schön wie eine Blume.

Das Leben meiner Mutter dagegen ist so arm an Begebenheiten, daß es nur darauf ankommt, nach innen hineinzuleuchten, um es zu lieben.

Das meinige ist von innen und außen vielgestaltig, tief und reich angeregt, schaudervoll durchklungen von den Tönen der unsichtbaren Welt, die wenigen Naturen vernehmbar werden und meist unverstanden bleiben. Für mich hat sie eine Sprache gehabt, als ich selbst nur noch lallen konnte; mehr als ein mal hat sie mir die Zukunft gezeigt, nicht in persönlicher Hinsicht, sondern in Enthüllung großer Weltgeschicke. Wer stumpfsinnig genug ist, um zu vermeinen, es gäbe nichts anderes als was er versteht und begreift; wer nicht erkennt, daß die ganze Schöpfung uns Wunder ist, der lege diese Blätter ungelesen weg: denn sie werden seinen Dünkel verletzen, er wird sie verabscheuen oder belachen. Ich aber, die so veraltet ist, deren Glaube an Gott und die göttliche Vorsehung so beseligend und unerschütterlich in mir lebt, ich am Rande des Grabes, betheuere, daß ich nach jedem Erlebniß geisterhafter Art sorgfältig geprüft, was ich sah und hörte, und klar erkannt habe, daß weder ein Spiel der Phantasie, noch irgendeine Vorspiegelung mich getäuscht hat, und ich erwähne dieser Begebenheiten nur, der Welt einen Trost mehr zu hinterlassen, der sich den schon empfangenen Tröstungen aus der heiligen Schrift[4] und den Werken edler Männer liebevoll anschließt, und die gefährliche Sicherheit und Unbekümmertheit um die Beziehung der Geisterwelt, über ihren Einfluß auf unser Leben zertrümmere und den Nebel vor unsern geistigen Augen zerstreue.

Anna Luise Karsch ist am 1. December 1722 in einer zwischen Züllichau und Krossen nahe der niederschlesischen Grenze gelegenen einsamen Meierei geboren. Ihr Geburtsort, Der Hammer genannt, bestand damals aus sieben Häusern, darunter ein Gasthof nebst Brauerei. Ihr Vater, der Pachter Christian Dürrbach, war im ganzen Kreise bis in das brandenburgische Gebiet bekannt wegen des starken weinähnlichen Bieres, welches er brauete. Sein biederer Charakter und sein verständiges Betragen verschafften ihm die allgemeine Achtung. Seine Gattin, ein Pflegekind der Herrschaft des Schlosses, war die Tochter des Amtsförsters Kuchel. Anmuthig, verständig und sittsam, fühlte sie sich etwas unbehaglich in der neuen ungewohnten Lebensweise, die ihr Hauswesen erfoderte. Sie hatte dieselbe Erziehung der Fräulein von Moose, welche sie mit schwesterlicher Zärtlichkeit behandelten, genossen, und war in denselben Gewohnheiten aufgewachsen.

Die Last einer großen Haushaltung, die Aufsicht über Bedienung der Gäste lag ihr ob. So sehr sie sich in alle ihre Geschäfte zu schicken wußte, so sehr ihr Mann sie liebte, so litt sie innerlich durch alle Ungemächlichkeiten, die mit ihrem neuen Stand verknüpft waren.

Das dritte Kind, dessen sie genas, war Anna Luise, unsere Dichterin, bei deren Anblick die junge Mutter mit einem Schrei des Entsetzens zurückfuhr. Die runzelige Haut hing über ihre Stirn, ihre Augen lagen tief im Kopfe, das vermagerte Gesicht hatte nichts Blühendes, ihr Körper war gelb und schrumpfig.[5]

Der Mutter feines Auge, welches durch ihre ersten schönen Kinder, welche früh starben, verwöhnt war, wendete sich mit Verdruß von der Neugeborenen ab. Doch dies unwillkommene Kind gewann die blühendste Gesichtsfarbe, die strahlendsten Augen und eine Stirn, auf welcher Licht und Lieblichkeit thronte. Ihre feinen Lippen blieben purpurn bis in den Tod. Ihr Haar glänzte wie das köstlichste Gold, ihr Wuchs war regelmäßig, schlank und weiblich, ihre Haltung natürlich und anstandsvoll. Sie dankte diese Vorzüge allein der Natur. Sie war ein stilles in sich verschlossenes Kind, welches niemand Unruhe machte; sie blieb so bis in ihr sechtes Jahr. Sie kroch unter den Bänken der Gaststube umher, und saß zu halben Tagen wie ein Gedanke ganz still vor sich hin, ohne auf etwas zu merken, was um sie her vorging.

Wahrscheinlich hatten die Gespräche der Gäste keinen Reiz für ihr Ohr, und ihren Aeltern fehlte es an Zeit sich mit ihr zu beschäftigen. Doch zuweilen blitzte Lebhaftigkeit aus ihrem Wesen hervor. Als ein dreijähriges Kind, das keine Vorstellung vom Tode hatte und von der Großmutter unvorsichtigerweise mit sich nach einem Richtplatz getragen wurde, klopfte sie in die Händchen, und machte ihren ersten Vers: »Schwabb war er ab«, als der Kopf des Unglücklichen weit abflog. Die Umstehenden lachten und unterhielten diesen Vers im Gedächtniß der Gegend. Das Kind vergaß ihn schnell, sie blieb still und in sich verschlossen wie zuvor.

Mit sechs Jahren ihres Lebens entriß ihr der Tod ihren lieben Vater, den schönen, gefühlvollen Mann, dessen Bild sich ihrer jungen Seele unvergeßlich eingeprägt hatte. Seine ausdruckvollen Blicke, seine regelmäßigen Züge, sein lockiges, schwarzes Haar gewannen durch ein Stutzbärtchen über der Oberlippe und am Kinn in seiner[6] mittelalterlichen Tracht eigenthümliche Bedeutsamkeit. Er sah aus wie ein Bild seiner Ahnen, denn er war aus einem altadeligen Geschlecht.

Anna Luise war nun in gewissem Sinne ganz verwaist. Der Verlust ihres Vaters war ihr erstes Unglück, welches auf ihr ganzes Leben Einfluß haben sollte. Ihre Mutter konnte sich minder als je mit ihr beschäftigen. Im Hammer gab es keine Schule, und weit und breit keine Kirche. Niemand von Bedeutung oder von Bildung bewohnte diesen Ort. Die Natur allein hatte ihn nicht vergessen, und gewiß sprachen schon damals seine Quellen und das Säuseln seiner Bäume zu des Kindes Seele, ihr unbewußt, in ihrer vollen süßen geheimen Gewalt. Wer sie sah, wunderte sich über sie, denn sie war ein Kind, wie man noch keines gesehen hatte: schweigsam wehmuthsvoll, ernst, aber sanft, und in ihrer stillen Weise freundlich. Keine andern Kinder kamen ihr nahe, es war vielleicht ein Glück für sie, kindliches Treiben hielt sie fern von sich. Sie wollte auch von keinem Stricken und Nähen wissen. So würde sie ohne Unterricht aufgewachsen sein, wenn nicht ihr Großoheim, der Justizamtmann, gekommen wäre, seine Nichte zu besuchen, und seine Schwester, die Großmutter Anna Luisens, zu sich zu holen, weil er Witwer geworden, und weiblicher Pflege und Aufsicht in seinem Hauswesen bedurfte.

Er sah die Kleine im Garten unbeachtet ihr Wesen treiben. Seine Schwester rief sie herbei. Er bot dem Kinde die Hand mit einem so liebreichen Blick, daß er sogleich das junge Herz, dem sein Bedürfniß nach Liebe die Brust durchglühte, gewann. Er verlangte sie von seiner Nichte zur Begleitung der Großmutter. Sie zuckte die Achseln, und meinte: der Herr Oheim würde sie schwerlich bei sich behalten wollen, denn sie sei doch zu[7] gar nichts zu brauchen, und wolle nichts lernen. Der Großoheim sah das Kind mit Erstaunen an. Ihre Augen waren naß, sie hatte den Tadel ihrer Mutter schmerzlich empfunden, und antwortete nichts, als er sie fragte: »Willst du mitkommen?« Sie klammerte sich an seinen Rock, und sprang ohne Abschiedsthränen in die Reisekalesche.

Der heiterste Frühlingstag glänzte über der Erde. Wie geflügelt eilten die Rosse durch die Krümmungen der Landstraße nach Tirschtiegel hin, das unter lauter Blüten versteckt war.

Die Besitzung des Großoheims, die noch jetzt das Eigenthum einiger Familienmitglieder ist, liegt unweit der Landstraße und wird durch sie vom Schlosse getrennt. Die linke Seite begrenzte ein herrlicher Wald von lebendigem Holz. Das Schloß, von unzähligen riesigen Linden umduftet, welche ein großer Garten umgrenzt, um den üppige Wiesen prangen, die das Städtchen beinahe umschließen, und wodurch sich die milde Obra in ihren blumenreichen Ufern schlängelt, bot einen romantischen Anblick dar.

Das freundliche Wohnhaus stand mitten in einem unabsehbaren Obstgarten, wo die Bienen summten, und die vielfältigen Stimmen der Natur, mit denen sie ihre schmetternde Feier des Tageswechsels begeht, um und um erklangen. Nichts störte ihr harmloses Treiben. Der Wipfel der vielhundertjährigen Linde und das ferne Rauschen der Obra begleiteten den Hymnus der gefiederten Bewohner dieses Paradieses, vernehmbar beim Erwachen des Tages und beim Einschlummern der Natur, wenn die Sterne aufgehen.

Glückliches Kind, das unter der herrlichen Linde, an eines väterlichen Greises Brust geschmiegt, den Port der[8] Liebe offen fand, ahnungslos und beseligt in die Zukunft blickte, die kein Wölkchen trübte! Armes Opfer des Misgeschicks, das bald und grausam aus der Oase in die brennende umstürmte Wildniß der feindseligen Welt geschleudert wurde! Wundersame Fügung des Himmels, daß das Paradies der Liebe und des Friedens, wenn es auch vor ihren Blicken verschwinden mußte, dennoch in ihrem Herzen fortblühte.

Zu jener Zeit war Tirschtiegel nur ein Marktflecken, hatte weder Kirche noch Schule, und die kirchlichen Handlungen wurden in Alt-Tirschtiegel, welches nur durch die Obra getrennt ist, von einem katholischen Pfarrer in dortiger Kirche vollzogen, woselbst ein Bürger täglich einige Stunden nothdürftigen katholischen Unterricht gab.

Das damals polnische Tirschtiegel liegt in einer sehr anmuthigen, durch ausgerodete Wälder fruchtbar gemachten Gegend, zu welcher das Schloß, von einer Seite mit einem Birkenwäldchen umgrünt, den Prospect malerisch schließt. Die vielen kleinen Häuser, die seit jener Zeit aus dem abgeschlagenen Holze erbaut wurden, haben beinahe jedes einen Garten, liegen zumeist einzeln in freier reizender Aussicht. Dort, wo die Wiesen aufhören, ist der Ort von Vorwerken, Wassermühlen und Hauländereien umgeben. Hier überrascht ein ungewöhnlicher Anblick den Reisenden, denn die Besitzungen sind, wie die alten Wehren Deutschlands, jede von Waldung, Feld, Garten und Wiese umgrünt, von grünem Raine umgrenzt, auf einer unabsehbaren Ebene verbreitet, und mitunter von Waldung umgeben.

Zur Zeit der Karschin, vor der Theilung Polens, gehörte diese ganze umfangreiche Gegend nebst mehreren Städten und Dörfern dem Grafen Mielczynski, der den Titel »General von Groß-Polen« trug und sein eigenes[9] Militär hatte. Er lebte mit königlichem Aufwand und vergeudete mehr durch Großmuth als durch Prunk sein köstliches Besitzthum.

Die Gegend ist überaus fruchtbar, und versorgt die Stadt und umliegenden Ortschaften mit guten Erzeugnissen des Bodens.

Hier wurde Anna Luise zuerst wach für ihr Leben; durch die Gegenstände, welche die Lehren des Großoheims ihrem Verstand zum Verarbeiten gaben, lernte sie erst denken und empfinden. Sobald sie lesen konnte, wurden ihre Begriffe zu Feuerfunken, welche sich an Alles hefteten, was ihnen Nahrung geben konnte. Sie las alle Bücher, welche die kleine Bibliothek ihres Großoheims umfaßte, mit rastloser Begierde. Da es unmöglich ist, eine holdere Schilderung ihres Lebens beim Großoheim in Tirschtiegel zu entwerfen, als sie selbst in einem Liede gethan, so möge dieses hier eine Stelle finden.


An meinen verstorbenen Oheim, den Unterweiser meiner Kindheit. 1761.

Kommt heraufgestiegen aus dem Sande,

Ihr Gebeine, die ihr in dem Lande

Meiner Jugend eure Ruhe habt!

Theurer Greis, belebe deine Glieder!

Und ihr Lippen redet einmal wieder,

Die ihr mir der Lehren Honig gabt!


Oder du! auf des Olympus Höhe

Weißer Schatten, siehe wo ich gehe,

Hinter Rindern auf der Weide nicht?

Blick' auf diese feinern Menschen nieder,

Alle reden deiner Nichte Lieder,

Hör' auf ihr Gespräch, dein Lobgedicht!
[10]

Ewig grünen muß die breite Linde,

Wo ich, gleich des besten Vaters Kinde,

Zärtlich dir an deinem Halse hing.

Wenn dich, müde von des Tages Länge

Wie den Schnitter von der Arbeit Menge,

Wenn dich matt die Rasenbank empfing.


Unter jenem Dache grüner Blätter

Wiederholt' ich von dem Gott der Götter

Zwanzig unverstandne Stellen dir!

Aus der Christen hochgehaltnem Buche

Sagt' ich dir von manchem dunkeln Spruche,

Frommer Mann, und du erklärtest mir.


Gleich den Männern, die in schwarzen Röcken

Auf der hohen Kanzel uns entdecken,

Welcher Weg zum Leben richtig ist,

Wenn du von dem Fall und Gnadenbunde

Sagtest, o dann wurden deinem Munde

Alle Worte zärtlich aufgeküßt.


Du Bewohner einer Himmelssphäre,

Siehe, meiner Freuden stille Zähre

Fließet über meine Wangen oft;

Kannst du reden, theurer Schatten? Sage,

Ob dein Herz für meine Lebenstage

Glück und Ehre dazumal gehofft!


Wenn mein Auge liegend auf dem Blatte

Täglich weis're Schriften vor sich hatte,

Wenn ich auf der Wiese Blümchen las,

Sie in meinen kleinen Händen brachte,

Sie zur Zierde deiner Haare machte,

Und auf Rosen lächelnd bei dir saß.
[11]

Sei mir drei mal mehr mit Licht bekleidet,

Mit der Gottheit Blicken mehr geweidet

Als die andern Seelen um dich her!

Für die Tropfen alle, die uns werden

Aus dem Freudenbecher hier auf Erden,

Tränke dich des Seligkeiten Meer!


Unüberwindlich war damals ihre Abneigung vor weiblichen Beschäftigungen. Die Großmutter hatte ihr eine Puppe geschenkt, diese schleuderte sie mit aller Gewalt in den Wipfel eines Birnbaums. Sie antwortete auf die Vorwürfe nicht, die über diese Handlung um sie her laut wurden. Wenn sie nicht las oder lernte, brach sie in dem Garten ein Haselstrauchstäbchen ab und zog damit auf die Nesseln, wie auf eine Legion Feinde los; ganzen Feldern voll hieb sie die Köpfe ab. Mit den Uebergängen der Jahreszeit veränderte sie auch ihre kriegerischen Dispositionen. Statt der Nesseln wurden nun Armeen von Erbsen und Bohnen auf den Tisch gestellt, welche aufeinander losgehen mußten. Oder draußen wurden kleine Kiesel gesammelt, in Reihe und Glied gestellt, und mit größern Steinen darauf losgefeuert. Ihre Großmutter schüttelte zu solchen Zeitvertreiben und zu ihren Schreibübungen murrend den Kopf. »Daß dich der Kranksch (Kranich) erschlüge!« rief sie oft in ihrem gutmüthigen Eifer ihrem Bruder zu. »Das Mädel soll mir durchaus nicht schreiben lernen, durchaus nicht. Ein Mädel muß nicht schreiben können, sie hat anderes zu thun, wenn sie 'ne Frau wird, als schreiben, das verführt sie nur zu Liebesbriefen, zu weiter nichts Gutem. Sie soll durchaus nicht schreiben lernen.« Allein jemehr die Großmutter eiferte, je heftiger wurde die Begierde der Kleinen, schreiben zu können. Sobald sie die Buchstaben nachmalen konnte, blieb kein leerer Raum mehr sicher vor ihrer[12] Kreide, sie beschrieb jeden Klotz, jedes Stückchen Bret, welches sie auffinden konnte. Auch im Rechnen machte sie die schnellsten Fortschritte. Stricken lehrte ihr die Großmutter, aber dabei hatte sie keine Geduld, weil es ewiges Einerlei war. Sie hat oft erzählt, daß sie in ihrem Leben nicht mehr als anderthalb Strümpfe geknittet hat

Nun aber war alles erschöpft, nichts zum Lernen mehr da; doch blickten noch aus dem Staube der Bücher die lateinischen Grammatiken und die classischen Autoren. Anna Luise stöberte sie aus den Schränken heraus, und sog begierig den neuen Unterricht ein.

Schon hatte sie der Oheim so weit, daß sie geläufig lesen und übersetzen konnte, als der Schlag des Misgeschicks auf ihr Haupt niedersank. Sie mußte zu ihrer Mutter zurück. Denn diese erbebte vor der Vorstellung, daß ihre Tochter nun gar Lateinisch lernen wollte.

Kein Cherub war es, der das wehrlose Kind aus ihrem Paradiese vertrieb; es war das verjährte Vorurtheil, das feindlich den Frauen gegen geistigen Aufschwung entgegen wirkte. In der Wüste des Lebens sollte das Weib nur Kameel und Dromedar sein, das ging solange es seine eigenste Bestimmung nicht kannte. In dem kleinen Landort, wo Anna Luise aufwuchs, war es damals noch sehr finster, und blieb es noch lange. Die Karschin machte sich unwillkürlich, unbewußt Raum. Der Druck ihres Lebens konnte die Flügel ihres Genius nicht lähmen, und wenn sie dem Feuerdrang in ihrer jungen unschuldvollen Brust nachgab, so war es das unaufhaltsame Aufschwingen des Adlers zur Sonne. Sie that, was sie mußte. Wir kennen kein zweites Beispiel von einem solchen Walten innerer Nothwendigkeit in einer jungfräulichen Natur, die den Zwang des Lebens unter[13] Verhältnisse, wie die Knospe ihre Bande, von sich sprengt, und in einer Nacht zur Rose aufblüht. Ihre ersten Lieder sind verstreut geblieben. Ihre ersten Bilder schöpfte sie rein aus der Natur. Kein Ramler, kein Gleim war ihr Meister. Unbewußt haben sie alle nur an ihr verdorben. Andere Dichter mußten sich Bahnen brechen, die Karschin faßte ihren Lichtpunkt ins Auge und schwang sich empor. Die Lerche macht es ebenso: ihr Schwung, ihr Lied, ihr Wogen durch das Luftmeer, ihr Trinken im Lichtstrom ist ihr Leben, ihr Glück. Sie war eher Lerche als Nachtigall. Liebesgetändel blieb ihr fremd. Ihr Kampf mit dem Leben war der rühmlichste, den je eine hohe Natur bestand. Nur die feinsten, scharfsinnigsten Denker konnten ihn verstehen und ihm Kronen flechten. Denkzeichen ihrer Siege leuchten nur aus ihren Gesängen hervor. Kein prüfendes Auge folgte den Schwingungen ihres Geistes. Niemand hat die Karschin werden sehen. Sie war geworden, doch nicht das, was sie hätte werden können, wenn sie frei von fremdem Einfluß geblieben wäre. Ihr süßes, weiches, liebevolles Herz empfing seine tiefste unheilbare Wunde, als sie gewaltsam von der Brust ihres Oheims gerissen wurde. Um ihr Glück war es gethan. Dort war ihre Heimat, ihr Himmel, nur dort konnte sie gedeihen, nur dort war Frieden und Sicherheit. Ein Mord war an ihr begangen worden, an ihr und an dem edeln Greise, dessen Werk sie war. Seit ihrer Trennung wurde er trübe und kränklich; bald schloß er auf immer die Augen, welche die nicht mehr sahen, die sein Licht und Trost gewesen waren. Sie aber schmachtete dumpf vor sich hin, bis Natur und Liebe doch Balsam für sie bereiteten. Ein Brüderchen, ein schönes Kind, wurde ihr von der Mutter in die Arme gelegt, sie gewann es innig lieb. Das Kind wurde ihre Poesie. Die Mutter hatte[14] es ihr anvertraut, weil sie doch zu gar nichts zu brauchen war. Die Mutter sah, daß es sie erheiterte, erfreute, und gönnte ihr die unschuldige Freude, ganz dafür zu leben. Ein zweites Kind, Frucht ihrer zweiten Ehe, kam auf die Welt; für Anna Luise war es ein Zuwachs von Glück, sie umfing es mit wahrer Schwesterliebe. Es war ein begabter schöner Knabe, dessen herrliche Anlagen aber unausgebildet blieben. Seine Schwester liebte ihn, doch nicht wie den ältesten Bruder, welcher der erste Gegenstand war, der ihr welkendes Herz wieder mit Liebe erquickte. Ihre frühgeschäftige Phantasie lieh ihm alles, was ihm fehlte. Er hatte die ganze Natur seines Vaters, trotzig und geschmeidig, gebieterisch und unbändig; neigte nicht wie sein Bruder zur Vernunft und Sitte, sondern gab allen seinen Neigungen nach. Die rohe Umgebung, in welcher er aufwuchs, entwickelte seine Neigungen von ihrer gefährlichen Seite, sein Vater verzog ihn; denn der Mensch hat die Schwachheit, die Copie von sich selbst in dem Kinde zu bewundern, in welchem er sein Ebenbild erkennt. Daniel Hempel, sein Bruder, dankte zum Theil der Gleichgültigkeit seines Vaters die gute Richtung, die er für das ganze Leben nahm. Ich habe diesen vortrefflichen Oheim auf das zärtlichste geliebt, denn seine Milde und angeborene Liebenswürdigkeit machten ihn für mich zu einem zweiten Vater, er war bildungsfähig und fleißig, doch er blieb arm. Er war mit seinem frischherzigen, wackern Weibe und zwei Knaben nach Berlin gekommen, wähnend, er würde bei seiner Geschicklichkeit und Arbeitsamkeit unter den Auspicien seiner Schwester Karschin gedeihen, aber alles, was sie vermochte, kam nur seinem Bruder zustatten; ein Beweis mehr, daß der Mensch und sein Werth nicht immer die Gestalt seines Geschickes bedingen. Doch ich bin den Begebenheiten[15] vorausgeeilt und muß den Faden derselben wieder aufnehmen.

Einige Zeit nach der Rückkunft Luisens in den Hammer traf sie ein neuer Schmerz, ihr geliebter Oheim starb, und der bisherige Wohnsitz, Der Hammer, mußte geräumt werden, weil ihr Stiefvater die Gäste daraus durch seine Heftigkeit verscheuchte.

Die Familie siedelte nach Tirschtiegel über, wo man hoffen konnte, gute Nahrung zu finden; doch die Erwartung schlug fehl, weil Hempel mehr bedacht war, sich mit seinen Gästen zu berauschen als sich ihnen angenehm zu machen.

Bald wurde der Rest vom Wohlstand des Hauses erschüttert. Durch Wirthlichkeit und Fleiß suchte die Hausfrau ihn wieder herzustellen; nur mit der größten Anstrengung gelang es ihr, den Schein der Wohlhabenheit aufrechtzuhalten. Ein drittes Kind vermehrte die häuslichen Sorgen, es war ein schönes schwarzäugiges Töchterchen Johanna Eleonore geheißen, das zur Freude ihrer Mutter erwuchs und von der ältesten Schwester zärtlich geliebt wurde. Seine Pflege und Wartung übernahm die Großmutter, dagegen wurden der jungen Anna Luise drei Rinder zum Hüten anvertraut, diese mußt sie täglich nach einer entlegenen Weide führen. Noch im späten Alter gedenke sie der drei Sommer, die sie hier als Hirtin zugebracht, und pries sie als die schönsten ihres Lebens. Die Freiheit, welcher sie hier genoß, die herrliche blühende Natur um sie her, die mit Bächen durchschlungenen Wiesen und die liebliche Ruhe, welche überall ausgebreitet lag, erfüllte ihre Seele mit einer Menge reizender Vorstellungen. Als sie 13 Jahre alt war, betrat sie mit ihrer kleinen Herde zuerst die grasreichen Triften. Hier empfand sie mehr als jemals den Drang phantasie und[16] gedankenvoller Vorstellungen, welchen sie so gern in Bilder übergetragen hätte, wenn sie nur gewußt hätte, wie.

Eines Morgens entsprang der kleinen Hirtin eines ihrer Rinder, welches durch den angrenzenden Wassergraben auf eine fremde Weide gerieth. In aller Angst watet die kleine Hirtin durch den Graben diesem Rinde ach, die andern beiden folgten ihr von selbst; es dauerte lange, ehe sie es einholen konnte. Sie gewahrte nun in einiger Entfernung einen Hirtenknaben, der unter einem Baume saß und mehreren um ihn versammelten Kindern aus einem Buche vorlas.

