27) Der Blaustrumpf.

[97] Mit dem Namen »Blaustrumpf« – einem Spottnamen, der so ziemlich in alle civilisirte Sprachen aufgenommen worden ist, bezeichnet man bekanntlich gelehrte oder gelehrt sein wollende Damen.

Die Rolle eines Blaustrumpfs ist die schlimmste, welche eine übrigens achtungswerthe Frau in der Welt spielen kann – vorausgesetzt, daß sie Aufnahme in derselben findet, was nicht immer der Fall ist, da man in der Regel eine große Scheu vor den Blaustrümpfen hegt.

Der Blaustrumpf ist eine Art Hermaphrodit, der von der Frau nichts behalten hat, als die Fehler, und der von dem Manne nichts annahm, als literarische Aufgeblasenheit neben lächerlichen und zuweilen sehr schlechten Angewohnheiten.

Die Frau, welche ein wahres und großes Talent besitzt, verliert den Namen Blaustrumpf, um den einer Schriftstellerin oder einer Gelehrten anzunehmen.[97]

Bei diesen findet kein Zwitterzustand, sondern eine Metamorphose Statt. Sie ist eine Frau, deren Geist und Talent sie zum Manne machte.

Dessenungeachtet ist es für eine Frau ehrenvoller, in der Welt die Rolle einer guten Familienmutter und Hausfrau, als die einer Schriftstellerin, zu spielen. Diese letztere ist und bleibt mit den seltensten Ausnahmen ein Widerspruch in der Natur.

Die achtungswertheste Frau ist nach einem alten, allbekannten Spruche die, von welcher man am Wenigsten spricht; und die vollkommenste, setzen wir hinzu, die, von welcher niemals gesprochen wird.

Eine schriftstellernde Frau setzt sich allzu oft über die Vorurtheile weg. Um eine Philosophie zu zeigen, die sie nicht besitzt, stellt sie sich zuweilen schlechter dar, als sie in der That ist.

Der Mann muß sich über die Vorurtheile erheben, die Frau aber muß sich ihnen unterwerfen.

Nichts ist so selten, als eine gelehrte Frau, und dennoch machen alle Blaustrümpfe Anspruch darauf, es zu sein.

Es giebt mehr Blaustrümpfe aus Eitelkeit, als aus eigener Ueberzeugung von ihrem Talent.

Die unverstandene Frau hat den nächsten Anspruch darauf, ein Blaustrumpf zu werden.

Der Blaustrumpf ist in der Regel eine beklagenswerthe Frau, welcher die Eitelkeit den Kopf verdreht hat.

Der politische Blaustrumpf ist in unsern Zeiten die verächtlichste Gattung von allen.

Der politische Blaustrumpf ist wesentlich unmoralisch, neidisch, ruhmsüchtig, albern und ohne den Schatten von Urtheilsfähigkeit. Man stelle ihm eine Frage, welche man wolle, so darf man überzeugt sein, das er sie auf die lächerlichste Weise lösen wird.

Wenn eine Frau wahres Talent besitzt, so möge sie sich dessen mit dem alleinigen Gedanken erfreuen, daß es ihr bei der Erziehung ihrer Kinder nützlich sein wird.[98]

Unter allen Umständen aber muß die Frau bescheiden und anspruchslos bleiben und den Illusionen der Eigenliebe mißtrauen.

Wer die Welt beobachtet, wird finden, daß es die albernsten Frauen sind, welche die höchste Meinung von ihrem Geiste und ihrem Verdienste haben.

Wir müssen uns selbst mißtrauen, bis unser Verdienst wahrhaft durch aufrichtige Freunde anerkannt wird, die ein richtiges Urtheil besitzen und dabei kein Interesse haben, uns zu täuschen. Aber dergleichen Freunde sind sehr selten.

Hat eine Frau etwas vorgelesen und es heißt darauf: »Recht gut!« dann denken die Lobenden gewöhnlich: »Wie schlecht!« Lautet aber das Urtheil: »Nicht übel!« dann ist das Beste, das Manuscript sogleich in das Feuer zu werfen.

Glücklich, tausend Mal glücklich, ist die Frau, welche genug Verstand und Gefühl besitzt, um ihr Glück nicht außerhalb ihres Hauses und ihres Familienkreises zu suchen.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 97-99.
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