Von der Nützlichkeit der Mode.

[114] Im Jahre 1850 sagte ein geistreicher Schriftsteller:

»Ungeachtet der politischen und himmlischen Unwetter zeigt sich die Mode täglich anmuthiger, geschmackvoller und eleganter. Sie setzt der Partei der Demagogen[114] einen Damm entgegen, indem sie luxuriöse Neuigkeiten schafft, und der Industrie und dem Handel Glück und Gedeihen, oder wenigstens den Schein desselben, verleiht. Schon der Winter war fruchtbarer an Lustbarkeiten und Vergnügungen und der Frühling verkündet sich unter der Escorte köstlicher Phantasieen.«

Und in der That verbirgt die Mode unter ihren Rosen einen ernsteren Sinn. Es ist der Luxus, welcher dem Handwerker, dem Arbeiter, zu leben giebt; man lerne daher die Regeln des guten Tones und man wird sich nützlich machen, indem man ein Vergnügen genießt. Ja, die Gesetze des guten Tones zu studiren, besonders aber sie zu befolgen, heißt, sich der Gesellschaft nützlich machen, indem man zugleich das eigene Leben verschönert. Jede glänzende Toilette verwandelt sich in einen Regen kleiner Geldstücke, der sich erquickend über hundert ärmliche Dachstübchen ausbreitet und den Arbeiterfamilien das tägliche Brod bringt.

Die Mode hat aber noch eine andere nützliche Seite, nämlich die Menschen in den Salons, auf den Bällen, bei den Festen zu vereinigen, wo sie sich gegenseitig ihren Geist, ihr Benehmen, ihre Lebensart mittheilen; wo Der, welcher sich für den Vollkommensten hält, immer noch etwas lernt, denn es ist dort Jemand, der eine noch feinere Lebensart, eine noch gefälligere gesellige Bildung besitzt, als der eingebildete König der Salons, und dieser Jemand ist die Welt.

Die Mode ist daher keineswegs so frivol, als man dieß gewöhnlich glaubt; vielmehr kann man wohl erkennen, daß es nichts Ernsteres giebt, als die Mode, wenn sie sich mit der Philosophie befaßt. Man glaube daher nicht, gleich Themistokles, die Mode sei ein überflüssiges Spielwerk; denn was sollte aus der Industrie werden, wenn nicht die Mode wäre, welche durch ihren beständigen Wechsel den Künsten Nahrung verleiht?

Der Verkehr zwischen den verschiedenen Völkern, welcher durch die Schnelligkeit gesteigert wurde, mit der man[115] sich jetzt aus einem Lande in das andere begeben kann, hat die gute Lebensart zum Universal-Gut gemacht. Bei allen Völkern Europa's werden die gebildeten Classen bald auf der gleichen Stufe des Luxus stehen, und der gute Ton, die feine Lebensart, wird bei ihnen gleichmäßig herrschen.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 114-116.
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