Ihr Herz schlug laut vor Freude, und mit dem zweiten Gedanken war sie auch schon bei dem Knaben. Drei Worte in drei Augenblicken gesagt machten sie auf immer bekannt. Es war ein Volksbuch. Der Knabe war aus Tirschtiegel, seine Gestalt war unförmlich, seine Zunge schwer, seine Sprache heiser. Gott und Natur hatten ihn mit Geist und Herz begabt. Er hatte viel Anlage zur Mechanik, verfertigte sich selbst eine hölzerne Uhr, und bei seiner Feldarbeit täglich allerlei künstliches Schnitzwerk, worin er niemals einen Unterricht gehabt hatte.

Der Sommer verging Anna Luise wie ein schöner Traum. Zu Hause durfte sie nur verstohlen lesen. Die Bücher, welche ihr Freund ihr lieh, versteckte sie sorgfältig unter einem Hollunderstrauch, holte sie abends, um sie unter ihr Kopfkissen zu verbergen, und las vor Tagesanbruch darin, wenn noch alles im Hause schlief. Auch schlüpfte sie oft in das Vaterhaus ihres Hirten und las dort.

Der sehnlich erwartete schöne Frühling kam wieder und mit ihm das Leben des vergangenen Jahres. Der[17] Hirt wußte Bücher herbeizuschaffen, jedes befruchtete ihre Phantasie mit neuen Bildern. Der dritte Sommer ihres Hirtenstandes verging auf gleiche Weise. Doch da in jenem Lande es Sitte war, die Töchter des Hauses früh zu verheirathen, so sollte Anna Luise noch in weiblichen Handarbeiten unterrichtet werden und alsdann die Hauswirthschaft lernen. Damit man nun verhinderte, daß sie nicht ihrer Gewohnheit nach lesen und in den Gärten und auf den Wiesen herum träumen möchte, so wurde sie vom Hause entfernt und einige Meilen weit davon in die Kost einer Müllersfrau gebracht, welche Geschicklichkeit im Ausnähen besaß.

Mit schwerem Herzen schied sie aus der Nähe ihres Freundes und von den Stätten, wo sie beseligt gewesen, aus dem Schos der Natur, vom Busen der Freiheit. Aus dem Zauberland der Poesie riß sie nun die kalte Hand des Schicksals hinweg und schleuderte sie in die Schranken des wirklichen Lebens. Schon hatte sie Widerwärtigkeiten und Schmerzen gekannt, nun aber sollte sie ein Opfer der Tücke und Habsucht gemeiner Menschen werden.

Ihre Lehrerin in weiblichen Arbeiten wurde bald von ihrer Geschicklichkeit überflügelt und hatte ihr nichts mehr zu lehren. Sie benutzte nun ihre Gegenwart für ihre eigenen Geschäfte, überlud das sanfte gefügige Mädchen mit schwerer Arbeit, und hielt sie knapp und schlecht. Sie würde sehr unfreundlich gegen die junge Luise gewesen sein, wenn sie ihrer nicht bald bedurft hätte, um ein Liebesverhältniß mit einem schönen jungen Rittmeister, der in der Nachbarschaft der Mühle auf Grasung lag, zu verheimlichen. Das junge Mädchen kannte die Welt und das Leben nur aus ihren Ritterromanen. Es wurde der schlauen Müllerin leicht, Luisen zu überreden, daß sie[18] ein Opfer eines Tyrannen sei, der sie von ihrem Geliebten getrennt habe und gewaltsam von ihm entfernt hielte. Unter Thränen beschwor sie das junge Mädchen, ihre Liebe zu beschützen, und sie zu warnen, wenn sich der Müller ihrer Wohnung nähern sollte. Das gute Kind glaubte alles, was ihre Gebieterin ihr vorlog. Mit Eifer und Klugheit versah sie ihr Amt sie; besang das harte Geschick der Liebenden. Doch der Rittmeister mußte fort. Der Müller, der dessen Verhältniß zu der hübschen Frau bald durchschaut hatte, wurde grob gegen sie. Ihre Laune wurde unerträglich, und die junge Luise wurde das Opfer der Misstimmung beider Eheleute, die von den niedrigsten Gesinnungen durchdrungen waren und sie als Sklavin hielten. Ihre zarten Schultern wurden mit einer Last Korn beladen, welche sie am Tage ihrer Einsegnung dreiviertelstundenweit in die Mühle tragen mußte. Bald darauf holte ihr Stiefvater sie in das väterliche Haus ab. Ihr Herz öffnete sich den sanften Regungen der ersten Liebe. Sie wurde freundlich von den beiden Müttern empfangen, welche ihre Geschicklichkeit und ihren Fleiß bewunderten.

Im Tirschtiegel gab es, wie schon bemerkt, weder Kirche noch Schule; keine Ahnung sagte ihr, daß zu der Kirche, welche damals ihrem Lieblingsort fehlte, einst ihre Töne, wie die der Lyra Amphion's, den Steinen Leben und Bewegung zum Gottesbau einprägen helfen würden.

So geht der Mensch ahnungslos der Zukunft entgegen! So keimt aus den Leiden der Unschuld himmlische Tröstung hervor!

Ungeduldig erwartete Anna Luise nun den Sonntag, wo sie sich gestatten durfte, den Rinderhirten bei seinen Aeltern aufzusuchen. Von neuem wurde sein bestaubtes Bücherbret ihr Paradies. Ihr war noch ein größeres[19] Glück vorbehalten; es war nicht Zufall, denn es gibt keinen Zufall, sondern Fügung von oben herab, daß sie auf dem Söller einige gedruckte Blätter fand, die sie begierig aufhob und durchflog; einzelne Gedichte des bekannten Johann Franke standen darauf. Sie hatte noch keine andern Verse als Lieder aus dem Gesangbuche gelesen, und dachte nicht, daß es eine andere Dichtungsart gäbe. Sie entdeckte nun mit der Ueberraschung und Freude eines Seemanns, der ein unbekanntes Land aus den Fluten steigen sieht, ein neues Reich für den Geist. Sie flog zu ihrem Hirten, las ihm die gefundenen Verse, und schrieb sogleich ihre Gedanken in Silbenmaß und Reime. Dies Lied war an den Hirten gerichtet und klang ungefähr so wie alle ihre frühesten Gedichte, die mit französischen Worten durchflochten sind, wie z.B. das an Fräulein von Moose, 1741.


Die Hoffnung schmeichelt mir Sie werden permittiren,

Was Dero Dienerin sich jetzo unterfängt;

Zwar kann ich meinen Vers mit wenig Anmuth zieren,

Weil kein Virgilius mir seine Silben schenkt.

Doch werden Sie darum die Zeilen nicht verachten,

Die meine Dankbarkeit zu Dero Füßen legt.

Kann man dieselben nicht als hochgelehrt betrachten,

Genug daß jedes Wort vollkommne Treue hegt.

Ein angenehmer Tag, so Dero Namen führet,

Ermuntert mein Gemüth zu der Ergebenheit,

Womit ich Ihnen bin zeitlebens obligiret:

Drum observire ich jetzt meine Schuldigkeit,

Und will durch dieses Blatt gehorsamst gratuliren,

Weil Sie der Herr, der über Erd' und Himmel schwebt,

Durch seinen Vaterarm so treulich wolle führen,

Daß Sie beglückt und froh das Namensfest erlebt.

Es bleibe dieser Herr noch ferner Dero Führer,

Er unterstütze Sie mit seiner Allmachtskraft;[20]

Er sei Ihr Schild und Lohn, Ihr mächtiger Regierer,

Er stärke Dero Geist mit süßem Lebenssaft,

Er lasse niemals was so Widriges geschehen,

Das Ihro Gnaden kränkt und Ihre Ruhe stört.

Nein, nein, es müsse Sie auf ewig wohlergehen;

Es müsse nur geschehn was Dero Freuden mehrt,

Der hohe Himmel sei Sie ewig zugethan,

Er lasse Sie noch viel beglückte Jahre zählen,

Er schenke Ihnen mehr als ich nur wünschen kann.


Oder ein anderes an Fräulein von Moose, 1742. Dieses Fräulein Namens Evchen, wollte ihren Namen nicht hören, darüber wurde gesungen:


Englisches Evchen, o gieb dich zufrieden,

Movire Dich doch nicht, wann man dich so nennt!

Ist dir der Name nun einmal beschieden,

So leid' ihn geduldig und lebe content!

Eva ward höchst vergnügt, da es die Vorsicht fügt,

Daß sie der Adam sein Schätzchen genannt.


Nun denn, mein Evchen, so wird dir's auch gehen,

Ob Dich dein Name gleich jetzo verdrießt;

Ich sichre, da wirst du schon freundlicher sehen,

Wenn dich ein Adam einst rufet und küßt:

Dann wird recht buchstabirt, gelesen, und fexirt,

Wenn uns die Liebe den Namen versüßt.


Ihre Gegenwart that dem Hirten wohl, doch schlug sein schüchternes Herz ruhig in ihrer Nähe. Dies war zu seinem Glück, denn zärtliche Gefühle konnte er ihr nicht einflößen. Auch hatte sie bald einen Nachbarssohn bemerkt, einen wohlgesitteten schönen jungen Mann, mit dem sie gewiß glücklich gelebt hätte, wenn dessen Mutter, weiblicher Gelehrsamkeit fremd, nicht alles aufgeboten[21] hätte, diese Heirath zu hindern. So wurde das Glück ihrer ersten Liebe zertrümmert. Und bald darauf wußte ein schlauer Freier, der eine ansehnliche Mitgift bei ihr voraussetzte, Frau Dürbach für seine Wünsche zu gewinnen.

Der junge Hirsekorn aus Schwiebus hatte den Ruf eines sehr ordentlichen Mannes und geschickten und fleißigen Arbeiters. Es wurde zwar zu diesen Lobeserhebungen hinzugesetzt, daß er streng und jähzornig sei. Die Mutter meinte: eine junge Frau, für die er Liebe heuchelte, würde ihn bessern. Anna Luise, gefügsam und sanft wie sie war, hatte nichts gegen die Heirath mit dem schönen jungen Mann einzuwenden. Die Mutter verhehlte dem Eidam nicht, daß sie fast ihr ganzes Vermögen eingebüßt habe. Doch er glaubte, sie wolle ihn auf die Probe stellen, und versicherte, daß die Tochter einer solchen Mutter, so liebenswürdig und sanft, ihm auch ohne Mitgabe als Gattin wünschenswerth scheine. Auf dies Wort hin wurde der Hochzeitstag angesetzt.

Die Braut war ein schlankes, noch nicht voll sechzehnjähriges Mädchen mit blühendem Gesicht, ländlichen freundlichen Mienen und feuervollen blauen Augen. Ihre unbeschreiblich schöne Stirn trug keine gepuderten Locken, sondern ihr stark kastanienbraunes Haar war, nach Art der Mädchen in der französischen Schweiz, in Flechten aufgeschlagen. Statt des Kranzes trug sie, nach damaliger Sitte, eine kleine Fontange von Spitzen, welche auf ein goldenes Stück Brocat getollt waren. Ueber einen großen Fischbeinrock blähte sich der Brautrock von schwarzer Serge. Den schmalen Leib zierte ein Kamisölchen von selbem Zeuge, ein goldener Latz schimmerte vor der Brust, und goldgestickte Pantoffeln nebst rothen Strümpfen mit bunten Zwickeln bekleideten den zierlichen[22] Fuß, weiße Zwirnhandschuhe und ein Zobelmuff schmückten ihre feine Hand. So stand sie vor dem Traualtar.

Nach dreitägiger Hochzeitsfeier wurde sie von ihrem Manne helmgeführt. Sobald er sie in seiner Gewalt hatte, warf er die Larve ab, und ließ es durch den unerträglichsten Geiz sie empfinden, daß er in Hinsicht der Mitgabe sich betrogen hatte; denn sie hatte wirklich nichts mitbekommen als eine Ausstattung von etwas Schmuck, Kleidern und Hausgeräth, und statt der eingebildeten tausend Thaler waren es nur hundert. Dazu kam nun noch ihre Unerfahrenheit in der Haushaltung, und ihr zerstreutes Wesen, welches sie nicht überwinden konnte. Dies verdroß ihren Mann sehr.

Das arme junge Weibchen war zu bedauern. Bei dem besten Willen, welchen sie hatte, ihrem Manne alles nach Wunsch zu thun, konnte sie doch nicht das Geringste handhaben, wobei sie nicht etwas verschüttete, im Wege liegen ließ, auf etwas trat, oder etwas verkehrt machte. Dies erzürnte ihren Mann so heftig, daß er in Thätlichkeiten darüber ausbrach. Sie hatte in Schwiebus keinen Bekannten, keinen Rathgeber, keine Freunde; nur ihre Schwiegermutter war ihr zugethan. Sie hatte noch nicht ihr siebzehntes Jahr beschlossen, als ein schöner Knabe in ihren Armen lag. Sie liebte ihren Gatten sehr zärtlich, sodaß es sie betrübte, daß der Knabe nicht sein Ebenbild war.

Ihr Mann zürnte ihr, wenn er sie weinen sah. Er störte sie mürrisch, wenn sie beim Warten des Kindes in einem Buche las. Unaufhörlich und tiefkränkend ließ er sie seinen Widerwillen empfinden, wenn sie mit dem Kinde auf dem Schos Wolle las zu Tüchern, und mehrere derartigen Geschäfte verrichten mußte, welche zur Profession[23] gehörten, indeß ihre Gefühle in tausend poetischen Bildern herumflatterten.

Kaum war ihr Söhnchen anderthalb Jahr alt, als sie schon wieder Mutter wurde. Ihr Mann wurde nun noch geiziger; und grausam war es von ihm, daß er seinen Unmuth an dem unschuldigen Geschöpf, an seiner folgsamen und fleißigen Frau ausließ, und seine Ersparnisse von ihren Bedürfnissen abzog. Oft, wenn sie in ihren glücklichen Tagen den Wein nicht genießen konnte, der ihr im Ueberfluß angeboten wurde, erinnerte sie sich jenes darbenden Zustandes wo sie nach einem Trunk Bier schmachtete, welches ihr Mann vor ihren Augen trank, ohne ihr etwas anzubieten.

Von ihrer guten Schwiegermutter wurde sie zwar oftmals heimlich unterstützt, doch es mußte verborgen bleiben, weil er gegen die Aeltern so hart war, als gegen seine Frau. Nur Sonntags hatte die gute junge Frau einige Erholung, da pflegte er nachmittags auszugehen und vor spätem Abend nicht wiederzukommen. Da nahm sie denn ihre Kleinen neben sich, eine Feder oder ein Buch in der Hand, und erleichterte ihren Geist in dem freien Felde ihrer Ideen. Hier dichtete sie auch oder schrieb nieder, was sie die Woche hindurch sich ausgedacht hatte. Und weil sie jeden Gegenstand ergriff, woran ihr Feuer Nahrung fand, so ergriff sie oft den Anlaß, den ihr irgendein Ereigniß in der Nachbarschaft darbot, besang es, und verschenkte das Gedicht, sodaß bald in Schwiebus bekannt wurde, daß die Hirsekorn Verse machen könne. Der umliegende Adel erfuhr davon. Zuweilen wurde sie zu Herrschaften gerufen, die sie anhörten und beschenkten.

Einstmals ließ man sie in eines der benachbarten Dörfer in eine adelige Assemblée kommen, wo sie mit[24] vieler Geistesgegenwart Jedem der Anwesenden einen Vers aus dem Stegreif hersagte, welches ihnen ein Wunder schien, so gewöhnlich auch die Reime waren. Bei ihrem Abschied wurde sie von der Dame des Hauses mit einigen Ellen halbseidnen Zeugs beschenkt, welches damals eine königliche Aufmunterung für sie war. Als sie es ihrem Manne zeigte, gewann sie von ihm das erste freundliche Lächeln. Wäre nur öfters etwas Aehnliches geschehen, so würde Hirsekorn sein Weib schätzen gelernt haben. Doch nachdem die erste Neugier ihrer Gönner gestillt war, vergaßen sie die dichterische Frau, und sie blieb unaufgemuntert wie zuvor.

Doch bekam ihr Talent einen neuen Aufschwung durch die Nachrichten von Friedrich's des Großen Siegen, die unaufhaltsam durch ganz Schlesien in jede Hütte drangen und selbst die Einsamkeit der Dichterin durchtönten.

Schlesien war der österreichischen Herrschaft müde. Schwiebus und die Umgegend war lutherisch und litt Zwang durch die kirchlichen Verhältnisse der verschiedenen Glaubensgenossen. Friedrich's Siege brachten Luft und Licht. Alles war für ihn von Enthusiasmus beseelt, alles liebte ihn, und betete ihn an, und nie war ihnen so wohl, als wenn sie ein »Vivat der König von Preußen« trinken konnten.

Die Dichterin glühte vor Verlangen, ihn besingen zu können, wenn sie bei ihrer Arbeit von diesem Wunderkönige reden hörte. Allein völlig unbekannt mit den Regeln der Grammatik und mit jeder Art eines Heldengesanges, konnte sie ihren Gefühlen freilich nur einen unbeholfenen Ausdruck geben. Ein merkwürdiges Zeugniß ihrer Gesinnung bleibt jedoch jedenfalls folgendes Gedicht, worin sie, wie die schüchterne Liebe, es nur entfernt wagte, gleichnißweise ihre Verehrung gegen ihn[25] zu verrathen. Man darf es nicht spöttisch belächeln; es ist die Quelle zu dem künftigen Strom ihrer Lieder, der damals noch unbemerkt und leise rieselte.




Eine Satire auf die Verfassung von Schlesien während der kaiserlichen Regierung 1740.

Als Friedrich's große Macht in Schlesien marschiret,

Da bin ich gleichfalls mit als Volontair passiret:

Mich trieb der Vorwitz und die Neubegierde an,

So daß ich meinen Weg ein wenig seitwärts nahm.

Da ich mich von dem Marsch der Preußen abgetrennt,

Kam ich vor eine Stadt, die man Schwiebus benennt,

Und als ich im Begriff, daselbst hineinzugehn,

Sah ich ein Frauenbild bei einem Baume stehn.

Sie ließ die Traurigkeit aus allen Mienen blicken,

Die Hände waren ihr gebunden auf den Rücken,

Die Augen thränenvoll, die Haare ganz zerstreut,

Und als ich näher kam, war's die Gerechtigkeit.

Ich fragte ganz bestürzt: was ist Euch denn geschehen,

Madame, daß man Sie hier so betrübt soll sehen?

Wenn's nach den Rechten ging, so sollet ihr ja schon

Heut' auf dem Rathhaus sein, und bei der Session.

Ach! hub sie seufzend an, dem Himmel sei's geklaget,

Man hat mich schon vorlängst aus dieser Stadt verjaget,

Da lebt ein jeder so wie es ihm selbst beliebt:

Das ist es, was mir jetzt so Geist als Herz betrübt.

Bemühet Euch, mein Freund, ein wenig umzusehn,

Da wird ein neues Haus vor jenem Thore stehn;

Da wohnt ein Herr vom Rath, ein Schalk in seiner Haut,

Der mit Praktiken hat dies Häuschen aufgebaut.

Da geht der krumme Schalk, schaut wie er speculiret,

Weil er Betrug und List in seinem Schilde führet;

So sieht er unter sich nach Art der falschen Welt,

Er sucht die Schlüssel zu der Bürger Gut und Geld.

Nun wollt' ich euch noch mehr von gleicher Gattung zeigen;

Doch weil so Zeit als Ort mir jetzt befiehlt zu schweigen,

So sag' ich nur noch dies: der Consul und der Rath,[26]

Die stimmen überein sowol in Wort als That.

Der große Carolus, der noch in Schriften lebet,

Und dessen theure Seel' jetzt bei der Gottheit schwebet,

Der gab aus Gütigkeit der Invalidenschar

Gewisses Gnadengeld zur Unterhaltung dar:

Es theilt sich dieses Volk in unterschiedne Städte,

Das war nun eben recht für unsre Herren Räthe.

Sie delibrirten bald, und machten diesen Schluß:

Daß man bei unsrer Stadt auch welche haben muß.

Indem sie dieses sagt', vergoß sie bittre Thränen:

Ach Weh, o Grausamkeit, thät sie an mir erwähnen,

Man hat genommen mir die Wage, welcher Werth!

Die Händ' gebunden mir, dazu geraubt das Schwert!

Die Großen legten an der Bürgerschaft viel Gaben,

Und das zu diesem Zweck, daß sie nichts sollten haben.

Ihr' Güter brachten sie an sich mit Listigkeit,

Und die betrieben sie fast stets zu jeder Zeit.

Weil nun die Bürgerschaft die Steu'r nicht mehr konnt' geben,

Also empfingen sie dreihundert Mann auch eben,

Mit sie ward bequartirt ein jeder Bürgersmann;

Doch wie es weiter ging hört mich nur ferner an:

Man richt't ihn' Zimmer zu, indem sie gute Zahler,

Ein jeder geben muß des Jahres Mieth' sechs Thaler,

Und ob der meisten gleich nicht hier war ihr Bestand,

Indem sie mußten weg heim in ihr Vaterland!

Jedennoch kamen sie ihr Geld hier zu empfangen,

Und mußten auch sobald allda das Miethgeld langen.

Ja diese hatten all' die Großen unter sich,

Kein einz'ger ihm zukam. Nun höret ferner mich:

Sie bauten vor das Volk aus Stall und Winkel Häuser,

Darein zu setzen sie, die nicht vor sie der Kaiser

Wohl aber dieser Stadt, die in der Bürgerpflicht,

Die Gaben rechnen dran und sollten geben nicht.

Es konnten viele nicht, nicht einen Mann erlangen,

Ob sie gleich oft und viel zum Herren sein gegangen;

Sie sagten bald zu ihm: Geht, ihr habt eu'r Bericht,

Nicht bei euch schickt es sich, und ihr versteht's auch nicht,

Sie machten sich gar frei, daß sie nichts durften geben,

Und also thaten sie bei großen Gütern leben.[27]

Es mußten ihre Werk' und Thun stets sein gerecht,

Auch trotz dem, der nur etwas wider sie aufbrächt'.

In Gaben mußten e die Bürger übertragen,

Und dieses konnten sie auch keinem Richter klagen.

to also bin ich hier aus dieser Stadt verbannt,

Daß ich jetzt und darin bin nun nicht mehr bekannt.

Ich sprach: sie sei getrost, man wird sie wieder kennen,

Ein jeder Mann wird sie sein'n Schatz und Freundin nennen.


Dem Könige gehört mit Recht das ganze Land,

Der, der wird geben ihr ihr Schwert in ihre Hand;

Und ob er gleich noch ist in seiner Blüt' der Jugend,

So find't man doch an ihm das Muster aller Tugend.

Er liebet Frömmigkeit, die reine Gotteslehr',

Und mit ihr zieht ins Feld Gott selbst sein Engelheer;

Ich selber werde ihm auch dieses alles sagen,

Das was sie so betrübt, und was sie mir thut klagen.

Mit ihr macht er's bald aus, es ist geschehn der Schluß,

Daß sie sich packen soll, daß sie nun weichen muß.

Sie darf nunmehro nicht an keine Macht gedenken,

Sonst wird der König sie gewißlich lassen henken.

Ein jeder nehm' sich nur vor diesem Weib' in Acht!

Auf daß er nicht mit ihr werd' auf den Bann gebracht.

Sie glaub' mir sicherlich, sie wird an ihm den finden,

Der ihre Hände wird auflösen und aufbinden;

Sie hoffe nur getrost, indem ich weiter geh',

Sie leb' indeß vergnügt, ich sage ein Adieu.


Unverhofft kam in jener Zeit der Rinderhirt nach Schwiebus, wo ihm ein kleines Grundstück als Erbschaft zugefallen war. Sein Häuschen in Tirschtiegel empfing seine gute Mutter von ihm als Witwensitz. Nun waren Anna Luisens Sonntage von neuem durch die erfindungsreiche Sorgfalt des Freundes ihrer Kindheit mit Büchern versehen. Wenn es ihr aber einfiel, auch an Wochentagen ein Buch zu nehmen, und Hirsekorn sie dabei überraschte, so gerieth er in Wuth, riß ihr das[28] Buch aus der Hand und warf es ins Feuer. Tief gekränkt, wurde nun auch sie nachlässiger in ihrer sonst so rastlosen Sorge, ihm zu genügen, und versäumte in schmerzlicher Zerstreuung die Sklavenarbeit, welche er ihr täglich auflegte. Seine Abneigung gegen sie wuchs. Tag und Nacht war er mit Entwürfen beschäftigt, sich von ihr zu trennen, und es bot sich ihm in kurzem ein Anlaß dar. Er eilte ihn zu benutzen, denn auf das Höchste stieg seine Erbitterung, als er entdeckte, daß sie zum dritten mal Mutter werden sollte. Er kannte nun keine Schranken mehr und mishandelte das arme junge Weib so grausam, daß sie zu seiner Mutter flüchtete. Es gelang dieser würdigen Frau, den Frieden wieder herzustellen; doch nur auf kurze Zeit.

