Zu Fuße.

[163] Man nehme auf der Promenade nie eine stolze oder imponirende Haltung oder einen majestätischen Schritt an, wenn man nicht für einen Einfaltspinsel gehalten werden will.

Ein hüpfender, sowie überhaupt jeder auffallende Gang, ist ebenfalls zu vermeiden.

Nur Narren gesticuliren auf der Promenade heftig oder sprechen laut mit sich selbst.

Auch bei der Unterhaltung mit Andern muß man auffallende Bewegungen und lautes Sprechen vermeiden.

Auf der Promenade zu singen, oder schallendes Gelächter auszustoßen, ist ein Beweis der Gemeinheit und läßt auf Trunkenheit schließen.

Während des Gehens in einem Buche zu lesen, ist eine lächerliche Pedanterie.

Im Allgemeinen muß man auf der Promenade eben so, wie überall, die Forderungen des Anstandes und der Sitte streng beobachten.

Wenn man einer Dame den Arm reicht, so verlangt die Höflichkeit nicht gerade unbedingt, daß man ihren Sonnenschirm oder ihren Shawl trägt; will man sich aber galant beweisen, so thut man es.[163]

Man richte seinen Schritt nach dem der Dame, mit welcher man geht, auch wenn man sie nicht führt. Sie zu veranlassen, sehr schnell zu gehen, ist unpassend.

Muß man über einen Bach, eine Gosse etc. steigen, so biete man ihr die Hand, um ihr hinüber zu helfen. Will man aber nicht für einen Bauerntölpel gelten, so lasse man sich nicht einfallen, sie hinüber heben oder tragen zu wollen.

Nur bei den untersten Ständen sieht man es, daß eine Dame zwei Herren – einem rechts und einem links – den Arm giebt.

Den Damen allein steht das Recht zu, die Entscheidung zu treffen, wohin die Promenade zu richten oder wann sie zu beendigen ist.

Sind bei einer Promenaden-Gesellschaft mehr Damen als Herren, so bieten diese den ältesten oder vornehmsten den Arm, dann den verheiratheten Frauen und erst zuletzt den jungen Mädchen. Die jüngsten derselben bleiben also ohne Führer.

Begegnet man auf der Promenade Bekannten oder Freunden mehrmals, so grüßt man sie nur bei der ersten Begegnung, dann aber nicht wieder.

Ein Herr kann zwar an jedem Arme eine Dame führen, indeß ist dieß möglichst zu vermeiden.

Die Dame, welche man führt, muß man auf eine liebenswürdige und ihr angenehme Weise zu unterhalten wissen.

Einem Greise pflegt nichts schmeichelhafter zu sein, als wenn eine junge Dame seinen Arm annimmt.

Es ist für eine junge Frau und selbst für ein junges Mädchen nicht unpassend, einen Greis um seinen Arm zu bitten.

Wenn auf einer Promenade nicht die hinlängliche Anzahl Sitzplätze vorhanden ist, so versteht es sich von selbst, daß die Herren stehen bleiben.

Eine Dame, welche ihren Sohn oder ihre Tochter sich setzen ließe, während es noch an Plätzen für andere[164] Damen fehlt, bewiese einen großen Mangel an Lebensart.

Auf einer gewöhnlichen öffentlichen Promenade sich zu setzen, ist nicht passend, selbst nicht für einen allein gehenden Herrn.

Es ist üblich, daß bei einer Promenade nur die Herren allein Alles und überall bezahlen.

Werden bei einer Promenade Bouquets zum Kaufe angeboten, so verlangt die Galanterie, daß jeder Herr wenigstens der Dame, die er führt, eines überreicht.

Wer sich bei den Müttern beliebt machen will, kauft den Kindern Näschereien oder Spielsachen, welche den Spazierengehenden angeboten werden.

Es ist ganz üblich, daß die Damen auf der Promenade von den Herren dergleichen kleine, aber oft ziemlich kostspielige Geschenke annehmen.

Wird man auf der Promenade von schlechtem Wetter überrascht, so ist es die Pflicht der Herren, ihre Damen so viel als möglich, zu schützen, namentlich vor Durchnässung, sollten sie selbst sich auch dadurch der Erkältung aussetzen. Ist es irgend zu machen, so müssen die Herren in einem solchen Falle Wagen herbeischaffen.

Man gehe Denen, mit welchen man einen Spaziergang macht, nicht voran. Bleiben sie aus irgend einer Ursache stehen, so halte man mit ihnen an.

In einer großen Gesellschaft ist es nicht passend, zu schnell voraus, oder zu langsam hinterher zu gehen, noch sich sonst auf irgend eine Weise von der Gesellschaft abzusondern.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 163-165.
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