30) Der Geistreich-sein-wollende.

[101] Man hüte sich vor denen, welche ihren Geist, ihren Verstand, ihren Witz stets wollen glänzen lassen. Dergleichen Menschen sind im höchsten Grade langweilig, und zwar um so mehr, je unterhaltender, je angenehmere Gesellschafter sie zu sein glauben. Man sehe sich daher wohl vor, nicht selbst in diesen Fehler zu verfallen.[101]

Der Possenreißer, der Spaßmacher, kann einen Augenblick unterhalten; am Häufigsten aber lacht man über ihn und nicht über das, was er sagt.

In der Welt nimmt man zwar dann und wann einen Witz, ein Wortspiel, günstig auf, doch nie den Witz-und Wortspielmacher.

Der Witzmacher und sein langweiliges Gepäck werden nur noch in spießbürgerlichen Kreisen gelitten.

Soll man über einen Witz, ein Wortspiel, recht von Herzen lachen, so muß man meistens davon sagen können: »Gott, wie dumm!«

Die Bezeichnung, die man dem Witze giebt, ist gewöhnlich ein Brief an die Addresse seines Urhebers.

Will man daher ein Dummheits-Patent erlangen, so suche man etwas darin, geistreich oder witzig zu erscheinen.

Wer beständig nach Geist hascht, ist mehr als irgend ein Anderer der Gefahr ausgesetzt, eine Dummheit zu sagen.

Der geistreichste Mensch wird dumm, sobald er den Schönredner machen will.

Der Schönredner ist jederzeit ein Schwätzer, und der Verein dieser beiden Eigenschaften reicht hin, eine ganze Gesellschaft zu tödten.

Den meisten Geistreich-sein-wollenden mangelt es an Geist, allen am richtigen Urtheil.

Wenn man gefallen will, so spreche man einfach, sage aber liebenswürdige Dinge.

Die Gesellschaft weiset alle anspruchsvollen Menschen zurück, weil diese sie entweder verletzten oder langweilen.

Der Mensch, welcher das, was er sagt, selbst bewundert, wird selten auch von Andern bewundert.

Der Schönredner ist eine Variation des Pedanten, und ebenso langweilig wie dieser.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 101-102.
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