Eines Tages kam er von seinem Ausgang mit einem Räuschchen zurück, welches ihn sonst immer guten Muthes machte. Er warf beim Hereintreten mit lustiger Geberde den Hut auf den Tisch, schwang sich auf einem Bein herum, und rief: »Vivat, es lebe der König von Preußen. Höre Luise! weißt du ganz was Neues? Der König von Preußen hat in seinen Landen die Erlaubniß zur Ehescheidung gegeben, was meinst du, wenn wir die Ersten wären, die sich scheiden ließen?« Seine äußerst erschrockene Frau konnte ihm hierauf nichts antworten, und er fuhr fort: »Na, du hast doch nichts dawider, wenn wir den Anfang machen?« »Ach Gott, du wirst doch das nicht thun!« war ihre Antwort. »Ja, ja, das werde ich wol thun!« erwiderte er. »Und was ist denn für ein Unglück dabei, wenn man einander nicht leiden kann, ist's nicht besser als davon.« Die Frau weinte jämmerlich, aber er sagte weiter: »Höre Luise, weine nur nicht, das Weinen kann zu nichts helfen, es wird nicht anders, ich habe meinen Sinn darauf gesetzt, daß ich mich scheiden[29] lasse. Du bist wol ein fleißiges folgsames Weib, aber es muß mir angethan sein. Genug, ich kann dich nicht zum Weibe leiden; und kann dich immer weniger leiden, was soll uns ein solch' Marterleben? Gib nur gutwillig dich darein, denn es wird nicht anders, ich gehe auf die Scheidung!«

Hiermit, ohne ihre Antwort abzuwarten, ging er in seine Kammer. Ihr Zustand war schrecklich: sie liebte ihren Mann. Ihre Mntter konnte ihr keinen Schutz geben, weil sie selbst in einer drückenden Lage war. Dies alles fühlte die Dichterin. Alle diese Vorstellungen zusammengedrängt, ließen das Vorhaben ihres Mannes so unmenschlich erscheinen, daß sie ihn dessen für unfähig hielt.

Dieser Gedanke beruhigte sie bis zum Morgen. Sobald sie ihren Mann ansichtig wurde, bat sie ihn mit den rührendsten Ausdrücken des Schmerzes, und allen Vorstellungen ihres Zustandes, daß er doch den Gedanken an die Scheidung aufgeben möchte. Sie zerfloß fast in Thränen vor ihm. Allein er blieb unbeweglich: »er könnte sie einmal nicht leiden«, dabei blieb's.

Andern Tages fuhren sie zusammen nach Glogau, um dort die Scheidung einzuleiten. Mit welchen gültigen Gründen er sein Gesuch unterstützte ist unbekannt, – genug, sein Wille ward niedergeschrieben, und nach einiger Zeit wurden beide Theile nach Groß-Glogau zum ersten Termin citirt. Er fuhr mit ihr zusammen dorthin, gab ihr unterwegs die schönsten Schmeichelworte, daß sie doch gutwillig in die Scheidung einwilligen möchte; denn der Widerstand hülfe ihr nichts, als nur seine Abneigung noch vermehren.

Unerachtet sie vor Kummer kaum sich selber bewußt war, so versprach sie ihm das alles aus Gutmüthigkeit und Unerfahrenheit. Sie ging alles ein, wie er es haben[30] wollte. Ebenso verhielt es sich beim letzten Termin zur wirklichen Scheidung.

In Glogau angelangt, eilte er zuerst in das Rathhaus, und hieß sie unten warten. Jetzt war sie allein; ihr trauriger Zustand fiel centnerschwer auf ihr Herz, sie weinte heftig. – Ein junger Soldat, welcher hier Schildwach stand, sah sie weinen, frug sie nicht Warum? sondern zog Kreide aus seiner Tasche und schrieb an die Rathhausthür:


Geduld, Vernunft und Zeit,

Dies sind drei schöne Sachen,

Die, was unmöglich scheint,

Noch möglich können machen.


Darauf nahm er sie bei der Hand, und sagte: »Hier junge Frau, kann Sie lesen?« Sie schlug die nassen Augen auf, las, und wurde gestärkt. Sie hielt diese Worte für eine glückliche Weissagung, daß Gott ihre Leiden wieder in Freuden umwandeln würde. Es ahnte ihr nicht, daß, ehe dies geschehe, sie Stunden noch schwererer Prüfung bestehen sollte.

Sie ward nun zum Scheidungsverhör gerufen; alle Punkte wurden zum Besten des Mannes verfügt, und die Scheidung bewilligt. Alle vortheilhaften Bedingungen, welche List und Eigennutz ersinnen, fielen ihm zu. Er behielt, was sie ihm als Ausstattung gebracht, als Muttergut für seine beiden noch lebenden Söhne, welche in seiner Versorgung blieben. Das dritte, noch nicht geborene, schloß er von seinem Erbtheil aus, so seine beiden Söhne von ihrem etwaigen Vermögen. Sie ließ alles so geschehen, weil sie keinen Rathgeber und Beistand hatte. Beide fuhren nun in einem Wagen nach Hause. Zwar suchte er ihr Muth einzuflößen, aber Reue über das Elend, in welches er sie gestürzt, kam ihm nicht in den Sinn.[31]

Von nun an verlangte die herrschende Sitte, sein Haus zu meiden; wohin aber ihre Zuflucht nehmen, war ihr unbekannt. Sie nahm das Bündelchen Kleider, welche er ihr gutwillig ließ, unter ihren Arm, und so zwischen Mangel und Schmach, verstoßen von einem Manne welchen sie liebte, getrennt von ihren Kindern, ohne Beistand, nicht wissend, wo sie künftig ihr Haupt würde ruhen lassen können – wankte sie aus ihrem Hause, zu ihrer guten Schwiegermutter, welche sie mit offnen Armen aufnahm; aber nur auf kurze Zeit, da der Aufenthalt einer geschiedenen Frau großes Aufsehen in der Stadt erregt hätte.

Endlich kam der Scheidungsbrief, und sie – die aller Hoffnung Beraubte, mußte den Ort verlassen, wo jeder Gegenstand sie an ihr Elend erinnerte. Sie nahm nun wieder ihr Bündelchen Sachen, und ging zum nächsten Thore hinaus, ohne zu wissen wohin? Ihre Schwiegermutter geleitete sie dreiviertel Meilen weit, schluchzte und weinte neben ihr her, streckte oft ihre gefalteten Hände vor sich aus, und rief: »Ach meine liebe Schwiegertochter, daß Gott sich erbarme, du wirst recht aus dem Hause gestoßen! – Mein gottloser Sohn! Es wird ihm nicht wohl gehen! Aber du wirst noch Freude erleben. Es müßte kein Gott im Himmel sein, wenn du so verlassen bleiben solltest! Meine liebe Tochter, es wird dir noch wohl gehen, denke an mich! – Es muß dir noch wohl gehen! Es muß dir noch wohl gehen!«

Es dämmerte nun, und sie mußten sich trennen. Es war ein herbes Lebewohl, das sich Beide sagten, und nie sahen sie einander wieder. –

Jetzt schlug die Aermste ihre verweinten Augen auf, und sah sich nach einer Ruhestätte für die Nacht um. In einiger Entfernung entdeckte sie die Strohdächer eines[32] Dorfes, sie eilte hin, und wurde dort wohl empfangen. Es war das Dorf Muschten, welches zwischen Schwiebus und Tirschtiegel liegt. Heiße Sehnsucht nach der Mutter, nach dem Heimatort, bewegten ihr wundes Herz; doch sie wagte nicht, der Mutter vor Augen zu treten. Dieser erschien das Unglück der Tochter in einem tief demüthigenden Lichte. In allen Blicken, die den ihrigen begegneten, glaubte sie Hohn zu lesen, und ein arglistiger Heuchler, dem sie ihre Hand gegeben, um Schutz und Brot bei ihm zu finden, überhäufte sie mit Vorwürfen wegen des Unglücks ihrer Tochter. So schwere äußere und innere Leiden wirken so heftig auf die Mutter, daß sie in eine Auszehrung verfiel.

So schrieb sie denn unter strömenden Thränen an ihre Mutter, und die unschuldig Gekränkte bat noch um Vergebung des Leides wegen, welches sie auf ihr Alter bringe. Statt einer Antwort erschienen ihre Brüder, brachten ihr Geldhülfe und Trost in sanften Worten. Auch die gute Schwiegermutter und einige Bekannte beeilten sich, sie auf gleiche Weise aufzurichten. Sie fühlte sich neu gestärkt und erhoben, stellte ihr Geschick Gott anheim, sang und dichtete Trost- und Hoffnungslieder, fühlte dann ihr Herz erleichtert, und wußte nichts mehr von ihren Leiden.

Sie brachte nun einen lieblichen Sohn zur Welt, der sie fröhlich anlächelte, nicht ahnend, welche Sorge sein Dasein seiner unglücklichen Mutter aufbürde. Doch sie freute sich des Kindes, blühte wie eine Rose, und sang wie ein Vogel auf grünem Zweige.

So wie sie das Bett verlassen konnte, suchte sie sich durch Dichten Hülfe zu erwerben. Die einfachen Worte, in denen sie ihr Misgeschick vortrug, gingen zu Herzen. Ihr wurde zwar kärglich geholfen, doch ihr dankbares[33] Herz empfand jeden Tropfen Linderung in ihrem Jammerkelche wie ein Glück, das ihr Gott schickte. Mit sanften Thränen netzte sie ihren kargen Bissen Brot, schloß auf ihrem harten Lager ihr Kind in ihren Arm, und sog neuen Lebensmuth aus seinen heitern Blicken.

So vergingen dreiviertel Jahre, als sie eines Morgens, ihr Kind auf dem Arm, vor dem Wohnhause einen jungen Gesellen wahrnahm, der auf der Wanderschaft sein Bündel vom Rücken ablegte, und von der Wirthin einen frischen Trunk verlangte. Das hübsche blühende Weib, das Kind, welches anmuthig mit ihr tändelte, erregten seine Aufmerksamkeit. Beim Plaudern mit der Wirthin erfuhr er schnell ihre ganze Geschichte, fühlte sich tief bewegt und unwiderstehlich angezogen. Er hielt es für eine Pflicht, die Verlassene zu trösten und emporzurichten, und bot ihr seine Hand an. Er nahm es nicht wahr, daß sein Anblick und Wesen Mistrauen und Widerwillen in ihr erregten; er hielt das Widerstreben, mit welchem sie seinen Antrag anhörte, für weibliche Scheu, und eilte auf das erste Wort, das günstig von ihrem Munde klang, nach Tirschtiegel, wo ihre arme Mutter, freudig überrascht, daß sich ein Mann von so gesitteten Manieren und einträglichem Gewerbe um die Hand der geschiedenen Frau bemühte, ihre Einwilligung gab; ihr Gatte bestärkte sie in ihrem raschgefaßten Entschluß.

Mit ihrem Jawort eilte Karsch nach Muschten zurück, beschwichtigte die Bedenklichkeiten seiner Braut durch die feurigsten Betheuerungen, daß er sie glücklich machen wolle, – und das unselige Band wurde geknüpft. Das junge Ehepaar siedelte nach Fraustadt über. Mit ahnungsschwerem Herzen nahm sie unterwegs noch Abschied von ihrer Mutter, die nicht lange darauf starb.[34] Ihr Andenken hat sich lange und lebhaft in ihrer Heimat erhalten; hören wir darüber die begeisterten Worte der Tochter der Karschin.

Sie war, wie schon erwähnt, die Tochter des herrschaftlichen Försters Kuchel, und wurde nach dessen frühem Tode im Schlosse mit den jungen Fräulein zugleich erzogen. Geliebt und geachtet von den Mitgliedern der ganzen Familie, anmuthig und bildungsfähig, an vorzüglichen Eigenschaften unübertrefflich. In der Beschreibung von ihr kommt jeder überein, der sie gekannt hat, sowol in Aussage der Dichterin als in den Worten der untrüglichen Einfalt. Ihr sonst so empfängliches Herz wurde durch eine unziemende Geberde, oder durch ein niederes Wort verletzt. Sie war sittenstreng, in ihren Handlungen rein, und ihr Wesen von Anstand und Würde. Sie vereinigte mit diesen innern Eigenschaften seltene äußere Vorzüge. Ihr Wuchs und graziöse Haltung machten sich auf den ersten Blick bemerkbar. Ihre Gesichtsbildung war nicht regelmäßig schön, doch fein und angenehm. Ihr Auge war blau und sprechend, ihre Haut weiß und das Haar glänzend schwarz. Sie besaß zwei entzückende Talente, die in dieser Gegend noch niemand in solchem Umfange gekannt. Sie tanzte unvergleichlich: sie hat wie der Vogel über dem Wasser gleichsam nur über dem Boden geschwebt, und führte mit dem sittsamsten Anstande die überraschendsten Wendungen aus, welche sie selbst angab, weil die gewöhnlichen Tänze ihr zu unbedeutend waren. Wenn sie bei Festlichkeiten tanzte, strömten Zuschauer aus dem ganzen Städtchen herbei, und standen dichtgedrängt an den Fenstern, um sie tanzen zu sehen. Noch entzückender war ihr Gesang, selbst noch in ihrem fünfundsechzigsten Jahre, wo Alter, Hinfälligkeit und der grausamste häusliche Zustand ihr feines Nervengewebe[35] beinahe zerrüttet hatten. Die höchsten Schwierigkeiten, welche sie sich erschuf, führte sie mit der Leichtigkeit der im Fluge singenden Lerche aus, und mit der äußersten Höhe der Töne vereinigte sie zugleich ein Adagio, welches jeden, der sie hörte, bis zu Thränen durchdrang. Sie konnte mit unglaublicher Leichtigkeit in lauter kleinen Ringelkreisen die Stimme bis zum höchsten Triller erheben, in lauter neuen unerhörten Tönen schwebte sie allmählich wieder herab, und schmolz in einen Seufzer zurück. Auch Dichterin war sie, obgleich sie ihre Lieder nicht aufschreiben konnte. Sie sang oft Lieder, zu welchen sie selbst Melodien schuf.

Die Karschin, mit ihrem gefügigen Gemüthe, überwand den Widerwillen, den ihr Mann ihr vom ersten Augenblick an eingeflößt hatte. Treulich half sie durch feine Näharbeit und durch gelungene Gelegenheitsgedichte die knappen Einkünfte des jungen Ehepaars vermehren.

Karsch bekam wenig Arbeit, fand keine Gönner in Fraustadt. Sein Mismuth wurde durch die unverkennbare Kälte seiner Frau vermehrt. Er hatte sich ziemlich lange des Trinkens enthalten, und nahm nun wieder seine Zuflucht dazu. Sein Betragen erhöhte die Abneigung seines Weibes, ihre Vorwürfe erbitterten ihn heftig. Noch lange hielt er seinen Zorn in Schranken, denn er liebte wirklich seine Frau. Allein, als sie Mutter wurde, als die häusliche Noth bis auf den höchsten Gipfel stieg, und er das letzte, kaum entbehrliche Hausgeräth verschleuderte, um zu trinken, da erlag ihre moralische Kraft, und sie brach in Zorn und Wuth aus. Er schlug sie, um sie zum Schweigen zu bringen, und er würde in zügellose Wuth gekommen sein, wenn nicht der Anblick des Kindes eine sanfte Gewalt über den Verblendeten ausgeübt[36] und seinen wachsenden Haß gegen die Mutter erstickt hätte. Die Arme fand Muth zu Anstrengungen für Verbesserung ihrer trostlosen Lage.

Sie lud zur Taufe Alle, die ihr wohlwollten, sie wurde reichlich beschenkt. Doch nicht lange dauerte diese Erleichterung, denn die Leidenschaft des unglücklichen Karsch riß ihn immer tiefer in den Abgrund hinein. Rücksichtslos verschwendete er im Trunk, was seine Frau mühsam errungen, um die häusliche Noth zu mildern.

Schon war es Spätherbst, es fehlte an allen Bedürfnissen für den Winter, auch die Kleidung wurde abgetragen und nothdürftig ausgebessert. Die Arme schämte sich ihrer Noth und ließ sich nur in Frühstunden oder bei einbrechender Nacht auf den Gassen sehen. Zum Gottesdienst, den sie nicht entbehren konnte, schlich sie, wenn es noch dunkel war, in die Kirche, wo sie sich hinter einem Pfeiler verbarg. Mit erquicktem Herzen eilte sie heim, die spärliche Mittagskost zu bereiten, dann schrieb sie unter sanftern Thränen die herzstärkenden Worte, die sie an heiliger Stätte vernommen, in Verse nieder.

Eines Tages fühlte sie sich versucht, dem Pastor ihre Arbeit zukommen zu lassen. Mit hochklopfendem Herzen schlich sie sich in die noch leere Kirche, schob ihre Dichtung in den Beichtstuhl und eilte dann unter Zittern und Zagen, wie nach einem Verbrechen, in die Kirche zurück. Am nächsten Sonntage wiederholte sie dasselbe, und wurde immer beherzter dabei, bis der Geistliche, namens Herold, sie einmal überraschte, nach beendigtem Gottesdienst sich ihr nahte und sie anredete. Ihre Blässe, ihre feuchten Augen, ihre Schüchternheit und ihr dürftiger Anzug verkündeten ihren Zustand. Er lud sie in sein Haus. Ihr gepreßtes Herz ging bei seinen sanften Worten und[37] Blicken auf, er wurde ihr Freund. Er machte sie seinen Freunden, Rector Rückert, Prüfer, dem Bürgermeister Greiffenhagen, dem Dr. Neugebaur in Fraustadt bekannt, welche sich ihrer warm annahmen.

Sie erinnerte sich bis in den Tod dieser edeln Gönner. Zu ihnen gesellten sich später der Prediger zu Lissa, der Reichsgraf von Roedern, der Hofprediger Döbel in Groß-Glogau und der berühmte Professor Meyer in Halle. Diese edeln Männer waren ihr vor allen unvergeßlich, denn ihnen dankte sie die erste kräftige Hülfe, die ihr zutheil geworden. Zugleich war der Postmeister Körber in Lissa der Erste, der eines ihrer Lieder der Presse übergab, und der obgedachte Professor Meyer in Halle, welchem sie von Polen aus ein Lied geschickt, hatte sie der Lesewelt bekannt gemacht und sie kräftig aufgemuntert fortzudichten. Bis jetzt war sie ganz das Werk der Natur gewesen, nun wurde sie mit ausgezeichneten Schriften versorgt.

Bei aller Arbeitsamkeit der Karschin, bei aller Hülfe, die sie durch ihre Freunde empfing, konnte sie nicht emporkommen. Die unüberwindliche Leidenschaft ihres Mannes verschlang alles. Ein neuer Zuwachs ihrer Haushaltung vermehrte ihre Sorgen. Es war ein Töchterchen, ein engelgleiches Kind, welches wegen seiner kleinen Mitleid fodernden Gestalt sogleich das ganze Herz der Mutter gewann. Sie hatte es nicht allein vorzüglich lieb, sondern es wurde ihr Alles, ihre Freude, ihr Trost und das Leben ihres Lebens. Mit drei unversorgten Kindern, mußte sie jede Gelegenheit ergreifen, um mit ihrer Muse etwas zu erwerben. Die Noth, welche jede Schwierigkeit überwand, machte sie für jeden Gegenstand dreist. Bei einer Durchreise des Königs von Polen wagte sie es, ihm eine Dichtung zu senden, die auf diesen Monarchen[38] gewiß Eindruck gemacht hätte; allein sie kam ihm nicht zu Händen.

Indeß verbreitete sich ihr Ruf nach Groß-Glogau. Ihre Freunde riethen ihr, sich dorthin zu wenden. Im Jahre 1755 zog sie mit ihrem Mann und Kindern dorthin. Daselbst erwirkten die Empfehlungsschreiben ihrer Freunde ihr sogleich zwei vortreffliche Häuser, das des geheimen Finanzrath Engelbrecht und des Hofpredigers Döbel. Mehre Freunde dieser Männer schlossen sich ihnen an: Graf Roedern, von Schlabrendorff, der Commandant von Haak und andere, welche alle sich bestrebten, sie zu ermuthigen und in ihren eigenen Augen zu erheben; denn der unbeschreibliche Druck ihrer Lage hatte auch ihr Gemüth niedergebeugt.

Glogau vereinigte alle Vorzüge einer ansehnlichen blühenden Stadt. Hier gab es ein Schloß, ein Rathhaus, eine große Zahl angesehener Beamten und Bürger, viele Kirchen, und was noch das vorzüglichste für die Dichterin war – eine Buchhandlung. Diese besuchte sie, so oft sie ihrem schweren Hausstande eine Stunde entreißen konnte. Hier fand sie die merkwürdigsten Schriften der damaligen Zeit, auch die Uebersetzung der Werke Friedrich's II., ihres angebeteten Helden. Hier wäre sie glücklich gewesen, wenn sie allein und sorgenlos gelebt hätte; denn hier fand sie das Feld, wo die Saat ihres Geistes aufgehen und Frucht bringen sollte. Hier verbreiteten die mancherlei Auftritte des Krieges, welchen der König von Preußen mit allen Mächten Europas führte, täglich neue Wunder und Sagen. Ueberall sprach man nur von ihm. Er allein war der Gegenstand des allgemeinen Antheils. Hier, wo Friedrich's Siege mit Kanonendonner und heiligen Jubelgesängen gefeiert wurden, schossen die Flammen ihres Genius mächtig empor. Hier wurde[39] sie die Sängerin des Königs. Jedermann staunte das Wunder des niedriggeborenen Weibes an, welche in begeisterten Liedern einen großen König besang.

Doch bei der Aufführung des Karsch trugen die Bestrebungen seiner unglücklichen Gattin keine Frucht. Die Wehrlose konnte seiner Verschwendung nicht Einhalt thun. Die Noth der frühern Jahre trat wieder ein.

Wenn sie nach durchwachter Nacht sich ihrem dürftigen Lager entriß, und leicht bekleidet eine lange Straße durcheilte, um ein Bündelchen Holz zu borgen, und die Bedürfnisse für das Morgenbrot mühsam zusammenbrachte; wenn sie unter Wehklagen ihrer vier Kinder sich selbst das Brot entzog, um den Hunger der armen Geschöpfe zu stillen; wenn ihr jähzorniger Mann ihr den letzten Groschen abzwang, um dem Trunke nachzugehen: was war es, was sie emporhielt? Ihr gottergebenes Herz und das heilige Feuer in ihrer Seele. Wenn nur für den Augenblick geholfen war, so hoffte sie wieder, und sang mit neuer Kraft und Glut; ja, je größer die Drangsale waren, welche sie umnachteten, je heller brachen die Lichtstrahlen ihres Geistes hervor und je reiner wurde ihr Abglanz. Alle bedeutenden Fremden, welche nach Glogau kamen, suchten sie auf. Ihre Erscheinung rechtfertigte alles, was der Ruf von ihr verbreitete. Hier ein Beispiel unter hunderten im folgendem Briefe, welchen ein damaliger durchmarschirender Feldprediger namens Kletke (wahrscheinlich ein Vater oder Verwandter des verdienstvollen Dr. Kletke, Herausgeber der »Gottesblumen«) an einen seiner Freunde von ihr schrieb:

»Ich war im Jahre 1758 Feldprediger, und mußte mit einem Transport von Reconvalescirten nach Sachsen zur Armee gehen. Da wir unweit Glogau gerade an[40] einem Sonntage Rasttag hatten, foderte mich der damalige Regimentsquartiermeister des löblichen von Mooselchen Regiments auf, ihn bei einem Besuche zu dieser Dichterin zu begleiten, und ich ließ mich nicht lange bitten. Wir fanden sie in einer armseligen Wohnung. Zwei ihrer Kinder, die ältesten, gingen in zerrissenen Kleidern in der Stube umher. Das dritte saß vor ihr, und das vierte, ganz klein, auf ihrem Schos. Sie selbst aber saß unter dem Getümmel dieser Kinder und brachte eben eine Predigt, die sie in der reformirten Kirche gehört hatte, in Verse.

Indeß wir uns mit ihr unterhielten, hatte sie einen halben Bogen ergriffen, mit dem sie uns beim Weggehen beschenkte. Hier ist sein Inhalt:


Ihr Freunde von den Wissenschaften!

Ihr kamet mich zu sehn, von der ihr viel gehört.

Ihr sah't die Dürftigkeit. – Ich wurde nie belehrt,

Und keine Regel bleibt mir im Gedächtniß haften,

Ich bin nur von Natur, der zweiten Schöpferin,

Von ihr allein nur bin ich, was ich bin.

Vier Kinder stören mich; doch das Geräusch von Kindern

Kann nicht den Trieb in mir, und nicht das Feuer mindern.

Mein Glück ist klein, doch groß genug für mich,

Und im Gesang ist mir der Gram nicht hinderlich.

Ihr Freunde, die ihr euch die große Mühe nahmet,

Und mich so nied'res Weib zu sehn nach Glogau kamet,

Euch geb' ein solches Glück freundschaftlich das Geleit',

Als euer Herz verdient und eure Redlichkeit,

Die ich aus euren Augen kenne

Und die ich mich bereit zu euren Diensten nenne.«


Selbst aus der Ferne suchte man ihre schriftliche Bekanntschaft. Der Generallieutenant von Seidlitz schrieb aus dem Felde an sie in Ausdrücken der innigsten Verehrung.[41] Ihr Ruf war auch nach Berlin erschollen. Eleonore, Generalin von Wreech, eine Freundin Friedrich's des Großen, nahm den lebhaftesten Antheil an der Dichterin, – doch alle diese Erfolge trugen keine Frucht für ihre Lage, diese war die betrübteste, die man sich denken kann. Oft seufzte sie nach dem Tode, der, wie sie glaubte, allen ihren Qualen ein Ziel setzen könnte. Ein Blick auf ihre Kinder erweckte wieder Liebe zum Leben in ihr. Da entriß ihr der Tod ihr liebstes Kind namens Lottchen, welches sie noch viele Jahre als ein Opfer ihrer Drangsal beweinte, weil es ihre Milch eingesogen, als sie von einer Reise nach Lissa schwer erkältet und todesmatt zu dem halbverschmachteten Kinde zurückkam. Hunger und Elend hatten sie zu dieser Wanderung getrieben. Ein Nord mit Schneegestöber brauste hinter ihren eiligen Schritten her, und in ihrer Tasche war kein Heller, wodurch sie ihre halberstarrten Glieder hätte erwärmen können. Sie kam zur Zeit nach Lissa, wo eine Hochzeit gefeiert wurde; sie besang sie. Die Jubeltöne schnitten ihr durch das Herz, denn daheim schmachteten ihre Kinder. Liebevoll empfangen, erquickt und gestärkt, großmüthig beschenkt, wurde sie im Wagen des jungen Paares nach Hause gefahren. Doch ihr Kind verfiel in ein heftiges Fieber und fristete sein Leben nur noch kurze Zeit.

Nun aber kam Linderung von oben! Ein edler Freund, der es einsah, sie müsse in ihren Leiden zugrunde gehen, wenn man sie nicht von ihrem Manne befreite, brachte es dahin, daß Karsch von Glogau entfernt wurde. Die Vermittelung ging zwar nicht den Weg Rechtens; allein die Karschin wurde dadurch frei und der schwersten Sorgen entladen. Jetzt bekam ihr Geist seine eigene Schwungkraft. Zwar dichtete sie noch immer um Brot –[42] aber der sanfte Friede um sie her, den sie noch nicht geschmeckt hatte, gab ihr alle die Stärke, welche sie vorher in Sorge und Unterdrückung hatte verseufzen müssen. Alles, was sie nun dichtete, athmete diesen Frieden und ward zum Lobgesang. Sie zitterte für die Wiederkehr des Karsch, und nicht mit Unrecht; denn ihm wurde vergönnt, zu ihr zurückzukommen. Er nahte ihr sanft und reuig, sagte dem Trunk und der Roheit ab. Doch zu tief war seine Leidenschaft in ihm gewurzelt.

Auf dem Hange den Abgrund hinunter ist zuweilen ein Stillstand, aber keine Umkehr! Karsch verging sich wieder gegen seine Gattin, und mußte nun auf immer seinem Schicksal überlassen werden.

Eines Morgens trat ein goldbetreßter Diener in ihre ärmliche Wohnung ein, reichte ihr eine Karte, auf welcher sie die Schriftzüge der Generalin Eleonore von Wreech erkannte. Dieser Generalin von Wreech hatte die Karschin ein »Frühlingslied« von Schlesien nach Berlin gesandt; es folgt hier:


Freundin Dessen, der die Welt regieret,

Der an diamantnen Ketten führet

Jene Sonnen über unserm Haupt!

Sieh, an seiner Ordnung goldnen Säulen

Muß der Frühling neu heruntereilen

Mit dem Schmuck, dem ihm der Herbst geraubt.


Siehe, wie beflügelt er gekommen

Und die Trauer der Natur benommen;

Wie er sie schon jugendlich geschmückt

Mädchen, die den Lenz im Antlitz haben,

Männer, Jünglinge und kleine Knaben

Und der Greis, der sich am Stabe bückt.


Alles geht gereizt von den Gerüchen

Junger Veilchen, die so niedrig kriechen[43]

Und doch edler als die Tulpen sind,

Und der Hyacinthen offne Glocken

Duften Balsam, den um seine Locken

Dir entgegenträgt der Frühlingswind.


Blatt und Frucht, die in der Knospe lagen,

Drängen sich, des Schöpfers Lob zu sagen,

Aus der Hülle nun mit Macht hervor.

Wenn die stummen Redner prächtig blühen,

Steigt in regellosen Symphonien

Aus den Zweigen ein Gesang empor.


Ohne Muse, ohne Kunst und Schriften

Singt die Lerche schwebend in den Lüften

Unaufhörlich ihr pindarisch Lied!

Unter ihr in früher Tagesstunde

Singt mit bäurisch vollgenommnen Munde

Auch die Einfalt, welche Furchen zieht!


Lämmer, die noch an den Müttern saugen,

Blöken Dem zum Lobe, dessen Augen

Das Insekt in Staube kriechen sehn.

Ihn muß so der Wurm im Grase preisen

Als das Herz mit ihm bekannten Weisen,

Als wie Räder, die den Weltbau drehn.


O du Tochter seiner Lieb' und Güte,

Der in jedem Lenz die junge Blüte

Und die grüne Saat sein Lob beschreibt.

Höher als der Dichtgeist im Fluge

Preisest du mit jedem Athemzuge

Einen Gott, der deine Freude bleibt!


Alles singt ihm. – Seine Nachtigallen

Oft behorchend, will ich Lieder lallen

Voll vom Lobe Dessen, der mich schuf;

Bienen, die auf Lindenwipfeln summen,

Und des Fleißes Lehrer, jene Stummen

Im Erdhaufen, werden mir ein Ruf!
[44]

Jene Karte enthielt die Bitte an den Baron von Kottwitz, sich bei seiner Durchreise in Glogau nach der Dichterin Karschin zu erkundigen, die nun schon seit vielen Monaten keine Nachricht von sich gegeben!

Diese Zeilen durchfliegen, der liebreichen Frau danksagen, dem Baron zugleich, war das Werk weniger Minuten, und zwar in der natürlichen Sprache der Dichterin, in anmuthigen gefühlvollen Versen.

Der Jäger sah ihr voll Erstaunen zu, eilte zu seinem Herrn mit der Botschaft, und erzählte ihm mit Freuden und Erstaunen über die seltene Frau, was geschehen war.

Der Baron las die Briefe mit Bewunderung, fand sie schön, und trug seinem Jäger auf, die Karschin zu ihm einzuladen. Sie erschien in ihrer gewöhnlichen Bürgertracht, mit einer zwar freundlichen, aber fast einfältigen Blödigkeit. Er zweifelte ob dies die Frau wäre, welche eine so seltene Gabe besäße; allein ihre Antwort auf seine erste Frage überzeugte ihn bald, denn sie erwiderte ihm in einem recht artigen Verse. Sie bat hierauf um Schreibzeug, und setzte hierauf in unglaublicher Eile ein angenehmes Gedicht an den Baron auf. Seine Verwunderung stieg mit jeder Minute. Er wollte sie näher kennen lernen, und lud sie auf den folgenden Tag ein, um sie seinen Freunden vorzustellen. Am Nachmittag schickte er ihr einen zierlichen Kopfputz und einige feine Kleidungsstücke, mit der Bitte, in denselben am andern Tage zu erscheinen.

So von seiner Hand geschmückt, eilte sie am andern Tage zu ihrem liebreichen Gönner. Hier fand sie seine Gäste schon anwesend, und die Freude, welche sie begeisterte, gab allem, was sie der Gesellschaft sagte, etwas Blendendes.

Als sie sich wieder entfernte, beschenkte sie der Baron[45] mit einer schönen emaillirten Dose nach damaliger neuester Mode. Sie eilte damit nach Hause, und wie sie nichts auf dem Herzen behalten konnte, so zeigte sie dieselbe sogleich ihrer nächsten Nachbarin. Diese, nachdem sie die Dose um und um besehen und bewundert, macht den Deckel auf, und sagt: »Hierin ist schöner Taback, Karschin, nehme Sie doch eine Prise.« Der Taback war mit Gold vermengt! Es waren sechs Augustd'or unter den Taback gemischt. Sie strömte ihren Dank in Gesängen aus. Der Baron ward davon bezaubert. Er stellte ihr frei, sich von ihm etwas zu erbitten, was zu ihrem Glücke beitragen könnte. Sie antwortete augenblicklich, daß es ihr heißester Wunsch wäre, nach Berlin zu kommen.

Er verhieß ihr dies auf das liebreichste. Freudenthränen quollen aus ihren Augen, und sie eilte ihre Reiseanstalten zu treffen, verschenkte, was sie noch besaß, drückte ihren Dank in neuen Gesängen aus, nahm Abschied von ihren bisherigen Wohlthätern, und dichtete in der letzten ihrer Kummernächte in Glogau auf ihren Knien Dankeslieder.

Am frühen Morgen kam ein stattlicher Reisewagen, sie abzuholen. Die Reise nach Berlin ging über das Stammschloß Boyadel, wo Baron Kottwitz sich einige Tag aufzuhalten gedachte. Er war der Karschin vorausgeeilt und empfing sie dort in Gesellschaft einiger benachbarten Edelleute. Zwei Tage und Nächte brachten sie hier wie in einem Zauberschloß zu. Zwölf Stunden vor ihrer Abreise war der Baron schon nach Berlin voraus. Der Dichterin Sohn ward auf Befehl des gütigsten Herrn dem Amtmann des Gutes zur Pflege übergeben, die Tochter nach Berlin mitgenommen.

Auf der Reise bis Berlin sah sie ihren Wohlthäter nicht, doch auf jeder Hauptstation wurde angehalten und[46] übernachtet. Die vorzügliche Bequemlichkeit, welche die Befehle ihres Herrn sie überall genießen ließen, machten ihren Zustand zu etwas Ueberirdischen. Sie hatte nur Einen Gedanken – ihren Wohlthäter, sie sah in allem auf ihn, und in ihm die wunderthätige Hand Gottes. So oft sie allein war, lag sie auf ihren Knien, und ihre Dankgefühle flossen in Thränen über. Doch wie Schiffe noch im Hafen scheitern können, so drohte auch hier der Karschin im Hafen ihrer Glückseligkeit ein zurückschlagender Sturm; denn in Krossen fand sie ihren Mann. Der Schreck betäubte sie. Er näherte sich ihr; da sie aber geschützt war, hatte er Furcht. Anstatt zu wüthen, fiel er ihr um den Hals mit freundlichen Worten und Thränen der Reue. Sie antwortete mit Freundlichkeit und dringenden Vorstellungen, daß es so wenig möglich als nützlich wäre, sich wieder mit ihm zu vereinigen.

Als sie in den Reisewagen stieg, nahm er seine kleine einzige Tochter in den Arm, und rief unter Thränengüssen: »Ach, wenn ich nur wenigstens dich behalten könnte, dich, an der mein ganzes Leben hängt.« Aber der Kutscher und Jäger des Barons trieben zur Abfahrt. Er setzte sein Kind auf den Wagen, indem er es segnete, ihm tausendmal Lebewohl wünschte, – und in der Gestalt eines Verzweifelten, den selbst die Hoffnung verläßt, blieb er hinter dem Wagen zurück. Es ging nun am andern Morgen über Frankfurt an der Oder nach dem palästereichen Berlin. Es war am 25. Januar 1761, als sie daselbst eintraf. Ihre Aufnahme geschah im Hause des Grafen von Gotter. Hier fand sie auch den Baron von Kottwitz. Zu ihrem Empfang war alles auf das ehrenvollste vorbereitet.

So wie es bekannt wurde, die Karschin sei angekommen,[47] wurde sie aufgesucht, eingeladen und in glänzenden Equipagen abgeholt. Es gereicht dem Herzen und Verstande der Berliner zur Ehre, der schlichten Bürgerfrau in so einfachem Anzuge so liebreich entgegen gekommen zu sein. Vorzüglich bemühte sich der warme Freund der Wissenschaften, Dr. Krünitz, ihr Freunde zu erwerben. Er führte sie in die Häuser eines Oberconsistorialrath Koppen, Geheimrath Buchholz, Hofrath Stahl, Oberhofprediger Sack, Rector Wippel ein, wo sie Gelegenheit fand, nach und nach alle die übrigen ihr vortheilhaften Bekanntschaften zu machen. Der Baron sorgte, daß sie überall anständig erscheinen konnte. Ueberhäuft von seinen freundlichen Aufmerksamkeiten und den Zeichen seiner sinnreichenden Fürsorge, genügte ihr kein Ausdruck für ihr Dankgefühl; sie nannte ihn »Wohlthäter, Retter, Freund«; doch nur in dem Namen »Vater« fand ihr dankbares Herz einige Ruhe. Wie sie ehemals in bittern Sorgen ihre Nächte durchjammerte, so feierte sie nun vor Anbruch der Morgenröthe ihr Glück in Thränen, Gebet und Gesang. Sie strebte nur nach Ruhm und Beifall, um der Vorsorge ihres Freundes würdiger zu erscheinen. Sie hatte keine Ahnung davon, daß der Köcher mit Schmerzenspfeilen, die ihr das Herz zerreißen sollten, noch gefüllt war; sie hielt die süße Gestalt des Glücks, das sie anlächelte, für unwandelbar; kein Wölkchen der Ahnung trübte die heitere Bläue des Himmels über ihrem Haupte. Ach, es blieb nicht so!

Immer voller und blühender umduftete sie der Kranz des Lebens, immer erquickender grünte die Oase des süßesten Friedens um sie her. Sie ging oft in Gesellschaft, sagte dort Impromptus, schrieb auch viel in ihrer Wohnung. Durch diese tägliche Uebung, durch[48] die Ruhe und Aufmunterung, welche sie von allen Seite genoß, erhob sich ihr Geist zu eigenthümlicher Kraft. Sie lernte alle Männer kennen, die sich damals auszeichneten. Ramler nahm unter diesen eine bedeutende Stelle ein. Die herrschende Parallelsucht jener Zeit erhob ihn zum deutschen Horaz, da er doch nur ein deutscher Odendichter war. Er hatte die Sprache sehr in seiner Gewalt, dichtete correct, zuweilen auch mit Schwung, doch er war ein Pedant. Sein Herz und Sinn waren redlich, offen, doch war er zu sehr für sich selbst eingenommen, keiner Hingebung fähig, weder in der Poesie, noch in der Freundschaft. Er wollte den Genius der Karschin in seine Fesseln zwängen, es gelang ihm zum Theil. Er durchschnitt zarte Bande, welche sie an das wirkliche Leben knüpften, unterwies sie in den Regeln der Ode, und umhing sie mit den Flittern der Mythologie. Er lähmte ihre Schwungkraft und machte sie auf Stelzen einherschreiten. Zum Glücke trug sie sein Joch nicht lange, und fand sich nachher selbst wieder; doch niemals mehr so wie früher, die Mythologie blieb ihr ankleben, ihr, der rein Deutschen, innig christlichen und wahrhaft volksthümlichen Dichterin. Sehr treffend sagt Sulzer von ihr: »Es ist eine alte und bekannte Bemerkung, daß die Dichter nicht durch Regeln und Unterricht gebildet werden, sondern ihren Beruf und ihre Fähigkeiten blos von der Natur erhalten. Wer diesen Beruf empfangen hat, der redet ohne Vorsatz und Kunst die Sprache der Muse; aber der Mangel desselben wird durch keinen Unterricht und keine Regeln ersetzt. Plato setzt den wahren Charakter eines Dichters darin, daß er seine Gesänge durch Begeisterung hervorbringt, sich selbst unbewußt, was er singe. Die Harmonie und der Gang des Verses setzen nach seiner Meinung den Dichter in den Enthusiasmus, der ihm die[49] Gedanken und Bilder darbietet, welche er bei gesetztem Geiste vergeblich würde gesucht haben. Man darf sich deshalb nicht wundern, daß die vortrefflichsten Dichter älter sind als die Regeln, und daß die feinste Kritik keine vollkommenern Gesänge hervorgebracht hat, als die sind, welche vor der Kunst gewesen. Ohne Vorsatz und Kunst sehen wir die Karschin unter den besten Dichtern ihren Platz behaupten. Mit Bewunderung sehen wir an ihr, wie die Natur durch die Begeisterung wirkt. Die Lieder, welche ihr am besten gelungen, sind alle in der Hitze der Einbildungskraft geschrieben, dahingegen die, welche sie aus Vorsatz und mit ruhiger Ueberlegung verfertigt, allemal das Kennzeichen des Zwanges und den Mangel der Muse nicht undeutlich bemerken lassen. Wenn die Dichterin in Gesellschaft, oder in einsamen Stunden von irgendeinem Gegenstand lebhaft gerührt wird, so wird ihr Geist plötzlich erhitzt, sie besitzt sich nicht mehr, jede Triebfeder der Seele wird rege, sie fühlt einen unwiderstehlichen Trieb zum Dichten und schreibt das Lied, welches ihr die Muse eingibt, mit bewunderungswürdiger Geschwindigkeit. Gleich einer Uhr, die ohne fernere Hülfe ihren richtigen Gang fortschreitet, sobald die Feder gespannt ist, singt sie, sich selbst unbewußt, wie die Gedanken und Bilder in ihr entstehen, sobald die Seele durch ihre ersten Vorstellungen in Wirksamkeit gebracht worden. Auch die feinere Beobachtung des Plato, daß die Harmonie und der Gang des Verses die Begeisterung unterhalten, finden wir durch das Beispiel unserer Dichterin bestätigt. Sobald sie den Ton, wie sie es nennt, und das Silbenmaß getroffen, fließt das ganze Lied ohne Müh' und ohne Bestrebung Gedanken und Bilder zu finden. Die feinsten Wendungen der Materie und des Ausdrucks entstehen unter der Feder, als wenn sie ihr eingegeben würden.«[50]

Obgleich in etwas veralteten Formen abgefaßt, sind diese Worte eines so verehrten Schriftstellers und wahren Freundes der Dichterin so sinnreich und bezeichnend, daß ich sie meinen Lesern nicht vorenthalten möchte. Verschiedenartige Stimmen haben sich früher oder später über die Karschin laut gemacht. Sie ist oft sehr ungerecht beurtheilt worden, doch spricht für sie die Thatsache, daß die Besten ihrer Zeit in dem Sinne wie Sulzer über sie geschrieben, und daß Stimmung und Stimme des Volks ihr günstig gewesen, und ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sie dankte diesen wahren Vorzug nicht allein ihrem Geiste, sondern weit mehr noch ihrem Herzen. Wer irgend auch in der Ferne einer kräftigen überzeugenden Vorsprache bedurfte, nahm seine Zuflucht zur Karschin, und selten scheiterte sie in ihren menschenfreundlichen Bestrebungen für Andere. An sich dachte sie selten, ihr Ruhm hatte ihre natürliche Bescheidenheit nur erhöht, und die Empfindungen, welche ihr Lied ausdrückten, waren die ihrigen, sie waren alle schön und edel, würdig einer echten Dichterseele. Sanft gleitete ihr Fahrzeug auf ruhiger Flut, die den Himmel und beblümte Ufer spiegelte.

Baron von Kottwitz verließ seines Freundes, des Grafen von Gotter's Haus, und bezog dasjenige, welches er zu seinem Wohnsitz bestimmt hatte, wenn er vermählt sein würde. Schon seit einiger Zeit hatte die Karschin eine stille Wehmuth in den Zügen ihres edeln Freundes bemerkt, es gelang ihr selten, ihn zu erheitern. Sie sah mit Entsetzen die Farbe der Jugend von seinen Wangen weichen, das Lächeln von seinen bleichen Lippen verschwinden. Er empfing viele Briefe und beantwortete sie unter Thränen. Seine Braut, die sein ganzes Leben war, hatte ihr Herz von ihm abgewendet, und den edelsten[51] liebenswürdigsten der Männer getäuscht und verrathen. Ihre Untreue brach ihm das Herz. Er reiste nach Boyadel, um dort einsam dem Kummer nachzuhängen, verfiel in Schwermuth, und fand nach langen Leiden den Tod, den er ersehnte. Er hatte alles vergessen, was ihm wol ehemals theuer gewesen, alles, auch die treue Seele, die so gern sein Weh gelindert hätte, die gern für ihn gestorben wäre. Sie blieb allein in dem verödeten Hause zurück. Was sollte sie dort? Sie verließ es still und ungehindert, denn niemand dachte an sie. Ihr Wohlthäter hatte ihretwegen nichts mehr verfügen können. Sie bezog eine kleine bescheidene Wohnung und lebte dort ihrem Kummer und der Sorge für ihren Unterhalt. Ihr Kind Karoline war bei ihr, und ihre Freunde zuerst sahen ein, daß sie die Mittel nicht hatte, es sorgfältig zu erziehen. Der berühmte Mechanikus Holefeld und Sulzer waren die Ersten, die es sich eifrig angelegen sein ließen, für die Kleine zu sorgen. Hofrath Stahl, der größte Arzt seiner Zeit, der seltene Gelehrte, dem die Wissenschaft das Herz nicht vertrocknet hatte, der seltene Reiche, dem sein Gold nur schätzbar war, um die Leiden der Menschheit zu lindern, nahm auch dies verwaiste Kind an sein Herz. Auch er hatte die glücklichen Anlagen bemerkt, die Sulzer und Holefeld für die kleine Karsch gewonnen hatten. Er gab die hoffnungsvolle Kleine in eine Erziehungsanstalt, die den Ruf der Frömmigkeit mit der großen Strenge der Sitten und gründlicher Erziehungsmethode vereinigte. Die Karschin hatte nun für sich allein zu sorgen. Die Einsamkeit in ihrer Wohnung war ihr unheimlich. Gleim, der begeisterte Freund ihrer Muse, lud sie so herzlich nach Halberstadt ein, daß sie mit Freuden einwilligte, einige Zeit in seinem gastlichen Hause zuzubringen.

Sie wurde mit Freuden empfangen, mit Liebe umgeben.[52] Graf von Stolberg-Wernigerode und die Prinzessin Christiane von Anhalt, seine Gemahlin, luden sie in ihren Palast, und beglückten sie mit ihrer Freundschaft. Hier wehte ein anderer Geist als im königlichen Berlin. – Das Herz der Karschin wurde hier erquickt durch liebevolle Zartheit und Milde. Hier war es nicht ihr Genius, ihre Unterhaltungsgabe, sondern ihr Gemüth, das ihr Bewunderung und Liebe erwarb. Ein Paradies war die Gegend, und Engel lebten in diesem Paradiese!

Die Karschin war keine Frömmlerin, sondern eine gottinnige Seele; sie fühlte sich hier wie in einer wahren Heimat, sie gedachte hier ihrer vergangenen Leiden nur, um Gott dafür zu danken, daß sie so hart und schwer geprüft worden. Sie erkannte Gottes Vaterhuld in allem, was ihr geschehen. Mit frischgestärktem Herzen kam sie nach Halberstadt zurück, wo ein reicher Kreis von Freunden sich in Gleim's Hause um sie her versammelte.

Noch ist gewiß in Halberstadt das Angedenken vom Freiherrn Spiegel vom Desenberg nicht erloschen. Seine Güte und Menschenfreundlichkeit, Hoheit und feine Ausbildung des Geistes, Zartheit und Anmuth des Wesens vereinigten sich in einem seltenen Einklang bei ihm und beglückten alle, die ihm theuer wurden. Er war der Karschin von Herzen ergeben.

Sie konnte den liebreichen Einladungen nicht widerstehen, die ihr von Magdeburg gesendet wurden. Das Haus der edeln Gemahlin des Commandanten, Frau von Reichmann, war zu ihrer Aufnahme bereit. Sie wurde hier unendlich verehrt und man gewann sie überaus lieb. Die Zeit, die sie dort verlebte, überbot noch beinahe die eben verflossene, ihr dankbares Herz hatte nun einen neuen Gegenstand der Bewunderung. Jeden Morgen begrüßte sie ihre Freundin mit einem neuen Liede,[53] und diese gab ihr jeden Morgen einen Plan zu neuer Arbeit.

Der König kämpfte noch im Felde, der preußische Hof war zu Magdeburg, und die Erwartung zwischen Krieg und Frieden schwebte auf der Wage. Sie sang vortrefflich, nie gesungene Lieder zu Magdeburg, mit der ihr eigenen Geschwindigkeit; sie mußten gedruckt werden, und auf das schnellste waren sie vergriffen. Der Hof hörte von ihr, die Königin ließ sie rufen, sie mußte oft bei ihr erscheinen. Die ganze königliche Familie folgte diesem Beispiel es war ein neuer Gegenstand der Verwunderung, daß ein seit elf Monaten aus dem tiefsten Staube hervorgezogenes Weib vor den ersten Verwandten des Thrones mit einer Gegenwart des Geistes, und zugleich mit einer Zuversicht stand, welche ebenso gefällig als ehrfurchtsvoll war.

Von Magdeburg eilte sie wieder einmal nach Halberstadt zu Gleim. Nirgend fand sie alles, was Geist und Herz erheben konnte, so beisammen, als in Gleim's Museum und im Cirkel seiner Freunde. Er, der Vater der deutschen Dichter, welcher seine Gesänge aus seinem Herzen schöpfte, und die Philosophie des Lebens in angenehmer Beredsamkeit ausströmte, sann ohne Rast darüber nach, wie die Zukunft seiner Freundin vor Sorge zu sichern sei. Seine sinnreiche Freundeszärtlichkeit gab ihm ein ehrenvolles Mittel ein. Er sammelte die Dichtungen der Karschin, traf eine Auswahl darunter, und forderte das Publikum zu einem Vorschuß für die Druckkosten der Sammlung auf, welche Aufforderung die erste dieser Art war. Gleim's Vorsatz war, durch den Vorschuß soviel zusammenzuschaffen, daß sie in Zukunft so ziemlich unabhängig leben könnte, und der Plan würde vollständiger gelungen sein, wenn ihn nicht der Rath eines andern[54] Freundes durchkreuzt hätte, welcher anrieth, die Exemplare der Sammlung in zwei Klassen abzutheilen, eine auf Velinpapier, die andere auf Druckpapier. Die Karschin ließ sich für diesen Vorschlag gewinnen, und ehe Gleim es hindern konnte, war die Anzeige schon in allen Händen. Der Luxus in den Ausgaben war noch nicht auf seiner jetzigen Höhe; die meisten Subscribenten waren zufrieden, wenn sie nur das Buch hatten, und zogen die wohlfeile Ausgabe vor. Gleichwol blieben nach Abzug der Kosten und Deckung einiger nothwendiger Ausgaben zweitausend Thaler in Gold Reinertrag, welche das solide Handlungshaus Farreau und Comp. zu fünf Procent Zinsen annahm. Die genügsame Karschin hielt sich mit jährlichen hundert Thalern in Gold für eine reiche Frau. Sie ging nun nach geschlossener Subscription nach Berlin, und wollte bald nach Halberstadt zurückkehren, um sich dort bleibend einzurichten. Eine Freundin nahm sie für die Zeit ihres Aufenthalts in Berlin auf. Zwei Monate war sie dort, als sie erfuhr, ihr ältester Bruder sei in Berlin angelangt, die Schwester zu besuchen. Seit vierzehn Jahren hatten beide sich nicht wiedergesehen. Damals war er ein schöner blonder freundlicher Knabe, noch nicht in den Flegeljahren, jetzt war er schon darüber hinaus, unbeholfen und roh; aber ihr Herz fühlte in seiner Gegenwart die frühere Liebe wieder, sie beschloß, ihn zu sich nehmen.

Der wiedergekehrte Friede zog eine Masse Menschen nach Berlin, es war schwer unter Dach zu kommen. Ihr Bruder fand ein großes Dachzimmer, in welchem noch eine Fenstervertiefung übrig war, denn die übrigen Räume desselben waren schon in Anspruch genommen. Die Karschin nahm unbesehen die Wohnung. Ihre Möbeln und Geräthschaften wurden nebst ihrem Bett[55] in ihrer Fenstervertiefung übereinander gestellt, ihr Bruder zu einem Miether gebettet. Sie erschrak, als sie sich so mit einem mal unter mehreren Familien sah; doch sie ergab sich drein, vergaß, daß sie nur eben einige Paläste hintereinander bewohnt hatte, und fügte sich wie immer in ihre Lage.

In dieser Stellung erschien, kurze Zeit nachdem sie dort eingetroffen, ein Lakai des Königs, sie zur Audienz beim Monarchen zu rufen. Hier ist das Gedicht, welches sie nach ihrer Rückkehr in ihrer Bastillenkammer, unter dem Getümmel des Ameisenhaufens, an Dr. Krünitz schrieb, und hier seine poetische Aufforderung zuerst.




Als in Sanssouci der König mit ihr gesprochen hatte, den 24. October 1763.

Zu lange miedest du, o Sappho, dieses Zimmer

Verwöhnt an Sanssouci, verblendt von Königs Schimmer

Monarch klingt zwar sehr schön; doch nicht so schön als »Freund«.

Dein warten Blatt und Kiel; schreib wie's dein Herze meint.


Dr. Krünitz.


Freund, wenn mir vor dem Schritt zum Leben

Nicht von der gütigen Natur

Schon ein Befehl zur Demuth ward gegeben,

Dann würd' ich kleine Creatur

Mit inn'rem Stolz mich hoch erheben,

Und dir erzählen daß in Friedrich's Marmorsaal

Mein faltigt Antlitz sich bespiegelt

Und aus der Brust das Herz beflügelt

Auf meine Lippen trat, und meiner Worte Wahl

Und den Accent geregelt hätte,

Indem der König mit mir redte,

Der größre Redekunst besitzt

Als Marc Anton, der vor dem Volke

Des Cäsars Mörder bald verklaget bald beschützt.[56]

Er kam, und über ihm in einer goldnen Wolke

Sah ich den schwebenden Apoll.

Er sprach, und in mein Ohr erscholl

Mit seiner schnell gesprochnen Frage

Der Donner Jupiter's, und seines Auges Blick

War wie der Blitz am Erntetage.

Doch, Freund, ich staunte nicht zurück,

Ich sagte, welcher Mann mich zeugte,

Und welcher Staub mich niederbeugte,

Wie mein Genie herauf gestrebt,

In welchem Dunkel ich der Jugend Zeit verlebt,

Und daß ich nicht der Kunst geschriebne Regeln wüßte,

Und daß mein Liebling, der Plutarch,

Oft einen finstern Blick von mir ertragen müßte,

Denn in ihm fänd' ich nie den Sieger, den Monarch,

Den Mensch und Philosoph vereinet.

Ob Alexander gleich gesieget und geweinet

Und Cäsar selbst zufrieden schien,

Wenn er jedweden Tag bezeichnet mit Verschonen,

Und einem Brutus selbst verziehn,

Der mit dem Dolch ihm sollte lohnen,

Doch fand ich auf der Griechen Thronen

Und auf der Römer Kampfplatz nichts

Vergleichendes mit dem der seines Angesichts

In Winterlüften nicht geschonet,

Und wenn der Lenz geblüht das Kriegeszelt bewohnet.

Von Freuden und vom Throne fern,

Und mehr den Vater als den Herrn

Zurückgebracht aus soviel Schlachten.

Er frug: »Wer lehrte dich Gesang?

Wer unterwies dich in Apollo's Saitenzwang?«

»Held!« sprach ich, »die Natur und deine Siege machten

Mich ohne Kunst zur Dichterin.«

Er lächelte, und wollte wissen

Woher ich Nahrung nähm'; da sagt' ich: »Freunde müssen

Mich nähren, täglich geh' ich hin

Zum niemals stolzen Stahl, der stets mich gerne siehet,

Und eine zweite Sängerin

In meiner Tochter dir erziehet.«[57]

Ich sprach's, und Friedrich's Blick schien meinen Freund zu loben.

Nach meiner Wohnung frug er mich.

»Monarch!« sprach ich, »die Sterne grenzen nachbarlich

Mit meinem Winkel unterm Dache hoch erhoben!

Wenn du nicht zürntest, würd' ich dich

Kniebeugend bitten, daß du meine Kammer dächtest

Wie einen Winkel der Bastille zu Paris

In welche Ludewig viel Menschen bringen ließ,

Die du als Krieger brauchen möchtest,

Weil sie oft tapfer sind und treu.«

Der König lachte laut, und ich beherzt und frei

Wie eine Römerin, ich zog der Stirne Falten

Sanft auseinander, lachte so

Wie einer, den ein Bret hat in dem Meer erhalten

Und jetzt die Sonne sieht, und ihren Strahlen froh

Entgegenblickt, und vor Entzücken

Das Lächeln auf der Lippe trägt,

Wenn ihm das Herz so laut, als mir das meine schlägt,

Und er mit Worten sich nicht halb weiß auszudrücken.

Des Vaterlandes Vater sprach

Zuletzt: Er würde mir das Leben sorglos machen!

Und alle Musen sprachen's nach;

Und Grazien sah ich in seinem Munde lachen,

Der tausend mal Befehle rief

Zum Angriff, oder zum Verschonen eines Heeres.

Das ganz zerstreut in Wälder lief,

Und fiel, wie stolz geschwollne Wellen eines Meeres

Dem Zeus mit seinem Finger droht.


Ich ging zurück; o Freund! nun glühte Purpurroth

Auf meiner sonst so blassen Wange;

Mich grüßte Lentulus, und ihm

Hab' ich verwirrt gedankt; ich taumelte, ich schien

Den trunknen Menschen gleich im Reden und im Gange;

Und dennoch schwör' ich dir beim heiligsten Gesange:

Wenn Friedrich mir von Cedernholz

Ein Haus durch Künstler bauen ließe,

Doch würde nicht dadurch der Sappho Seele stolz,

Denn ihr ist nur die Freundschaft süße.
[58]

Die schönen ehrenvollen Hoffnungen, die Friedrich's des Großen Verheißung im Busen der Dichterin erweckt, blieben unerfüllt. Verschiedene Einflüsse von außen her sollen den König gegen die Karschin verstimmt haben. Es war leicht, ihr zu schaden, weil sie Jedermann Gutes zutraute und von Arglist und Bosheit keinen Begriff hatte.

Endlich verlief sich der Schwall der Fremden, eine kleine anständige Wohnung konnte bezogen werden. Karoline blieb noch in Pension, der Sohn Christian noch beim Amtmann in Boyadel. Die Karschin sah fleißig ihre Freunde, dichtete, um Brot zu verdienen, ließ ihren Bruder nach Belieben über ihre Einnahme schalten, erinnerte oft den König an sein edles Versprechen, aber vergebens – und lebte nun wie jeder Proletarier den Tag vom Tage.

Von allen Enden Deutschlands, aus allen Hauptstädten Europas entstanden für sie Freunde, Bewunderer und schriftliche Verehrer. Man sah nur auf ihren Geist, schätzte an ihr das Werk der Natur, und forderte nicht von ihr, was ihr an Lebenston mangelte und immer mehr zu mangeln anfing, je allmächtiger der neue Druck ihrer Sorgen den erhabenen Fittig ihres Geistes wieder herabsenkte. Man hatte Geduld und Nachsicht mit ihr, und freute sich, daß sie Freunde und Gönner hatte. Sie zählte unter dieselben den tapfern und edeln Herzog von Braunschweig-Lüneburg, dessen Neffen Friedrich von Braunschweig, welcher der Erste war, der ihr ein Jahrgehalt aussetzte, den regierenden Reichsgrafen von Stolberg-Wernigerode, dem durch den Dichterkreis der Name Karl Grandison gegeben wurde.

Zu der Zeit erhielt die Karschin von ihrem alten Freunde, dem Rinderhirten, folgenden Brief:
[59]

»Gott mit uns, werthe und geehrte Freundin!


Gegenwärtige Blätter werden Sie überzeugen, daß ich Ihr Schreiben erhalten habe. Sie aber meine nicht etwa, als ob ich Sie geringe schätze, indem ich mich so schlechten Papiers bediene; hätte ich besseres gehabt, so würde ich's wohl genommen haben.

Ihr Briefchen zu beantworten, mögen zuvörderst Ihre Verse reden. Betreffend den Entschluß zu heirathen, so bin ich keinmal ohne Liebste gewesen. Die günstigen Musen1 haben zwei der vortheilhaftesten Heirathen mir anempfohlen. Ich hätte nur bei einer meine Religion verändern sollen; bei der andern stand mir ein Mädchen im Wege, die mir von Herzen gewogen, und von allen Mitteln entblößt war, und an der hing mein Herz. Es hat aber nichts daraus werden können, indem mich bald darauf die Russen von allen Mitteln entblößt. Das Hemde auf dem Leibe, welches nichts nutz, blieb mir nur übrig; ich danke Gott, daß ich meine Gesundheit noch erhalten habe. Brot, Kleider, Wäsche, Pflug und Zug, sammt Getreide, Alles muß mit fort, mein mit Mühe gesammeltes Geld, und drei Pferde, daß ich nun ganz nackend, und alles Verdienstes beraubt bin; doch hat Gott, ihm sei Dank, diesem Mädel einen Mann gegeben, und sie versorgt. Ich aber habe mich die Zeit über mit meinem Schnitzwerk erhalten müssen, welches nicht viel einträgt.

Soviel ich aus Ihrem Schreiben ersehen, geht es Ihr außerordentlich wohl, deß freue ich mich von Herzen. Gott erhalte Sie in allem Wohlsein. Die vergnügte[60] Zufriedenheit erhält dennoch mich bei meinen betrübten Umständen, u.s.w.


Schwiebus,

den zweiten Ostertag

1762.

Ihr allezeit guter Freund

Johann Christoph Marg Graf.«


Bald kam auch ihr Sohn Christian aus Boyadel zurück. Die Karschin war zu gutmüthig, um nun ihren Bruder seinen eigenen Weg sich bahnen zu lassen. Sein eigenes Gefühl hätte ihn dazu bestimmen sollen, nun nicht mehr der Schwester lästig zu sein. Ohne Erröthen erfuhr er, daß sie bei allen ihren Gönnern in rührenden Liedern um ein Fortkommen für den Knaben bat, der noch unversorgt und bestimmungslos war.

Eines Abends, wo ein glänzender Kreis bei einer vornehmer Bekannten sich an den Liedern der Karschin ergötzte, befand sich unter ihren Zuhörern ein junger Cavalier namens von Rohr, auf welchen ihre Fürbitte für ihren Sohn tiefen Eindruck gemacht zu haben schien; denn mitten unter dem Gewühl des Festes hatte sie diese Bitte poetisch aufgesetzt und vorgetragen. Er flüsterte ihr einige Worte der Bewunderung zu, und nannte ihr seinen Namen. Solche Erscheinungen waren ihr nichts Neues. Am andern Morgen erhielt sie einen Brief von unbekannter Hand, folgenden Inhalts: »Man wünscht wohl geschlafen zu haben, und durch Ueberbringerin zu wissen, worin man ihr dienen könnte, indem jemand nichts Angenehmeres wüßte, als zu ihren Diensten bereit zu sein!« Sie antwortete augenblicklich und freimüthig, daß sie jetzt kein dringenderes Anliegen hätte, als ihren Sohn auf den Weg zu einer künftigen Laufbahn zu[61] sehen. Acht Tage später kam ein zweiter Brief, gleichfalls ohne Namen, doch von derselben Hand, des Inhalts: »daß es für eine gewisse Person ein süßes Vergnügen sei, ihr in einem so löblichen Anliegen dienen zu können, sie möchte sich nur nebst ihrem Sohn auf die Realschule bemühen, wo sie zu seiner Aufnahme in Pension schon alles veranstaltet finden würde«. Die höchst erfreute Dichterin gab hierauf eine so schnelle und feurige Danksagung, wie es die schöne That verdiente. Sie befolgte die erhaltene Weisung, fand auf der Realschule alles, was der Brief besagte, konnte aber den Namen ihres edeln Wohlthäters nicht erforschen. Sie rieth zwar auf Herrn von Rohr, konnte aber keine Auskunft darüber erhalten. Nicht lange nach dieser Begebenheit kam auch Karoline in ihr Haus zurück. Sie hatte keine glücklichen Stunden in der Pensionsanstalt erlebt. Knechtisch war sie zur Arbeit angehalten, despotisch behandelt worden. Sie konnte es nie vergessen, daß einer der Oberlehrer, namens Hecker, sie auf den zusammengelegten Fingerspitzen mit einem Lineal scharf gehauen hatte, sie, das sanfte und gehorsame Mädchen. Wenn ihre Gefährtinnen ausfuhren, oder munter im Hofe spielten, mußte sie feine Arbeiten für die Lehrerin verfertigen, an den Stichen mußten die Faden gezählt werden, sie mußte feine seidene Strümpfe stricken. Der Unterricht, der mit dem Tag nach Neujahr anfing, sowie das Lesen der Bibel, wurde mit jedem Jahre wiederholt. Nie wurde die kleine Karsch an Festtagen nach Hause geladen. Nie wurde die Lehrerin mit einer kleinen Aufmerksamkeit ermuntert, darum wurde sie auch in der Anstalt zurückgesetzt und mit Arbeit beladen. Nur in weiblichen Arbeiten war sie gründlich unterrichtet worden, konnte auch ein wenig französisch. Sonntags durfte sie einige Stunden ausgehen.[62]

Friedrich's II. geistvolle Schwester, Prinzessin Amalie, hatte sie kennen lernen, und dieselbe Geistesgabe, die der Mutter zutheil geworden, in der Kleinen entdeckt. Sie gewann sie zärtlich lieb und wollte sie zu sich nehmen; der Onkel war dagegen. Prinzessin Amalie wollte die Klagelieder Jeremiä componiren, die junge Karsch sollte sie in Verse setzen. Die Arbeit war ihr zu schwierig und stimmte sie zu trübe, sie entzog sich derselben; und es trat einige Kälte ein. Doch bald nachher erwachte die frühere Liebe der Prinzessin zu dem bedauerungswürdigen Mädchen, nachdem sie erfahren hatte, daß sich die Karschin habe bereden lassen, sie ihrem Oheim zu verloben. Die Prinzessin nahm sie in ihre Arme, und sagte ihr mit feuchten Augen: »Komm zu mir, armes Kind, ich will dich schützen, dich glücklich machen!« Doch die Kleine war zu furchtsam, sie schlug das liebreiche Anerbieten aus – und brachte mit blutendem Herzen das Opfer, das ihr tyrannisch abverlangt wurde. Minder beklagenswerth würde sie gewesen sein, wenn der Despot, der sich ihrer arglistig und gewaltsam bemächtigt hatte, nicht Liebe verlangt hätte.

Alles was sie über sich vermochte, war, ihren Abscheu gegen ihn zu verhehlen und ihre Kette geduldig zu tragen. Die schwerste Last des Hauswesens nahm sie ohne Murren auf sich, übte treu ihre Pflichten und suchte wie die Karschin Erquickung im Gesang. Doch nur Abends, wenn alles schlief, wenn sie ganz sich selbst wiedergehörte.

Am 3. Juli 1770 genas sie eines schönen Knaben. Sie fühlte sich beseligt und stolz, Mutter zu sein. Das Kind verrieth Geist und Lebendigkeit, seine Blicke leuchteten Trost und Muth in das Herz der Mutter. Auch die Karschin gewann es sehr lieb, und es blieb bis in den Tod die Freude ihrer Tage.[63]

Um diese Zeit kam Christian Hirsekorn aus der Realschule zurück. Zugleich wurde die Karschin in einem liebreichen Briefe aufgefordert zu berichten, was sie wünsche für ihren Sohn zu bestimmen. Der Jüngling wollte Theologie studiren. Wie leicht würde sie diesen Wunsch erfüllt bekommen haben! Doch der Eigennutz ihres Bruders wirkte durch Ueberredung gegen diese Bestimmung. Er fürchtete, die Kosten des Studiums möchten auf seine Schwester zurückfallen, und glaubte, der Jüngling wäre versorgt genug, wenn er in eine Handlung gegeben würde. Unglücklicherweise hatte Christian, weil er wenig geübt im Briefschreiben war, seiner Mutter einen Brief geschrieben, der ihr nicht gefiel. Aufgestachelt durch ihren Bruder, schrieb sie ihrem unbekannten Wohlthäter: »sie hätte ein Billet von ihrem Sohne empfangen, wo weder Stil, noch Gedanke darin wäre, und sie könnte sich nicht entschließen, einen Menschen von sechzehn Jahren, der noch kein Billet an seine Mutter schreiben könnte, auf fremde Kosten studiren zu lassen«. Der Wohlthäter schien die Weigerung übelgenommen zu haben: Ihr Sohn ward ihr zurückgeschickt, und es hat sich ferner keines Menschen Güte um ihn bekümmert. Er wußte es nicht, der edle Mann, welche Gewalt despotischer Einfluß über ein Gemüth ausüben konnte, dem schon alle Spannkraft durch langes Unglück entrissen war. Warum auch war Herr von Rohr der Karschin ganz fremd geblieben?

Der junge Hirsekorn wurde nun in eine Handlung gebracht. Er konnte es darin nicht aushalten, quälte sich mühsam durch das Leben, bis es ihm gelang, eine Militärschullehrerstelle in Neu-Ruppin zu erhalten, wo er rohe Kinder zu braven Menschen erzog und bildete, die Liebe der Aeltern hatte, und von seinen Obern[64] mehrere male in öffentlichen Blättern gelobt worden ist. Er wurde ein glücklicher Gatte und Hausvater. Seine einzige liebliche Tochter, verehelichte Wilke, wurde Mutter von vier interessanten Töchtern und einem wackern Sohn, in welchem der Geist der Familie, das Gemüth und der Sinn des Großvaters wieder auflebten. Er ist ausgezeichnet in seiner Kunst als Buchbinder, ist zugleich Kaufmann, hat in der Fremde den Kreis seiner Freunde erweitert, und auch in ihm glüht der dichterische Funke, der beinahe allen Familienmitgliedern der Karschin eigen ist.


Ich wünschte von meinen Angehörigen ausführlich sprechen zu können, denn die Anwesenheit meiner Großnichte, Bertha Christiane Borngraeber, hat mich im Geist in der lieben Familie heimisch gemacht, und ich wünschte den Eindruck dieser Mittheilungen auch denen zu vergegenwärtigen, die an meiner Schilderung der Karschin Antheil genommen. Ich muß mich auf wenige Züge schränken, ich bedauere das, denn nicht allein das Wesen und Leben der Karschin ist als ein Kunstwerk der göttlichen Vorsehung zu betrachten, sondern alles was ich noch zu sagen hätte, gehörte eigentlich dazu, um das Bild des Ganzen zu vollenden.

Eleonore, die jüngere Schwester der Karschin, war, wie fast alle Abkömmlinge der Dürbach, ein schönes reichbegabtes Kind, und erwuchs zu einer stattlichen Jungfrau voll Herzensgüte, Bravheit und Verstand. Sie wurde Gattin eines Landbesitzers aus Sonnenburg. Er lebte glücklich mit ihr, bis ihn ein früher Tod den Seinigen entriß. Seine Eigenschaften und Fähigkeiten erhoben ihn[65] über seinen Stand, ohne jedoch ein Misverhältniß zwischen dem wackern Landmann und seinem Stand hervorzubringen. Es ist die Eigenschaft wohlbegabter Naturen, daß sie die Verhältnisse und Bedingungen ihres Lebens in Einklang mit sich selbst heraufzuziehen wissen, sodaß die Gaben und Befähigungen, die ihnen der Himmel geschenkt, dem innern und äußern Leben zugute kommen.

Meine Urgroßtante, Eleonore Borngraeber, die zärtliche Mutter wohlgerathener Kinder, jung verwitwet, lebte nur für diese und ihre häuslichen Pflichten. Ihre zwei Söhne, Landbesitzer, waren hochgeachtete Bürger, deren Andenken noch nicht erloschen ist. Desgleichen eine Tochter, Luise, verheirathete Bärman. Der verehrungswürdige Pastor Hecht schrieb mir: »Die Enkelkinder der Frau Eleonore Borngraeber, drei von Daniel, fünf von Gottlob und vier von Luise, möchten zu der Behauptung veranlassen, daß Talente manchen Familien zugetheilt; wenn zufällige Umstände nicht solche verdunkeln, forterben. Die Lernbegierde derselben (ich habe während meines Hierseins bereits fünf confirmirt) ist charakteristisch, und der Andrang zu gewissen Geistessteckenpferden poetischer Organe unverkennbar. Vielleicht schlummert in dem einen oder dem andern dieser Enkelkinder auch eine Dichterader, aber ohne einen äußern Impuls und ungepflegt, fließet sie zu dem näherliegenden Sinnlichen hin. Fast alle zeigen einen bemerkbaren Hang zum Zeichnen, u.s.w.« Sie folgte ihrer geliebten Schwester im April 1805 in die Ewigkeit, freudig in Gott, allgemein betrauert und geliebt, und lebt noch im Andenken vieler dortigen Bewohner, weil ihre Herzensgüte, Mildthätigkeit und Frömmigkeit alle Herzen gewann. Ihren Gesang behorchte man noch in den sechziger Jahren mit[66] Bewunderung. Sie hatte ihr segenvolles Dasein auf dem Besitzthum beschlossen, wo ihre Schwester so selige Stunden verlebt. Es war ihr Erbtheil, wo die alte Linde noch grünt, unter deren Schatten die Karschin an des Oheims Seite weilte. Aus der wohlverwahrten Sammlung der Briefe der Karschin folgt hier einer, der in seiner Kürze und bezeichnenden Einfachheit wohl geeignet ist, ein Bild von ihrem Wesen zu geben.


»Meine liebe Schwester!«


»Wir waren alle voller Freuden über diesen Brief und gute Botschaft, nebst dem beigelegten goldenen Herzen, und die zwei Ellen Käntchen für meinen Enkel. Ich sehe noch immer Deine Treue und schwesterliche Liebe, und gutes Gemüth, das Du noch gegen uns und unsere Stadt trägst; unsere ganze Stadt war erfreut, als sie hörte, daß die Glocken und das Gemälde schon auf der Post war, warteten mit großem Verlangen darauf; es kam also der Tag vor dem Feste, auf den Morgen war das Gemälde auf den Altar gesetzt und Dein Bildniß ist gleich dem Altar über angehangen. Nach der Predigt dankte der Geistliche für die Wohlthaten, die uns schon wieder von der Madame Karschin aus Berlin erzeugt wären. Vor Freuden fielen mir Thränen aus den Augen, als ich diesen Dank hörte. Mein Wünschen wäre, wenn wir uns doch noch einmal sehen könnten, und Du zu uns kämest. Ja, das ist der Wunsch unserer Stadt, sie sprechen auch: Es heißt mit Recht bei ihr, die Liebe wird nimmer müde. Ich werde wol schwerlich mehr nach Berlin kommen können, wegen meiner Berufsgeschäfte; und die Kräfte nehmen auch immer mehr ab; doch das ist das Beste, daß ich mit Ruhe unter meinen Kindern lebe, denn sie sind gut, dies hilft mir[67] meine Kräfte stärken. Ich danke Dir zu vielen malen für die Andenken.

Nun lebe wohl, liebe Schwester! Ich wünsche Dir, daß Du aus dem freyenwalder Bad recht gesund und frisch wieder nach Berlin kommen möchtest, und noch lange leben. Grüße Deine Tochter zu vielen malen.


Neu-Tirschtiegel,

den 22. April

1791.

Ich verbleibe Deine treue Schwester

Johanne Eleonore Borngraeber.«


Nach einer neunjährigen Ehe gelang es der Tochter der Karschin, die Kette von sich zu wälzen, unter der sie hülflos geschmachtet hatte. – –

Vier Jahr später schloß sie ein neues Band wider ihre eigene Ueberzeugung, die ihr verkündete, sie würde nicht glücklich sein. Die Mutter ihres Bewerbers (die sich, aus welchen Gründen ist unbekannt, eine verwitwete Majorin von Klenck nannte, da ihr Gatte doch ein Baron Klencke, Commandant von Bremen war), eine adelstolze ehrgeizige Frau, hatte sich der Tochter der Karschin zu Füßen geworfen und unter strömenden Thränen das Leben ihres Sohnes von ihr erfleht; denn er versagte Arznei und Nahrungsmittel, und wollte sterben, wenn sie nicht die Seinige würde. Sie ließ nicht mit Bestürmungen und Bitten nach, bis Karoline sie in ihre Wohnung begleitete, wo der zweiundzwanzigjährige Klencke mit dem Tode rang. Der Anblick der Geliebten, die feierliche Versicherung seiner Mutter, daß sie seinem Glücke nicht entgegenstünde, riefen das Leben in seine Brust zurück. Klencke hatte kein Vermögen, keine Aussicht auf ein Fortkommen. Die Karschin glaubte ihn durch ihre hohen Gönner bald befördern[68] zu können, und bot ihm an, als ihr geliebter Sohn bei ihr zu leben. Sie fühlte sich beseligt durch das Glück der Tochter. So wie ihr Herz nur befriedigt war, hatte sie zu allem Muth und Kraft, und das Wort »unmöglich« hatte keinen Schrecken für sie.

Hier folgt ein Lied, das sie in ihrem Freudentaumel dem theuern Eidam zum Hochzeitsfeste sang:


Sei mir gesegnet tausend mal

Am Tage deines Ehebundes,

Sohn meiner Wahl,

Dem in der Stimme meines Mundes

Mein Herz den süßen Namen gibt.

Sei mir willkommen und empfange

Dies Weib, das deine Seele liebt!

Sei glücklich mit ihr, sei nicht bange

Nach irgendeinen andern Glück

In einer frischern Rosenwange,

In einem feuervollern Blick

Und schönerm Munde, wenn du diesen

Verwelken siehst von Jahr zu Jahr,

Wie Blümlein auf den trocknen Wiesen,

Weil Thau und Regen seltsam war. –

Bleib immer Freund von ihrem Herzen

Und laß durch keinen Spötterwitz

Den Trieb aus deiner Seele scherzen,

Bis deine Gattin ihren Sitz

Und ihren Gang an deiner Seite

Vertauschet mit des Grabes Raum,

Dann denke noch zurück an Heute

Als wie an einen goldnen Traum.


Diese frommen Wünsche blieben unerfüllt. Die leidenschaftliche Frau, die diese Heirath nur mit dem heftigsten innersten Widerstreben bewilligt hatte, Segen auf der Lippe, Fluch im Herzen, hatte in Gegenwart einer Freundin geschworen »ihr Haupt nicht sanft zu legen, bis dies Band getrennt sei« – sie hielt Wort. Mit[69] ihr verbündet, half ihre ränkevolle Tochter und ein unwürdiges schönes junges Weib zu diesem Werke der Finsterniß.

Ich ziehe einen Schleier über diese Begebenheit, die mich im Mutterschos zur Waise machte, – doch nicht verschweigen will ich hier ein Lied der Karschin an den Schwiegersohn, den sie mit solcher Muttertreue geliebt.


Wiederkehren willst du nun?

Denkst der Tochter zu genießen

Und in meinem Arm zu ruhn,

Wenn du erst zu meinen Füßen

Hundert mal gesunken wärst, und dich

Einem Wurme gleich gekrümmet,

Bis du endlich mich

Hättest umgestimmt?

O du Falscher! schäme dich;

Kannst du neue Schwüre finden,

Meinen Abscheu jetzt zu überwinden,

Der so unauslöschlich ist?

Oder denkst du das zu wiederholen,

Was dir dein Gefühl befohlen,

Eh' du Held geworden bist

Ueber meine Widersprüche?

Eh' du Hand und Herz von mir gewannst?

Sprich, ob du die Natterstiche

Selber dir verzeihen kannst,

Die mir deine Flucht ins Herz gegeben?

Ach ins Herz! worunter ich

Diese Tochter trug, die sich

Damals bilden ließ zum Leben,

Die nur noch ein Keimchen war,

Und im Keime sollt' ersticken –

Schäme dich vor deinen Tücken!

Welcher böse Geist rieth dir,

Mich noch ein mal zu berücken?

Bleib auf ewig fern von mir[70]

Und von dem verlassnen Kinde!

Traum dir zur Qual davon

Zur Bestrafung deiner Sünde;

Höre seiner Unschuld Ton!

Siehe seine Lippen mir am Munde hängen,

Höre wie es zärtlich spricht,

Wie sich die Begriffe drängen,

Wie in seinem Augenlicht

Geist und Anmuth sich vermengen.

Rufe: »Süßes, süßes Kind!«

Streck' den Arm aus zum Umfassen,

Und so müsse dann geschwind

Dich der Traum verlassen,

Wie du böser falscher Gast

Mich verlassen hast.


Dies Lied ist schroff, der gerechte Schmerz, der darin athmet, kann nicht die Herzen gewinnen; allein die Zukunft gab ihm eine schaudervolle Bedeutung, denn es liegt eine Weissagung darin: nie hat dieser Vater seine Tochter an sein Herz gedrückt. So oft sie sich sehen sollten, lag eine Kluft zwischen ihnen. Nicht dem Herzen nach, nur durch seine Weichheit und die Unreife seiner Jugend war mein Vater strafbar geworden. Er war der fehlerhaft erzogene Sohn einer verschrobenen Mutter, die durch den frühen Tod ihres Mannes einzeln stand. Ihr und ihrer Kinder Vermögen wurde durch ein Fideicommiß eisern gemacht, und wir haben nie erfahren, was aus dem Ueberrest geworden ist.

Durch ihre Genügsamkeit, Offenherzigkeit, Erinnerung an schwere Prüfungen und Glauben an Freunde gestärkt, trat die Karschin ruhig in die Jahre des ermüdenden Alters, und theilte liebreich ihren kargen Bissen mit Tochter und Enkelkindern. Einen Lichtstrahl entsog sie dem Wohlwollen, welches die Gedichtsammlung ihrer[71] Tochter beim Erscheinen begrüßte. Diese Lieder, welche ein Reichardt, ein Rellstab und andere Componisten von geschätztem Talent mit ihren Tönen begabten, erlangten Liebe und Anerkennung, und klangen unvergessen durch eine neuere Zeit, vor allen die sapphische Ode »An Myrtil.« Das deutsche Lied war damals erst im Werden. Goethe schuf ihm den Leib, Reichardt die Seele. Die Karschin hatte nie musikalisch gedichtet. Karoline Luise von Klencke verließ unwillkürlich die Bahn der Mutter. Sie schrieb die moderne Sprache, aus welcher mehrere alte Formen verschwunden waren.

Unter den Lesern gab es viele, welche die Tochter nun über die Mutter stellten. Man könnte sagen, sie hatten Recht, wenn nicht der Geist der Zeit bei jedem neuen Zeitabschnitt der Kunst eine neue Gestalt brächte und gewissermaßen die frühere zertrümmerte.

Wer würde jetzt ein Lied dichten wollen, wie das der Karschin bei der Ueberfahrt der Königin von England über die Elbe, 1762, zu Magdeburg? Und doch hieß diese Ode seiner Zeit ein Meisterstück, und unter gewissen Bedingungen war sie es auch. Der mythologische Wust liegt in der Rumpelkammer, und der Quell des Volksliedes erquickt durch alle Zeiten hin. Es gibt noch einige Lieder der Karschin, die frisch aus ihm entquollen sind; in ihnen fühlt man den Herzschlag des Weibes aus dem Volke, dem Ramler die Flügel des Genius noch nicht verschnitten hatte.

Um dieselbe Zeit, wo die Gedichtsammlung der Tochter der Karschin erschien, lächelte noch ein mal das Glück der Dichterin zu, es war ein Abschiedslächeln, ein warmer Händedruck vor dem Scheiden; denn dies Glück trug den Todeskeim in ihre Brust.

Wie schon erwähnt, hatte die Karschin Friedrich II.[72] mehrere male an sein Versprechen erinnert: er wolle ihr das Leben sorglos machen. Ihre Briefe blieben unbeantwortet. Eines Tages jedoch sendete ihr der König zwei Thaler durch die Post. Im Moment des Empfanges schrieb die Karschin dem Könige die vier Zeilen, die wie Pfeile durch alle Welt geflogen sind:


Zwei Thaler gibt kein großer König,

Denn sie erhöhen nicht mein Glück.

Nein, sie erniedern mich ein wenig,

Drum send' ich sie zurück.


Friedrich II. soll von Herzen darüber gelacht haben. Schon darum hätte er die Dichterin königlich beschenken sollen; denn ein Lächeln von Königslippen wäre mit einer Million nicht zu theuer bezahlt! »Es sind thränenreiche, oft thränenschwere Wege, die ein König wandelt!« sagt Friedrich Wilhelm IV. Zuweilen ist das Lächeln eines Königs nur eine verkleidete Thräne. So seid denn dankbar, ihr Gewaltigen der Erde, für ein echtes Lächeln, diesen allzu seltenen Gast auf Königslippen.

Friedrich der Große war nicht dankbar. Als die Karschin mit unerschütterlichem Vertrauen ihn wieder einmal daran erinnerte, es war im Januar 1783, daß sie nichts zu leben habe, schickte er ihr – drei Thaler. Es mochte eben kein Brot im Hause sein. Die Karschin schickte sie nicht zurück, sie schrieb folgendes Gedicht anstatt der Quittung. Ihm sei hier eine Stelle gegönnt. Mir fiel der Anfang eines Gedichts von Schnitzer dabei ein:


Ich lobe mir was löblich ist, und gut ist immerdar:

Den freien Muth, den leichten Sinn, die Amsel und den Staar;

Und hohen Muths Vermessenheit, die lob' ich ganz und gar.
[73]

Das übrigens auch schon bekannte Schreiben der Dichterin an den König lautete:


Seine Majestät befahlen,

Mir anstatt ein Haus zu bau'n,

Doch drei Thaler auszuzahlen.

Der Monarchbefehl ward traun

Prompt und freundlich ausgerichtet,

Und zum Dank bin ich verpflichtet.

Aber für drei Thaler kann

In Berlin kein Hobelmann

Mir mein letztes Haus erbauen,

Sonst bestellt' ich ohne Grauen

Heute mir ein solches Haus,

Wo einst Würmer Tafel halten

Und sich ärgern übern Schmaus

Bei des abgegrämten, alten

Magern Weibes Ueberrest,

Die der König darben läßt.


Dieser kleine Vorgang hatte gegen den Tag meiner Ankunft auf die Welt statt. Ich kam mit einem glänzenden Käppchen an. Die Hebamme reichte es meiner Mutter, und rief aus: »Dies Kind wird große Schicksale haben, heben Sie ihr das Käppchen sorgfältig auf!« Die Mutter that es. Erst seit meiner Erblindung ist mir das kostbare Glückspfand geraubt worden. Ich war ein niedliches Kind, wie man sagt. Die Zärtlichkeit meiner zwei Mütter, meines Bruders hielten mich für den Verlust des Vaters schadlos. Noch ein mal kam mein Vater in unsere Wohnung, um Versöhnung zu bitten. Er nahm mich in seine Arme und wollte nicht von mir lassen. Meine Mutter war zu tief verletzt worden, die Karschin zu gereizt durch ihren Nothzustand, als daß sie sich seinem Flehen günstig gezeigt hätte. Meine Mutter mußte bei ihrer Weigerung standhaft verbleiben und mich des Vaters Armen entreißen. »Sie wollen also unser[74] Kind zur Waise machen«, rief mein Vater. »O, bedenken Sie, was Sie thun!« – Sie nahm mich in ihre Arme, drückte mich fest an sich, als wollte sie betheuern, daß sie dem Kinde Vater und Mutter zugleich sein würde! – So wurde, mir unbewußt, das Los der Schmerzen über mein schuldlos Haupt verhängt.

Friedrich II. starb 1786. Die Sonne des jungen Königs ging so sanft und wohlthätig auf, daß alle Freunde die Karschin aufmunterten, sich eine Gnade vom König zu erbitten. Sie wagte es nicht aus natürlicher Bescheidenheit. Sie sagte: »Der König hat an hundert verdienstvolle Männer zu denken, die dem Vaterlande Ehre machen. Ich trete gern zurück!« Dabei blieb es nun, bis die Karschin in steter Selbstvergessenheit durch eine seltene Fügung dahin gebracht wurde, wo ihre Freunde sie haben wollten. Ihr liebevolles Herz, stets bereit zu Rath und Hülfe, wagte eine Fürbitte für die Witwe eines verdienstvollen Mannes, welche ein ausgezeichnetes Naturaliencabinet zu verkaufen hatte. Sie wendete sich an das Fräulein von Vieregg, nachherige Ministerin von Gaudy, damals Oberhofmeisterin der Prinzessin Friederike. Die Karschin kam mit dieser Bitte um acht Tage zu spät. Fräulein von Vieregg erwiderte ihr, daß der König kein Anliegen dieser Art mehr bewillige. »Es sind der Ausgaben zu viel, fügte sie hinzu; Seine Majestät bezahlen alle Schulden des verstorbenen Königs!« – »Alle Schulden? Alle?« rief die Dichterin ihr zu; »beim Himmel! dann haben Seine Majestät mir auch eine Schuld zu bezahlen. Sein Oheim hat mir vor vierundzwanzig Jahren eine Versorgung versprochen. Man versicherte mir eine jährliche Pension von zweihundert Thalern; hätte ich die Summe von vierundzwanzig Jahren zu heben, so wäre es schon ein Kapitälchen, wofür ich mir[75] ein Häuschen kaufen könnte.« – »Gut!« antwortete lächelnd die Oberhofmeisterin, »setzen Sie das Anliegen so auf wie Sie da sagen, und wir wollen sehen, ob wir es dem König vorbringen können.« Die Dichterin ließ sich einen so liebreichen Vorschlag nicht zwei mal sagen, sie eilte nach Hause, schrieb eine poetische Schuldforderung an den König, und richtete solche an die Prinzessin Friederike. Die engelmüthige Prinzessin las das Schreiben dem Könige, ihrem Vater, vor, als Seine Majestät sich eben malen ließ. Der huldreichste Monarch lächelte des Einfalls der Dichterin, steckte das Schreiben zu sich, und gab dem Minister von Wöllner seine Befehle darüber.

Wenige Tage später wurde die Karschin durch einen Bedienten des Oberhofbuchdruckers Decker eingeladen, ein wenig zu ihm herüber zu kommen. Dies war schon oft geschehen. Die Karschin glaubte, man wollte ihr ein Gedicht auftragen, und eilte in ihrer Hauskleidung, am Arm des Bedienten, in Decker's nahegelegene Wohnung. Sie erstaunte, als die Flügelthüren des Gesellschaftssaales aufflogen und Decker sie auf das Sopha führte. Aus dem Kreise einer großen glänzenden Gesellschaft trat ein stattlicher Herr in schwarzsammetnen Kleide, woran ein Kreuz befestigt flimmerte, ihr entgegen und rief ihr zu:


Freu' dich, Deutschlands Dichterin,

Freu' dich hoch in deinem Sinn!

Der König hat befohlen mir,

Ein neues Haus zu bauen dir!


Es war der Staatsminister von Wöllner, welcher durch diese sinnreiche und liebevolle Weise, der Dichterin ihr Glück anzukündigen, der Huld des Königs einen noch höhern Werth verlieh.

Freudematt kam sie nach ihrer Wohnung zurück. Andern[76] Tags wurde das wunderbare Ereigniß allen Freunden verkündigt. Alle Zeitungen wurden mit der für sie so ehrenvollen Nachricht erfüllt. Von allen Freunden der Muse ward der König für diese That gesegnet. Zwar entsprach der Bau nicht ganz der Anzeige, die davon gemacht worden war. Aus dem großen Hause wurde ein nettes Häuschen. Die Allegorien der Musen kamen in Vergessenheit. Statt ihrer bemerkt der Beschauer an der Front des Hauses einige Geniusköpfe mit Flügelchen. Neben diesem Häuschen erhob sich ein palastähnliches Gebäude, welches dem Generalchirurgus Dr. Theden, für den es gleichfalls als Gnadengeschenk erbaut worden war, gehörte. Ich weiß mich nicht mehr zu erinnern, ob es Symbole schmückten, und welche. An dieses lehnte sich ein großes schönes Haus, das für den höchst verdienstvollen Geographen, den deutschen Cassini, Soosmann, bestimmt war, allein durch eine seltsame Verwechselung des Namens, oder auf sonst eine räthselhafte Weise in die Hand eines Herrn Sotzmann fiel, über dessen Verdienste Frau Fama ein unverbrüchliches Schweigen beobachtet hat. Ich erwähne dieses Umstandes nur, um ein Beispiel zu geben, daß dergleichen damals nicht unmöglich war. Man ist seitdem aufmerksamer geworden.

Diese Häuserreihe steht angesichts eines Baumganges, am Kanal am Haakschen Markt. Das der Karschin trägt Nr. 1. Zwei Fenster haben Sonne und eine prachtvolle Aussicht. Meine geliebte Großmutter bezog einen Salon mit einem Vorzimmer an der Nordseite, und gegen alle Vorstellungen einsichtsvoller Freunde, noch unausgetrocknet; denn unbezwinglich war ihre Sehnsucht, ein mal, in ihrem Leben zum ersten mal, vom eigenen Dache beschirmt zu werden. Das Haus bildete einen[77] schiefen Triangel; der Hof hat dieselbe Gestalt, er ist eng, aber luftig. Weinranken und einige Akazien, nebst einer blühenden Laube, gaben ihm ein gefälliges Ansehen. Ich verweilte bei seiner Beschreibung, weil dieser Raum meiner Kindheit erstes Paradies war. Ich fand dort Luft und grünes Laub, auch Blumen hatte man hineingesäet, es waren Todtenblumen. Ihre stumme Weissagung erfüllte sich: die Großmutter verließ das Haus bald, um es mit dem Sarg zu vertauschen. Diese Eindrücke wirkten mächtig auf ihr Gemüth, der Mangel an Sonne, und die Ausdünstung der neuen Wände waren ihr schädlich. Bald stellten sich die Verboten einer Abzehrung ein. Wie hinfällig aber auch ihr Körper ward, so blieb ihr Geist doch freudig und stark. Noch immer blieb sie halbe Tage an den Schreibtisch gefesselt, und ging die übrige Zeit in die Cirkel ihrer liebsten Freunde.

Oefters kam sie durch die Zerstreuung ermuntert und gestärkt nach Hause. Schriftlich und mündlich lud sie alle Freunde ein, ihr Haus zu sehen; die Worte, welche sie darüber empfing, erquickten sie.

Ihr Ruhm gewann durch ein neues Glück noch einen neuen abendlichen Strahl. Auch wartete ihrer noch ein schöner Morgen im Grünen. Graf von Schmettau lud sie in einigen verbindlichen Zeilen zum Frühstück im »Hofjäger« im Thiergarten ein, wo die ganze Prinz Ferdinand'sche Familie sich versammelt hatte, die Dichterin zu empfangen. Sie kam bleich mit schwankenden Schritten. Prinzessin Luise eilte ihr entgegen und unterstützte sie. Ihre schönen blauen Augen füllten sich mit Thränen. Prinz Ferdinand, der Bruder und Waffengefährte Friedrich's II., saß der Karschin gegenüber. Zu ihrer Rechten saß des Prinzen Gemahlin, zu ihrer Linken Prinzessin Luise, späterhin Fürstin Radziwill, deren schöne[78] Hand ihr selbst vorlegte. Sie wußten alle, daß die Tage der Dichterin gezählt waren. Sie Alle wollten ihr noch ihre Verehrung und Liebe auf das innigste bezeigen. Graf von Schmettau lenkte das Gespräch auf Friedrich II. und bat die Karschin, ihm die Grille zu verzeihen, die diesen großen Monarchen verhindert hatte, die Karschin glücklich zu machen, da er doch ihre Verdienste anerkannt und ihre Treue gewürdigt hätte. Prinzessin Ferdinand zeigte auf ihre blühenden Söhne, die Prinzen Ludwig und August, die bei dieser Familienfeier anwesend waren, und sagte der Dichterin mit feuchtem Blick: »An den Grüften ihrer Brüder haben Sie mir Trostesworte eingehaucht, mögen Sie einst in spätern Jahren meine Freude an den noch lebenden Söhnen durch Ihre Lieder verschönen!« Auf einen Wink der erhabenen Mutter nahten sich die holden Prinzen der Dichterin, ergriffen ihre bebenden Hände, und berührten sie mit ihren Lippen. Das Gespräch wurde immer lebhafter, alle schönen Erinnerungen der Dichterin wurden gefeiert. Wünsche für die Dauer ihres Lebens, für die Wiederkehr ihrer Kräfte klangen von den Lippen der Anwesenden. Zu mächtig wirkten die Gefühle an diesem Morgen auf sie. Fast entseelt wurde sie in den Wagen getragen.

Einige Tage später empfing sie einen liebreichen Brief vom Grafen von Schmettau, nebst einer Tasse, aus welcher die Karschin Tags vorher im Thiergarten mit der Fürstin gefrühstückt hatte, mit der Devise: »Wandle auf Rosen und Vergißmeinnicht!« Diese zarte Aufmerksamkeit erfreute sie nicht minder lebhaft, als einst die Dose, die ihr Baron von Kottwitz verehrte.

Gewaltiger noch als die Erschütterung dieses Morgens wirkte auf sie die Trennung von ihrem Enkel,[79] Heinrich Wilhelm Hempel. Er sollte studiren. In Frankfurt a.d.O. lebte damals ein Schwestersohn des verstorbenen Karsch, wo Heinrich dringend eingeladen wurde, während seiner Studien als sein geliebter Sohn bei ihm zu leben. Die Karschin verlor durch seine Abreise ihre letzte Lebensfreude. Sie konnte seine Abwesenheit nicht mehr ertragen und ging im Juni 1791 ungeachtet ihrer Schwäche nach Frankfurt.

Noch eine andere mächtige Sehnsucht trieb die Karschin zu dieser Reise an: sie wollte den Wunsch ihrer Vaterstadt erfüllen, ihre geliebte Schwester Eleonore Borngraeber wiedersehen, und der dringenden Einladung des verehrungswürdigen Predigers Generalconsenior Sturzel folgen, sein Gast zu sein. Seit Jahren schon war sein Haus zu ihrer Aufnahme bereit und die Gemeinde auf ihre Ankunft vorbereitet, denn ihren rastlosen Bemühungen entsproßten Wohlthaten zum Zweck eines evangelischen Kirchenbaus, welcher 1782 begann. Der nun folgende Bericht von der Entstehung dieses Gotteshauses darf in diesen Blättern nicht ausbleiben. Er bezeichnet die Werkthätigkeit der Dichterin, den Sinn ihrer Zeitgenossen, sowol der ausgezeichnetsten unter ihnen, als im allgemeinen die religiöse Volksgesinnung der Massen, die warm und kräftig war. Jeder Wohlgesinnte hat Freude daran, wenn ein Widerhall solcher Zeiten aus der Vergangenheit herübertönt; denn die Vergangenheit ist eine Bürgschaft der Zukunft.

In einem herzlichen Schreiben hatte sich die kleine Gemeinde Tirschtiegel an die Karschin gewendet, sie zu einer Fürbitte zu vermögen. Der polnische Graf Mielczynski, dessen Andenken dort fortleben wird, gab das Holz dazu. Die Gemeinde zählte zwar auch wohlhabende Mitglieder in ihrem Schoße, doch sie war klein.[80] Das Verhältniß der evangelischen Bewohner zur katholischen Kirche war ein drückendes, obgleich die Katholiken, freundselig gegen ihre christlichen Mitbrüder der augsburgischen Confession, ihnen in allem entgegenkamen.

Die Karschin schrieb ihrem erhabenen Gönner, dem Herzog von Mecklenburg-Strelitz, durch einen dieser Bürger folgendes Lied:


Dem Bruder einer großen frommen

Geliebten Königin,

Dem Fürst von Strelitz soll mein Gruß zu Ohren kommen,

Und meine Bitte seufz' ich hin

Zu seinem Herzen wohlgepriesen.

Er helfe doch mit milder Hand

Um seines Herzens willen diesen

Bedrängten Städtchen, da zwei Bürger abgesandt,

Zum Kirchenbau zu collectiren.

Es wäre meine Schuldigkeit

Die Kirchenwände aufzuführen.

Ich brachte meine Kinderzeit

In diesem Städtchen zu bei meines Oheims Lehren.

Sein Grab und meiner Mutter Grab,

Die möcht' ich gern durch diesen Bau verehren;

Doch weil mir Gott nicht Reichthum gab,

So muß ich nur an fremde Herzen klopfen.

Ich hoffe, daß du, guter Fürst,

Dein Ohr nicht meinem Flehn verstopfen,

Dein Herz mir nicht verschließen wirst!

Und deine Herrn, und deine Damen

Beeifern sich gewiß, dir alle nachzuahmen.


Das zweite Lied, gerichtet an die Stadt Hamburg, lautet:


Helft den entfernten Christenbrüdern

Ihr Edeln in Hammonia![81]

Gebt Antwort ihrem Flehn, und Gott wird's euch erwidern,

Wenn euer Auge niedersah

Auf sie voll Mitleid und Erbarmen.

Sie bitten, und ich flehe mit.

Mich jammert der bedrängten Armen,

Weil ich selbst harten Kummer litt.

Und zwiefach jammert mich dies Städtchen,

Denn meine Mutter schlummert dort,

Bei meinem Oheim, der mich kleines Schülermädchen,

Durch ein freundvetterliches Wort

In wenig Tagen lesen lehrte.

Dort schläft der alte fromme Mann,

Den ich einst mit Gesang beehrte,

Weil ich's ihm nie verdanken kann,

Daß er mich liebreich lesen lehrte.

O, hätt' ich Gold und Silber jetzt,

Um dort die Kirche selbst zu bauen!

So würde diesem Mann ein Denkmal aufgesetzt.

Ich habe nichts als nur Vertrauen

Zu Gott und zu den Herzen voll Gefühl.

Er wird's vergelten, was ihr gebet;

Und euch erquickt an Lebensziel

Der Tempel noch, der vor euch schwebet,

Zu dem ihr Kalk und Steine gabt,

Die ihr dem Herrn, durch den ihr lebet,

Zum Brandaltar gegeben habt.


Auch an den Professor Müchler schrieb sie wegen einer stillen Collecte zum Bau eines evangelischen Kirchleins zu Tirschtiegel in Polen, im Juli 1778.


Dein Sohn muß unter vielen Gaben,

Womit ihn die Natur beschenkt

Auch einen Geist empfangen haben,

Dem etwas ahnet, der zukünft'ge Dinge denkt,

Woran kein Menschensinn gedachte. –

Denn da mir dieser liebe Sohn

Die Zeichnung vor'ges Jahr auf einen Fächer machte,[82]

Da wußt' sein Geist vermuthlich schon,

Daß man mich, eh zwölf Monden kämen,

Beschwören würde fromm und treu,

Ein groß Geschäft zu übernehmen,

Und daß ich glücklich drinnen sei. –

Denn er entwarf mir auf dem Fächer

Ein kleines gottgeweihtes Haus,

Ein Kirchlein, wie man's baut für solche Kanzelsprecher,

Die keinen fetten Hochzeitsschmaus,

Kein prächtig Kindelbier bei armen Bürgern haben.

Ich staunete das Kirchlein an

Und wunderte mich sehr, daß sich der Kopf des Knaben

Nicht auf ein andres Bild besann.

Und siehe, nach Dreivierteljahren

Zeigt' sich's, warum er's hat gethan.

Ich soll Geld sammeln und bewahren

Zum Aufbau eines Kircheleins

In Polen, in der Stadt, worinnen

Mein Oheim mich gelehrt, die Bücher liebgewinnen,

Das Schreiben und das Einmaleins.

Er ruhet da in Gott an meiner Mutter Seite,

Und voll Vertrauen bittet mich

Des Priesters2 Brief im Namen aller Leute,

Die sich dort nähren kümmerlich,

Um Beistand, um ein Vorwort an die Reichen,

Und an den Mittelmann, der sich

Oft noch viel eher läßt erweichen.

O welche Seligkeit für mich,

Wenn mir's gelänge wenn ich käme,

Mit einer Summe, nicht zu klein,

Und meinen Fächer mit mir nähme,

Und spräche: Seht! so soll just eure Kirche sein

Wie dieses Kirchlein hier, so soll der Grundriß werden

Und so der kleine Thurm von Holz.


O dazu helfe mir die Allmacht, die auf Erden

Nicht Tempel fordert groß und stolz,[83]

Die gern in Menschenseelen wohnet,

Und in ein niedres Bethaus kömmt

Mit ihrer Gegenwart, und ewiglich belohnet

Den, dessen Hand sich ungehemmt

Eröffnet und den Armen gibet,

Die sich ein Bethaus wollen bau'n. –

Wohl dem, der die Gelegenheiten liebet,

Sein Geld auf Wucher zu vertrau'n

An Gott, der reich ist über Alle,

Der uns durch seinen Sohn gesagt:

Daß ihm zum Opfer auch ein Scherflein wohlgefalle,

Weil er nur nach dem Herzen fragt.


Unermüdet dehnte sie ihre Bemühungen aus. Der Grundstein zu dieser Kirche wurde am 19. Juli 1782 gelegt, wobei der genannte Pastor Johannes Sturzel die Weihrede über 1. Moses 28, 17. hielt: »Wie heilig ist diese Stätte. Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.« Die Einweihung der neuerbauten Kirche erfolgte am 10. Nov. 1782, wobei über Ps. 122, 1. 2. gepredigt wurde: »Ich freue mich deß, das mir geredet ist, daß wir werden ins Haus des Herrn gehen, und daß unsere Füße werden stehen in deinen Thoren, Jerusalem.«

Zur Zeit der Erbauung dieser Kirche stand Tirschtiegel noch unter polnischer Herrschaft, denn erst 1793 kam der District Polens, in welcher Tirschtiegel liegt, nebst Danzig und Thorn an Preußen.

In das Kirchenbuch der Kirche der Stadt Tirschtiegel schrieb Herr Pastor Sturzel folgendes: »Die ersten Glocken hat die berühmte Madame Karschin dieser Gemeinde zum Geschenk überschickt, die anfänglich auf dem hiesigen Rathsthurm gehangen und gelautet wurden. Dieselbe hat überhaupt der hiesigen Kirchengemeinde sehr[84] viele Wohlthaten erzeigt, und diese hat daher für billig gehalten, derselben ein kleines Denkmal in der Kirche zu errichten, worauf ihr wohlgetroffenes Bildniß en miniature zu sehen, und eine schöne Ode, die sie an die hiesige evangelische Gemeinde geschrieben, zu lesen ist.«

Die Karschin sandte nämlich ein kleines Altarbild, die drei Jungfrauen, einen Kronleuchter, zwei Oelgemälde, die Kreuzigung und die Abnahme Christi vom Kreuz. Dazu diese schon bezeichnete Ode:


Weil ich jetzt nichts Andres senden kann,

Geb' ich diese Schildereien.

Hänget sie als Denkmal an.

Ich und meine Tochter weihen

Diese Christusbilder gern

Euch und euern Kindeskindern,

In den Tempel unsers Herrn,

Der zur Tröstung allen Sündern,

An das Kreuz sich schlagen ließ,

Und vom Kreuz ward abgenommen.

Die Erinnrung sei euch süß,

Auch einmal dahin kommen,

Wo sein Geist ward hin versandt,

In des ew'gen Vaters Hand.

Wenn bei euern Sterbebetten

Eure Lieben Kläglich thun,

Die euch gern noch länger hatten –

Dann heißt ihre Klage ruhn!

Weil der Mittler vor dem Grabe

Seinen Jüngern einst verhieß:

Daß er dort im Paradies

Wohnung für sie habe.

Wenn ihr beichtet eure Schuld,

Und bei dem Gedächtnißmahle

Trinkt aus heiligem Pokale,

Dann erinnert euch der Huld[85]

Dessen, der sein Blut am Stamme

Eines Baums vergossen hat,

Voll von seiner Liebesflamme,

Selbst für die verstorbne Stadt,

Die das Urtheil ausgesprochen

Ueber ihn, der nichts verbrochen,

Der die Kranken nur geheilt,

Und auf seinem Lehramtspfade

Lauter Gnade

Aus Erbarmen hat ertheilt.

Seht in seinem Kreuzesbilde

Ihn, als wär's die Gegenwart

Selber, die uns Gottes Milde,

Gottes Nachsicht offenbart.

Seht es, und gedenkt auch meiner,

Wenn ich Flug in'n Himmel nahm,

In die Welt, aus der noch keiner

Als nur Christus wieder kam.


Diese Kirche war mit einem schönen Thurm geschmückt; sie büßte ihn mehrere Jahre darauf bei einer Reparirung durch einen Zimmermeister ein, welcher einen Pfeiler von denen des darauf ruhenden Thurmes durchsägen ließ. Er sank mit einem furchtbaren Knall um und zerschmetterte eine Katze. Im Nothfall wurde ein kleines Glockenhaus erbaut, bis Friedrich Wilhelm III. tausend Thaler für einen neuen Thurmbau beisteuerte.

Zum Einweihungsfeste dieser Kirche sandte die Karschin folgendes Gedicht an die evangelische Gemeinde zu Tirschtiegel:


Lobsinget hoch mit Jubelschall

Dem Könige der Ehren,

Daß es dort oben überall,

Die Himmelsbürger hören,[86]

Die hier mit Thränen und Gebet

Vergebens wünschten, was ihr seht,

Für euch und eure Kinder.


Wenn's möglich ist, wenn's Gott erlaubt,

Der Geist- und Odemgeber,

Auf den ihr hofft, an den ihr glaubt,

Dann öffnen sich die Gräber.

Unsichtbar wird der Staub belebt,

Horcht euerm Weihgesang, und hebt

Das Haupt empor und siehet:


Da stehet Tempel und Altar,

Wonach die Väter bangten,

Was über zweimalhundert Jahr'

Viel Seelen heiß verlangten,

Und nicht gehofft, und nicht gewähnt,

Was ihr von unserm Gott ersehnt,

Zur Zeit, die er bestimmte.


Dank sei dem wunderbaren Gott

Im Himmel und auf Erden!

Wer ihm vertraut, kann nicht zu Spott,

Kann nicht zu Schanden werden.

Er weckte Herzen weit und breit

Zur Menschenlieb' und Mildigkeit,

Zum Aufbau seines Hauses.


Dank ihm und diesen Herzen all',

Von euch und mir gesungen;

Dank bis zum Berg und Hügelfall

Von eurer Kinder Zungen;

Dem Ewigvater, Ewigherrn,

Der über Sonne, Mond und Stern'

Regiert und bei euch wohnet.


Bringt des Gehorsams Opfer stets

Bringt süße Weihrauchkörner

Der Kindesliebe, des Gebets;

Und freuet euch noch ferner[87]

Auf seine Hülfe, seinen Rath.

Der große Dinge an euch that,

Wird nimmer euch verlassen.


Mit jenem Bildniß in der neuen Kirche zu Tirschtiegel huldigten die biedern Bewohner der Stadt dankbar und liebevoll dem Andenken der Karschin, deren seliger Geist gewiß noch jenseits sich an der Liebe erquickt, die dies einfache Denkmal gestiftet, das noch am 10. Nov. 1852 erneut wurde3, wo das Gustav Adolf und zugleich das Kirchweihfest stattfand, und das Andenken aller Erbauer und Wohlthäter der Kirche gefeiert wurde. Der verehrungswürdige Herr Pastor Schober predigte über denselben Text wie bei der ersten Einweihung, Ps. 122, 12. mit rechtem Glaubensfeuer, und erwähnte dabei der merkwürdigen Frau, mit Hindeutung auf die daselbst noch lebende Familie. Manche schöne Thräne floß bei seinen rührenden Worten. Die Familie der verewigten Dichterin feierte jene unvergeßliche Stunde nicht ohne gerechten Stolz, das theure Andenken der demuthvollen Frau, das unvergänglich in allen Herzen glühen wird.

Die Karschin mußte todesmatt das theure Frankfurt und ihren Enkel verlassen. Hier folgende Briefe, welche mir die geliebte Großmutter von Frankfurt aus schrieb, den 14. Sept. 1791.

»Wie befindest du dich jetzt, liebes Mienchen? Ich hoffe recht munter. Die Tage sind schön für den der gesund ist, ich bin noch immer krank, ob sich gleich wieder ein kleiner Anschein zur Besserung zeigt. Ach! ich[88] ward schon so oft in meiner Hoffnung betrogen, daß ich mich nicht mehr darüber freuen kann. Denn es lauscht gemeiniglich eine neue im Hintergrunde. Mir fehlt es sonst an nichts, ich habe treue Pflege, nur Gesundheit fehlt. Ich bin sehr schwach, und weiß noch nicht, welchen Tag ich stark genug sein werde, mich heim bringen zu lassen; ich glaub's, liebes Mienchen, daß dich deine arme Großmutter jammert, denn mich dünkt, ich sagte beim Abschied zu dir: ›Mienchen, wie wär's, wenn ich in Frankfurt stürbe?‹ Hundert mal hab' ich's geglaubt, und glaub's heute noch. Aber warum sage ich dir, du gute weiche Seele! soviel von Krankheit und Tod vor, du mußt dir das nicht zu Gemüth ziehen, ich unterwerfe mich ganz dem Willen Gottes, er wird's wohl machen, und du wirst dich freuen, wenn du mich wieder siehst. Ich lege dir hier Abschrift bei von einem Liede, welches ich in der letzten Hälfte des Juli der Prinzessin Friedrike nach Potsdam schickte, wohin sie mit ihrem York gereist war. Ich begleitete dies kleine Lied mit einer Epistel, die zu deinem Besten geschrieben war; was ich geschrieben habe, weiß ich nicht mehr, so viel aber weiß ich, daß die Epistel recht hübsch war, auch erinnere ich mich darin gesagt zu haben, daß in den Tagen des Brautstandes ihr königlicher Herr Vater ihr alles bewilligen würde, wenn sie ihn bäte für dich, als für sein Pathchen, eine kleine Pension zur Erziehung auszusetzen. Die Prinzessin ist flatterhaft wie eine Zephyrette, hilft mir Gott aber nach Berlin, dann will ich sie schon daran erinnern. Ich fand das Manuscript unverhofft unter meinen Papieren in der Tasche, nachdem ich schon ein paar Wochen krank war. Heinrich hat die Abschrift in einem Briefe an deine Mutter schicken sollen, und hat's vergessen; ich eile demnach dir's zuzuschicken mit[89] der Versicherung, daß meine Liebe Sorge für dein Bestes trägt, und tragen wird. Grüße K. und Mienchen K. von mir, grüße auch unsere gute Elisabeth vielmal freundlich von


Deiner

guten Großmutter

Anna Luise Karschin.«


»An meine liebe Enkelin!


Liebes Mienchen!


Dein Briefchen ist mir angenehm gewesen ich freue mich über deine Lehrbegierde; fahre so fort gutes Kind, und laß mich von Zeit zu Zeit Folgen davon hören. Ich kann dir heute nur wenig schreiben, ich habe eine böse, böse Nacht gehabt. Ich bin krank, sehr krank gewesen liebes Mienchen, und bin noch nicht gesund. Bruder Heinrich fing auch an zu klagen, doch ging er alle Morgen Collegien hören. Er läßt dich und die Mutter herzlich grüßen, und spielt meisterhaft auf dem Klavier, mir ists lieb, daß du auch Lust dazu hast. Die Musik vertreibt mit ihrem Zauber alle melancholischen Grillen.

Lebe wohl, liebes Kind! dich hofft wiederzusehen


Deine

gute Großmutter Karschin.«


Frankfurt a.d.O.,

August 1797.


»Krank bist du gewesen liebes Mienchen, bist wieder gesund, hast aber indessen ganz den Inhalt meines ersten Briefchens vergessen. Es war die Sprache der Großmutter, die deine Geschäftigkeit, deine Zärtlichkeit bei ihrer Abreise zu schätzen wußte. Glaube mir's, liebes[90] Mienchen, ich bin sehr schwach, ich wünschte mein Sarg wäre zu Frankfurt, denn ich bin äußerst entkräftet, bin seit zwölf Tagen sehr krank, ging vorigen Sonntag am Arm eines sehr edeln Professors, mit Todesschwäche unter die herrlichen Linden in sein ländliches Häuschen geführt, Heinrich ging mit. Der Weg führte uns über den Kirchhof wo Kleist ruht, neben ihm möchte ich gern begraben sein, und ich arme alte vergessene Frau würde hier wol noch von Musensöhnen mit Blumen und Gesang beehrt werden.

Dein Bruder würde mir die Augen zudrücken, und seine Thränen würden mein abgezehrtes Gesicht waschen. Er ist gesund an Leib und Seele, wird ein Mensch wie ihn Gott haben will. Er heischt kein übertriebenes Lob, keines macht ihn stolz. Er ist unter den besten Menschen, und ist sehr fleißig. Der Professor Huth, ein junger vortrefflicher Mann, wird im engsten Verstande des Wortes sein Freund werden, wird seine Studien leiten. Heinrich hat ein dankbares Herz. Ahme diesen Bruder nach. Mienchen verstopfe dein Ohr den Schmeicheleien des Lobes, sie verderben die besten Anlagen; ich werde mich wohl hüten, deinen Bruder ins Angesicht zu loben, ob er gleich hier der einzige Trost, die letzte Hoffnung ist, deiner gewiß sterbensmatten Großmutter


Anna Luise Karschin.«


Sie hatte noch Kleist's Grab und die Stelle besucht, wo Prinz Leopold von Braunschweig in den Nachen stieg, in welchem er den Ueberschwemmten zu Hülfe eilte. Hier ist das Lied, welches die Karschin dem Entseelten sang, es fand Anklang in den schmerzerfüllten Gemüthern. Ich liebe dies Lied noch besonders, weil es frei von mythologischem Wust ist. Die Dichterin weinte, als[91] sie es niederschrieb. Es ist nun wol beinahe vergessen. Eine wahre Edelthat glänzt höher vor Gott als vor Menschen! Auch die Rosen, welche die schöne liebliche Fräulein Gause um Kleist's Denkmal wand, werden nie verwelken.


Die Wassersnoth bei Frankfurt an der Oder im April 1785.

Vom Gebirge strömte das Verderben

Ins Gefilde weit und breit;

Saat und Blumenkeime wollten sterben

Unterm Wasserwogenstreit.


Zarte Lämmer, Junge Busenkinder

Heischten Rettung aus der Flut.

Hungerleiden brüllten magre Rinder,

Die des Landmanns einzig Gut


In der niedern Armuthshütte waren.

Größer schien die Wassersnoth

Als ein Feldzug fremder Kriegesscharen,

Der mit Schwert und Feuer droht,


Und mit Plünderung dem platten Lande,

Das sein Rauschen hört und zagt,

Wenn der Zug von äußern Grenzenrande

Schrecken vor sich hergejagt. –


Innerm Waffenrasseln widerstehet

Heldenklugheit, Heldenmuth,

Aber wenn sich fürchterlich erhöhet

Ausgetretner Ströme Wuth,


Kann der König selber nicht gebieten,

Der mit siegesreicher Hand

Sieben Jahre lang dem Waffenwüthen

Vieler Feinde widerstand.
[92]

Rettung war unmöglich, war zu wagen,

Und wenn sie gelang, alsdann

War kein Dichter stark genug, zu sagen

Wonne, die der Held gewann.


Leopold, ein junger Menschenlieber,

Guelfensohn, hat es gewagt.

Menschlich Mitleid riß ihn mächtig, über

Alle Warnung laut gesagt.


Ueber alle Todesfurcht erhaben,

Sprang er in den Kahn, und sprach:

»Rudert rüstig fort, ihr Schifferknaben,

Folgt der Jammerstimme nach,


Die so kläglich Hülfe fordert drüben,

Hört die Todesangst und eilt!

Schon zu lange seid ihr kalt geblieben,

Habt zu lange schon geweilt,


Habt nur hier die Wellen angegaffet,

Die der Brücke Halbtheil schon

Angegriffen und hinweggeraffet, –

Fürchtet nicht dies Wasserdrohn!


Ich bin Mensch wie ihr zur Welt gekommen

Wagt doch, was ich wagen kann,

Seht, da wo die Häuser weggeschwommen,

Kommt's auf Menschenrettung an!« –


Also sprach der Fürstensohn, und brannte

Von Begierde, da zu sein,

Wo sich zu dem Sturmgebieter wandte

Nothgedrängter Menschen Schrei'n.


Bald hinüber war die Fahrt gelungen,

Als ein Windstoß sie ergriff;

Ach! von einer Welle Wuth gedrungen,

Scheiterte das kleine Schiff
[93]

An der Wurzel einer alten Weide, –

Und die wilde Flut verschlang

Frankfurts Stolz und Ruhm und Augenfreude

Mit dem Wassertode rang


Leopold nur wenige Minuten,

Seine Seele stieg empor

Schöner als durch vieler Wunden Bluten

In der Heldenseelen Chor. –


Und die Bürger und die Musensöhne

Und die Kriegesmänner all'

Klagen ihn, und ihre Klagetöne

Wiederholt der Widerhall.


Daß es alle Lüfte hören müssen,

Und ein Künstler groß und mild4

Macht der Folgezeit die That zu wissen

Durch der That Beginnungsbild.


Während eines Aufenthalts von drei Monaten konnte sie nur wenig Besuche machen, und war fast immer bettlägerig oder saß matt auf dem Stuhle. Dennoch unterlag ihr Geist nicht, sondern richtete sogar durch seine immer wieder emporsteigende Flamme den hinsinkenden Körper wieder auf, und sie war oft so munter, daß sie dichtete wie in ihrer Jugend. Ihr letzter Gesang in Frankfurt war ein Vermählungsgedicht an die Herzogin von York. Mit diesem kleinen Gesange war die Flamme für dieses Leben in ihr erloschen. Sie wollte die Fürstin ihres Herzens, die Schöpferin ihres letzten irdischen Glücks vermählen sehen, und wagte sich also in ihrer Todesschwäche auf die Rückreise nach Berlin, wo sie im September 1791 zu aller Freunde Erstaunen glücklich in ihrem Hause ankam. Dritthalb Tage hielt sie sich noch[94] außer dem Bett, besuchte noch ihre Freundin, eine edle Schweizerin, Fräulein Buß, eilte der bestellten Portchaise voraus, vom Arme des Dienstmädchens geführt. Der mühsame, obgleich kleine Gang auf den Steinen hatte sie vollends erschöpft. Sie saß noch anderthalb Tage im Lehnstuhl und las in Cäsar's Commentaren. Das Feuer ihrer herrlichen Augen war erloschen, und sie hefteten sich auf keinen Gegenstand mehr. Zu meinem unaussprechlichen Schmerz gab sie nicht Acht darauf, daß sich Fliegen in ihre Augenwinkel setzten; ich verscheuchte sie unablässig, sie merkte nicht darauf, sprach nur noch wenig. Ich wich nicht von ihrem Lehnstuhl. Ihr Tisch stand angefüllt mit Gläsern voll Erquickung, mit Flaschen edeln Weines, sie wollte nichts davon berühren. Meine arme Mutter verließ sie keinen Augenblick, sie mußte ihrem heißen Schmerz Gewalt anthun, um die Leidende nicht merken zu lassen, wie sehr sie in Gefahr schwebe Nach einigen Tagen konnte sie ihr Bett nicht mehr verlassen; sie war völlig von Kraftlosigkeit erstarrt. Dennoch blieb ihr Geist lebhaft und selbst im Fieber sich gegenwärtig. Ihre Gespräche waren zuweilen wie in gesunden Tagen, sie schien hinter einem Schirm mehr eine Unterhaltende als Kranke zu sein. Am letzten Nachmittag ihres Lebens war sie so gesprächig mit ihrer Tochter, daß sie derselben jede Frage aus der frühern und gegenwärtigen Zeit mit einer jugendlichen Gedächtnißkraft beantwortete. Und obgleich der herannahende Tod sich schon durch das Schwerwerden ihrer Zunge in einem Schlagfluß meldete, welcher 4 Uhr nachmittags eintrat, wodurch ihre Sprache von Stunde zu Stunde lallender wurde, so sprach sie doch mit jedem, der vor ihr Bett trat, in leichtem gesellschaftlichen Ton und mit beständiger Gegenwart des Geistes. Die berühmten Aerzte,[95] welche ihr die Huld der Königin zusandte, erklärten, daß alle Hoffnung verloren sei. – Meine Mutter bereitete ihr einen Trank von uraltem feurigen Rheinwein, sie nippte davon, wurde gesprächig und heiter, und glaubte nun noch einige Jahre zu leben. Um 9 Uhr abends begehrte sie nun noch ein mal zu trinken. Die Todestropfen perlten hell ihre bleichen Wangen herab. Mit dem zehnten Schlage der Thurmuhr gab sie in Gott ihren Geist auf.

Ich blieb an ihrem Bette kniend, mir war zu Muthe, als verginge die Welt um mich her; ich glaubte einen fürchterlichen Sturm zu hören, der durch alle Räume des Hauses tobte; mir schauderte heftig. Unser Hündchen, das ruhig im äußersten Winkel des Hauses lag, erhob dort ein entsetzliches Klagegeheul, unsere Täubchen flatterten ängstlich umher. Wir knieten mit herzzerreißendem Schmerz am Fuß des Bettes und blieben die ganze Nacht bei der geliebten Leiche.

Sie starb am 12. October 1791. Ihr Herz hatte, wie ihr Geist, seine unvergleichlichen Seiten; an unermüdeter Gefälligkeit, Dankbarkeit, Offenheit und Wahrheitsliebe war sie unübertroffen. Segen vieler Hunderte, denen sie durch ihr bereitwilliges Talent mit Vorbitten geholfen, schwebt um ihren grünen Hügel, und der Geist alles Geistes wird sie dafür erfreuen.

Der nächste Morgen fand uns schlaflos, wir alle, mich nicht ausgenommen, empfanden die Größe unsers Verlustes; selbst auf mich fiel sie zermalmend, ich hatte die Selige immer zärtlich geliebt. Ein verklärender Lichtstrahl von oben zeigte sie mir in ihrer ganzen Herrlichkeit. Sonderbar war die äußere Veränderung, die ihr der Tod verliehen: ihre Gestalt war ansehnlich größer gefunden, ihre im Leben eingedrückte Nase hatte sich gehoben[96] und gebogen, sie war völlig römisch geworden und nun erst im Einklang mit ihren übrigen Zügen. Der feine wohlgebildete Mund war purpurfarben geblieben, und das gescheitelte Haar war so goldbraun wie in ihrer Jugend. Nachdem ich sie lange mit Schmerz und Rührung betrachtet, eilte ich in den Hof hinab, und pflückte alle Blumen von den Sträuchern, die dort standen; es waren, wie schon gesagt, Todtenblumen. Ich konnte mich gar nicht von der lieben Todten trennen, meine Thränen rollten unaufhaltsam über; ich bedeckte mit Küssen die bleiche unermüdete Hand, die nur für Andere thätig war. Denn was bedurfte sie? Ein wahres Dichtergemüth kennt keine Eigensucht, es lebt nur für werkthätige Liebe und für schaffende Kunst.

Die Ruhestätte der Karschin wurde im Schatten einiger jungen Linden unweit des Eingangs der Sophienkirche bereitet und durch nichts bezeichnet. Ich ging oft dahin, und verbarg mühsam meine strömenden Thränen. – Nur Gleim war es, dem es am Herzen lag, ihr ein Denkmal zu ermitteln. Er war erblindet, der edle Mann. Er hatte keine Glücksgüter zurückgelegt; doch es gelang ihm, die fromme Aufgabe, die er sich selbst gemacht, zu lösen. Die Aufrichtung des Denkmals kam erst 1802 zustande. Auf einer schönen grauen Marmortafel, die in der Kirchenmauer eingefugt ist, stehen die schlichten sinnigen Worte:


Hier ruht Anna Luise Karschin.

Kennst du Wanderer sie nicht,

So lerne sie kennen!


Wenige Zeichen unmittelbar nach ihrem Tode hat uns die Großmutter gegeben; ich will sie hier anführen, da ein süßer Trost darin liegt, Ueberzeugung zu haben, daß die Dahingeschiedenen[97] uns liebend und segnend umschweben, und ich halte es für eine fromme Pflicht, die Kunde zu übertragen, die uns vom Jenseits zutheil wird.

Am Abend ihres Todes hatte ihre würdige Freundin, die Hofapothekers Witwe Rhebeldt, welche die Karschin innig liebte, im Zwielicht einsam an ihrem Fenster gesessen, ein wenig beruhigt über ihr Befinden, weil es noch am Nachmittag hieß, es ginge besser. Das Fenster ging auf einen schmalen Hof hinaus, zu welchen man nur durch die Küche und durch die Apotheke gelangen konnte. Frau Rhebeldt wohnte allein im Hause, dessen Eingangsthür sorgfältig verschlossen blieb. Sie lebte dort, wie es ihrem kummerschweren Gemüth behagte, in der strengsten Eingezogenheit. Am Abend vor 6 Uhr hörte sie die Thür der Apotheke gehen, glaubte, es sei jemand von ihren Leuten daselbst, und blickte unwillkürlich hin, sie hörte leichte Schritte durch den Hof gehen, und erblickte ihre Freundin, die nach dem Fenster hinaufsah, nach ihrer gewohnten Weise traulich grüßte, statt aber zu ihr hinauf zu kommen, den Hof entlang ging und dort in einen Verschlag hineinschlüpfte. »Die Karschin!« rief sie vor sich hin. »Um Gotteswillen, noch gestern sagte man sie sterbend, sie hat nicht mehr aus dem Bett gekonnt, und nun wagt sie sich schon hierher, ganz allein, und geht rasch!« Mit diesem Gedanken beschäftigt, blickte sie unverwandt nach der Stelle, wo die Karschin ihren Blicken entschwunden war. Sie wartete lange auf ihre Wiederkunft; zuletzt übermannte sie die Ungeduld, sie eilte in den Hof hinab; dort war niemand zu finden; sie eilte in die Apotheke, die Thür war nicht gegangen. Ihr wurde nun bang' und weh, sie schickte zu uns hinaus; ihr wurde der Bescheid, daß man stündlich das Ende der Karschin erwarte.[98]

Viele hochweise Menschen, die sich aufgeklärt nennen, werden sagen, der Vorgang sei eine Einbildung gewesen. Denselben Abend aber Schlag 10 Uhr hörte mein Bruder sanft und lieblich seinen Namen rufen; er fühlte den Druck der Lippe der Großmutter warm und innig, sie rief ihm zu: »Heinrich!« Dies war in der Minute ihres Todes. Der Scheidegruß der mütterlichen Liebe. Ein dritter Vorgang fand Abends am 17. October statt. Zeugen davon waren mein Oheim Christian, eine vertraute Freundin aus Potsdam, meine gute Mutter und ich. Der Auftritt dauerte von abends um 7 bis gegen 11 Uhr und beschäftigte uns lebhaft; er war bedeutungsvoll, zeigte die Zukunft deutlich an. Ich werde dessen später gedenken. Mehr als hundert ähnliche folgten ihm nach, besonders nach dem Verlust meines Max; sollte ich sie in diesem Werke aufzeichnen, so werde ich sie treu und wahrhaft erzählen. In den verschiedenen großen Geschicken meines Lebens gereichten sie mir zum herzerhebenden Trost, und nur deshalb schreibe ich sie auf.

Ich habe von den Freunden, die meine geliebte Großmutter besucht, bisher nur wenige genannt. Bei unserer letzten Zusammenkunft mit meinem Bruder in Koblenz nannte er mir sie alle, und setzte bezeichnende Worte hinzu, die ich zu Papier brachte. Nur wenige dieser Freunde hatte ich selbst gekannt. Die Schilderungen, die ich von ihnen entworfen, waren für meine Denkwürdigkeiten bestimmt; aber ich finde sie nun nicht mehr. So muß ich mich denn einstweilen begnügen, von denen zu sprechen, die ich selbst gesehen. Krünitz war unter denselben. Ein echter Aesthetiker jener Tage, von der Art, die schon damals selten zu werden anfingen. Großmutter und Mutter hatten ihn noch jung gekannt. Er war nun zum zweiten mal verheirathet, Vater einer schätzbaren Tochter, trug sich nach der damals bei gereiften[99] Hausvätern üblichen Sitte, und war im schönen Sinn des Wortes noch jung geblieben. Wir waren oft in seinem gastlichen Hause, das in seiner stillen Weise echt gemüthlich war. Krünitz war ernst und bescheiden, seine gründliche Gelehrsamkeit schloß die Gemüthlichkeit nicht aus, er begehrte wie es schien nur Anerkennung seines Herzens und Erwiderung seiner treuen Anhänglichkeit. Er hatte die Karschin auf dem Gipfel ihres Glücks, und auch dann gekannt, als der verminderte Zudrang zu ihr anfing, dem engern Kreis der wahren Freunde Luft zu machen, solcher Freunde, die ihr Herz verstanden und sie nicht aus Rücksicht auf ihren Genius, ihren Ruhm, sondern um ihrer selbst willen liebten; denn diese edle Natur hatte im Kampf mit dem Drange des Lebens sich selber zu erhalten gewußt, darum blieb auch ihr Genius in seinem Jubelglanz, und es wurde ihr alles was sie war unverkümmert zutheil, eben weil sie nicht erstrebte, sondern als freie Gabe von oben herab freudig empfing und kindlich genoß. Krünitz und Oelrichs hingen ihr mit wahrer Liebe an. Aus des alten Oelrichs Augen fielen warme Thränen auf ihren Sarg. Beide Männer kamen gern, weil sie mit der Mutter und mir liebevoll von ihr sprechen konnten. Sie zürnten ihrem Freundesherzen, weil das lebhafte Gefühl, mit welchem sie ihr ergeben waren, sich nur vereinzelt kundthat. Die Trauer um sie hatte sie beide wieder jung gemacht, dies ist eine gewöhnliche Wirkung eines echten Schmerzes. Die Jugend, deren Keime und Blüten sein warmer Strahl aus dem erschütterten Innern hervorlockt, ist eine Bürgschaft des Ewigen!

Graf Stolberg-Wernigerode gehörte zu denen, die meine Mutter in dieser ersten Trauerzeit um die Karschin schmerzlich vermißte, denn auch seine Liebe war eine tiefe[100] und echte, gehärtet im Prüfungsfeuer. Göckingk bezeigte sich ziemlich kalt. Seine Nante umstrickte sein Herz ausschließlich mit ihren Rosenbanden. Die Karschin betrachtete die nachherige Frau von Göckingk nicht aus dem rechten Gesichtspunkte, nämlich nicht als begabte Dilettantin. Nante hatte das damals sehr bekannte Lied geschrieben:


Vergleiche mich der guten Karschin nicht;

Sie singt aus Noth, ich aber sing' aus Liebe!


Mich dünkt, beides war nicht richtig. In einer andern Strophe heißt es:


Sie drängt sich kühn zu kargen Fürsten hin,

Vergißt den Stolz, der edlen Seelen ziemet,

Indeß ich klein so eigensinnig bin,

Daß mein Gesang nur dich, nicht Fürsten rühmet!


Die Karschin sang aus innerer Nothwendigkeit, nicht aus Noth, denn ohne Friedrich's II. Siege wäre sie keine Karschin geworden. Zu den Fürsten brauchte sie sich nicht hinzudrängen, denn alle luden sie zu sich ein. Die Karschin antwortete auf das Lied Nantens mit folgendem beliebten Gedicht:


Ueber die Vergleichung, an Nantchen den 5. October 1779.

Laß dich bei Leibe nicht vergleichen

Mit meiner Kleinigkeit,

Ich lief nur unter Haselsträuchen

In früher Jugendzeit;


Wenn unter einer Bacchuslaube

Dein zartes Füßchen ging,

Wo dir die schönste Purpurtraube

Ins Rosenwäldchen hing. –
[101]

Ich kannte nur die Nachtigallen;

Kein buntes Pap'chen ließ

Im Hause meinen Namen schallen,

Für's Futter fein und süß.


Mein Sopha war nur Wiesenerde,

Da kosete mein Mund

Mit Blumen, und mit meiner Herde,

Die trieb ich ohne Hund.


Mir horchten auf ein Wort drei Rinder

Wie dir Fidelchen boll,

Ich pflegte meiner Mutter Kinder,

Wenn du, von Liebe voll,


Auf deinem Schose Zuckerküchlein

Dem Kläffer gabst, und ihn

Das Maul mit einem seidnen Tüchlein

Verstopftest, weil es schien


Daß er Mamachen wecken möchte. –

Du warst geboren reich;

Ich bin vom Ackerbaugeschlechte,

Darum ist ein Vergleich


Nie zwischen dir und mir zu machen.

Du singst dem Mann allein,

Bist groß, kannst über Fürsten lachen;

Ich darf so stolz nicht sein!


Doch dring' ich nicht auf Marmorstufen

An karger Fürsten Ohr:

Der König selber ließ mich rufen

Nach Sanssouci empor.


Ob er gleich nicht das Deutsche liebet;

Und was kann ich davor,

Daß Ferdinand mir Antwort gibet,

Der große Ferdinand!
[102]

So vielmal ihm mein Herz geschrieben

Von aller Habsucht rein:

Er muß bei hohen Heldentrieben

So stolz wie du nicht sein.


Sie hatte Göckingk und manchem wahre Freundschaft gezeigt. Ihr Stolz war bei Nantens Ausfall minder gekränkt als ihr überwallendes Herz, das Liebe vor allem bedurfte. Außer Nanten weiß ich keine wirklich ausgezeichnete Frau, die der Karschin nicht Liebe bezeigt hätte. Eine Frau v. Bandemer, v. Wallenrode, eine Demoiselle Baier, auch Phyllis geheißen, eine Frau Knappin traten mit Intriguen und Lügen gegen die harmlose Dichterin auf, deren Talent und Herzensgüte sie vielfach gemisbraucht hatten. Die Dichterin war unverbesserlich, sie fiel aus einer Schlinge in die andere, ihr Glaube blieb unerschüttert.

Ich muß ein Gleiches von mir sagen, nur daß die Karschin in einer bessern Zeit geboren war, wo die Frechheit nicht so trotzig ihr Haupt erhob und die Lüge nicht so verwegen war.

Die Karschin blieb in ihrem Innern ungetrübt, wenn sie neue Erfahrungen von der Verderbtheit anderer machte. Konnte sie sich doch damit trösten, daß sie Freundinnen und Freunde aus der Elite der Menschheit hatte. Ueber einen tiefen Blick in ein frisches Menschenherz vergaß sie alles Störende, was sie ehemals gekränkt.

Die Schmähsüchtigen würden genesen, wenn sie zum rechten Arzt gingen, das thut selten einer von ihnen, denn niemand ist der Gottähnlichkeit entfernter als der Schmähsüchtige. Ein Mensch schmähsüchtigen Charakters ist der Lüge ergeben; nie schweigt die innere Stimme, welche ihm sagt, daß er sich selbst belügt; doch er sucht sie zu übertäuben. Die Selbsttäuschung ist eine der gefährlichsten[103] Waffen im Arsenal der Hölle. Kein Bösewicht ist so bös als er handelt, denn jeder besteht durch Scheingründe vor der Selbstprüfung; es hätte wol sonst nie in Paris eine Schreckenszeit gegeben. Sie ist wieder da, nur in einer andern Gestalt! – Wer, ach! wer von uns wird sie enden sehen?

Die Karschin wurde, ohne darum nachgesucht zu haben, zum Ehrenmitglied der Akademie von Helmstädt erwählt. Der geistvolle Verehrer der Wissenschaften und Künste, Graf von der Lühe, zeigte ihr diese Ernennung in einem schönen Briefe an. Sie war vielleicht die erste Deutsche, der eine solche Auszeichnung widerfuhr.

Beim Markgrafen von Schwedt feierte sie herzerhebende Stunden, in einem auserwählten Kreise, wo sie ganz in der Stille war. Auch sah sie die ausgezeichnetsten Mitglieder des königlichen Theaters, Döbbelin, Koch, die junge Großmann, Unzelmann, Hänisch, Madame Nouseul die herrliche Tragikerin, den großen Schauspieler Brockmann nicht zu vergessen. Das Theater war ihre liebste Erquickung: sie versäumte es nicht, wenn sie auch nur eine Stunde darin zubringen konnte. Dort traf sie auch immer geistvolle Männer und Frauen, die sich bemühten in ihrer Nähe Platz zu finden; unter ihnen Ramler, den sie beinahe jeden Abend dort antraf. Sein Gespräch war lehrreich für sie, ohne organisch auf ihren Geist zu wirken; denn er saß auf einem Thronsessel von Pappe, mit Gold ausgeschmückt, während sie, eine schmetternde Lerche, hoch in Lüften schwebte. Er suchte sich bemerkbar zu machen, sie hätte unsichtbar bleiben mögen. Unbewußt war er ihr Neider, verkleinerte sie auch zuweilen. Es gibt noch heut solche Feinde der weiblichen Poesie, die auch geheime Feinde der männlichen sind, sich aber an keinen berühmten Mann wagen, weil es nicht ungestraft[104] bliebe. So z.B. erging es Goethe, als er der Kranke Löwe war, und noch ärger dem Verstorbenen. Der Neid ist eine eigentliche ergötzliche Krankheit. Jeder Neider ist ziemlich blödsinnig, man würde nur über ihn lachen, wenn er keinen nachlallenden Anhang hätte. Ich habe von Männern gewußt, die man vergaß sobald sie im Sarge waren, deren Misgunst und Verkleinerungssucht dennoch nach ihrem Tode gegen die Karschin fortwirkten. Einer derselben ließ drucken, »daß die Karschin kein Talent gehabt«. Es war übrigens ein gemüthlicher Mann, dem man über sein Talent keinen Vorwurf machen konnte, und man würde es schwerlich bei Laternen- oder Fackelschein herausgefunden haben. Es gab und gibt noch viel seines Gleichen, dieser Hofrath Reinhard fand Nachlaller genug! Die Karschin lächelte zu Ausfällen, sie erkannte ihren Werth und die Nichtigkeit ihrer Verfolger. Es ist beinah leichter jemand vom goldenen Thron zu stoßen, als vom papiernen; denn dieser baut sich aus sich selbst wieder auf. Noch heute blüht der unvergeßliche Name Karschin im Andenken der Nachkommen, denn ihre Originalität, ihre Gemüthlichkeit, ihre glückliche Gabe in der Improvisation erwarben ihr nicht minder Bewunderer, als ihre kräftigsten und geschätztesten Lieder. Einer ihrer heftigsten und rohesten Gegner war der bekannte Burgmann; er hatte ihr früher gehuldigt und nach einigen Jahren gesucht sie zu verkleinern. Wenn man den Mann auf die Folter gelegt hätte, er würde nicht haben sagen können, warum er sie haßte; denn sie beleidigte kein Kind. Als dieser Burmann in bodenloses Elend gerathen war, ging die gute Karschin für ihn collectiren; sie brachte funfzig Thaler zusammen, die ihm anonym geschickt wurden. Er freute sich sehr, und fing damit an sich Hemden und Strümpfe zu kaufen; allein es sagte ihm jemand, um[105] den Werth der Gabe zu erhöhen, daß die Karschin sie für ihn gesammelt. »Oho, die Karschin!« rief er aus, »die will ich anführen!« Er lief stracks zu einem Conditor und vernaschte in Leckereien das ganze Geld, um seine Feindin zu kränken.

Nie wurde ihr Gemüth von der niedrigen Gier beherrscht Geld aufzuhäufen, ja man hätte vermeinen können, daß es ihr lästig war, wenn sie Geld hatte. Einen Zug von ihrem dankbaren Herzen kann ich hier nicht unerwähnt lassen. In den Tagen ihres Elends hatte ihr einmal ein guter armer Bürger in Schwiebus zwei Brote geschenkt. Als es ihr gut ging, darbte sie sich funfzig Thaler ab und schickte sie ihm. Alle Bitten fanden bei ihr ein offenes Ohr und eine volle Hand.

Sie beschrieb ihren Lebenslauf in folgenden Versen, unter dem Namen »Belloisens Lebenslauf«:


Ich ward geboren ohne feierliche Bitte

Des Kirchspiels, ohne Priesterflehn

Hab' ich in strohbedeckter Hütte

Das erste Tageslicht gesehn,


Wuchs unter Lämmerchen und Tauben

Und Ziegen, bis ins fünfte Jahr,

Und lernt' an einen Schöpfer glauben,

Weil's Morgenroth so lieblich war.


So grün der Wald, so bunt die Wiesen,

So klar und silberhell der Bach,

Die Lerche sang für Belloisen

Und Belloise sang ihr nach.


Die Nachtigall in Elsensträuchen

Erhub ihr süßes Lied, und ich

Wünscht' ihr im Tone schon zu gleichen, –

Hier fand ein alter Vetter mich
[106]

Und sagte: du sollst mit mir gehen!

Ich ging, und lernte bald bei ihm

Die Bücher lesen und verstehen,

Die unsern Sinn zum Himmel ziehn.


Vier Sommer und vier Winter flogen

Zu sehr beflügelt uns vorbei.

Des Vetters Arm ward ich entzogen

Zu einer Bruderwiege neu.


Als ich den Bruder groß getragen,

Trieb ich drei Rinder auf die Flur;

Und pries in meinen Hirtentagen,

Vergnügt die Schönheit der Natur.


Ward früh ins Ehejoch gespannet,

Trug's zwei mal nacheinander schwer;

Und hätte mich wol nicht ermannet,

Wenn's nicht den Musen eigen wär',


Im Unglück und in bittern Stunden

Dem beizustehn, der ihre Huld

Vor der Geburt schon hat empfunden,

Sie gaben mir Muth und Geduld.


Und lehreten mich Lieder dichten;

Mit kleinen Kindern auf dem Schos,

Bei Weib- und Magd- und Mutterpflichten,

Bei manchem Kummer schwer und groß,


Sang ich den König und die Schlachten,

Die ihm und seiner Heldenschar

Unsterblich grüne Kränze brachten,

Und hatte noch manch saures Jahr,

Eh frei von andrer Pflichten Drang

Mir Tage wurden zu Gesang.


Die Karschin sorgte nicht für den andern Morgen. Ich erinnere mich noch, daß ich eines Tags meine Mutter um einen Winterhut bat; sie gab mir einen Wink, die Großmutter darum zu bitten, die eben am Schreibtisch[107] saß; sie sah mich mit ihrer herzigen Freundlichkeit an, und fragte: »Wie viel brauchst du, Mienchen?« – »Einen Thaler zehn Groschen!« war meine Antwort. Sie blickte mich wehmüthig an, zählte die verlangte Summe ab, und lächelte freundlich, als sie mir sie gab. Im Schreibzeug war kein Groschen übriggeblieben und am andern Tage kein Geld zur Ausgabe.

Es freut mich dem Namen der Karschin einen andern ewigtheuern, den eines Gesinnungsverwandten, eines Freiherrn von Kottwitz hinzuzufügen, der ebenso handelte; es war ein Verwandter unsers Wohlthäters Kottwitz. Er gab, wenn ein Bedürftiger kam, alles her, was er eben besaß. Wenn man ihm Vorstellungen darüber machte, rief er aus: »Gott wird weiter sorgen!« Und seine Zuversicht hat ihn nie getäuscht. Diesen Freiherrn von Kottwitz hörte ich in den Jahren 1816–18 sehr herzlich preisen. Ich kann mich nur noch erinnern, daß man seiner Milde mehre wohlthätige Stiftungen und Linderung vielen Elends verdankt.

Auch Daniel Chodowiecki war ein aufopfernder Menschenfreund und dabei von heiterm sinnigen Humor. Er erholte sich von seiner angestrengten Arbeit durch eine Fülle launiger Entwürfe, die er zum Theil ziemlich geheim hielt, sowol die harmlos lustigen als die spöttischen. Ich erinnere mich einer Skizze von ihm, auf der man den leibhaften Ramler erblickte, wie er, ein Rasirmesser in den Händen, vor Kleist niederkniete, seine Nase gepackt hielt und bereits das Messer an sein Kinn setzte. Die Unterschrift hieß: »Wenn er doch die Todten ungeschoren ließ!« Ramler hatte eben Kleist's Gedichte von ihm umgeändert herausgegeben, und so war dies Blatt war bald in allen Händen. Eine sehr humoristische Darstellung kam heraus, als die schönen Berlinerinnen[108] angehalten wurden, ihre Hündchen am Bande zu führen. Ein Blatt aus früherer Zeit, eine Marktschreierbühne, zeigte den Hofschauspieldirector Döbbelin, durch ein Pflaster am Auge zwar entstellt, aber unverkennbar, höchst ergötzlich für alle Beschauer, selbst für die, welche die vielen Anspielungen nicht verstanden, die es enthielt. Während Chodowiecki an seinem großen Fenster seine bestellten Gruppen ätzte, zeichnete er mit Blitzesschnelle die Vorübergehenden auf den Rand der Blätter. Der Kunstwerth dieser Zeichnungen bestand in kräftiger frischer Auffassung und lebensvoller Darstellung. Er beschenkte mit solchen Blättern seine Freunde.

Auch der Karschin pflegte er einen Abdruck seiner Arbeiten zu schenken. Unter diesen befand sich ein lebensvolles Familiengemälde voll Wahrheit und Natürlichkeit, und anspruchslos wie alle seine Gruppen. Es stellte den Künstler in der Arbeit begriffen, umgeben von der Gattin und den Kindern, vor; in der damaligen zierlichen Rococotracht, die den Aeltermüttern, versteht sich den jungen, so wohl stand und auch allen Matronen gefiel. Zu Chodowiecki's gelungensten Darstellungen gehören seine Theaterscenen, sein »Brockmann als Hamlet«; »Fräulein Döbbelin als Ophelia« athmete Shakspeare's Geist. Groß war die Wirkung seines berühmten Bildes, des »Lebewohl von Jean Calas an seine Familie«; selbst die letzten Abdrücke wurden gesucht, kaum waren die Umrisse noch kenntlich. Stoff und Darstellung wirkten mächtig. Unter den neuern Malern scheint mir Wilhelm Kaulbach in seinen mehr humoristischen Darstellungen Verwandtschaft mit Chodowiecki zu haben. Ein Meister wie Kaulbach bewährt seinen Genius auch im Kleinen.[109]

Die Karschin wurde oft gemalt und gestochen, aber selten getroffen. Man wollte sie verschönern, und nahm dadurch ihren Zügen und dem Ausdrucke Wahrheit und Eigenthümlichkeit. Wenn mich mein Gedächtniß nicht täuscht, so haben Oeser, Rode, Tischbein, Graff und andere vortreffliche Künstler sie gemalt, ehe sie sehr veraltete, wenigstens erinnere ich mich, daß ich sie begleitete, wenn ihr Bild gemacht wurde. Das gelungenste der Gemälde, zu denen sie gesessen, soll vom Hofmaler Körer aus Hallenstadt sein; ich habe es malen sehen.

Sie vermachte es meinem Bruder. Meine Schwägerin rollte es bei der Flucht von Königsberg zusammen, und steckte es in den Wagenkorb, wo es verloren ging. Mein Bruder befand sich bei den Anstalten zur Flucht im Felde. Es ist vorauszusetzen, daß die Körer'sche Familie noch ein gleiches besitzt, und daß es der Nachwelt nicht verloren gegangen.[110]

1

Er pflegte auch zuweilen Verse zu machen.

2

Pastor Sturzel daselbst.

3

Dieses Bildniß ließ meine Großnichte, Bertha Borngraeber, Enkeltochter der Schwester der Karschin, auf welcher der Geist ihrer Abkunft ruht und deren Herz warm für das Andenken der verklärten Verwandten schlägt, auffrischen und schmücken, und umwand es selbst mit Immortellen.

4

Chodowiecki.

Quelle:
Chézy, Helmina von: Unvergessenes. Leipzig 1858, Band 1, S. 3-111.
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