Die Ermordung des Grafen Komarowski vor dem Schwurgericht zu Venedig
Der Tarnowska-Prozeß

Häßliche Sittenbilder aus den hohen Gesellschaftskreisen sind in den letzten Jahren in den Sälen entrollt worden, in denen Frau Justitia mit Wage und Schwert ihres Amtes waltet. Die Prozesse der Damen Steinheil und Borowska in Paris, des Grafen Pfeil in Thorn, der Frau v. Schönebeck in Allenstein und nicht zuletzt der Prozeß, der im Frühjahr 1910 vor dem Schwurgericht der herrlichen Lagunenstadt geführt wurde, enthüllten einen solchen Abgrund von sittlicher Verworfenheit der hohen Gesellschaftskreise, daß man sich mit Betrübnis eingestehen muß, wir sind trotz unseres fortgeschrittenen Zeitalters von wahrer Kultur noch weit entfernt. Man darf nicht vergessen: es handelt sich hierbei um die Kreise, die auf den Höhen der Menschheit wandeln, die sich anmaßen, über Ausschreitungen in den niederen Volkskreisen sich zu entrüsten und die – ich habe speziell das Milieu der Gräfin Tarnowska im Auge – die Pogrome und die Judenverfolgungen überhaupt sowie die gewaltsame Unterdrückung aller Freiheitsbestrebungen in Rußland aus angeblichen sittlichen Gründen unterstützen und fördern. dern. Die erwähnten Prozesse haben bewiesen, daß in gewissen Kreisen der sogenannten hohen Gesellschaft eine Fäulnis herrscht, von der sich der gesittete Mensch mit Ekel und Abscheu abwenden muß. Leider ist der Chronist, zu dessen Aufgabe es gehört, Zeitgeschichte zu schreiben, trotz allen Widerwillens, nicht in der Lage, stillschweigend an derartigen Zeitereignissen vorüberzugehen. Der Prozeß gegen die Gräfin Tarnowska und ihre Werkzeuge, der im Frühjahr 1910 fast volle drei Monate das Schwurgericht in[9] Venedig beschäftigte, bietet ganz besonders für den Psychologen das größte Interesse. Wohl noch niemals hatte sich vor den Schranken eines Gerichtshofes ein Weib zu verantworten, ein Weib der höchsten Gesellschaftskreise, dessen Wiege in einem feenhaften Schlosse gestanden, das in üppigstem Luxus und Wohlhabenheit erzogen, dessen Taten aber so entsetzlich waren, daß sich Tinte und Feder sträuben, sie niederzuschreiben. Der ergrauteste Kriminalist hat wohl kaum jemals in eine so schwarze Seele gesehen. Spielte sie doch mit Menschenleben geradezu Fangeball, nur um ihrer Laune Befriedigung zu verschaffen. Keine Spur von Reue war, selbst während der dramatischsten Szenen im Gerichtssaal, in den Gesichtszügen dieses weiblichen Wesens zu entdecken, dessen geradezu entzückende Schönheit fast das Tribunal ins Wanken gebracht hätte. Im Laufe der langen Verhandlung handlung äußerte plötzlich ein Geschworener: Sein Gewissen zwinge ihn, sich selbst für befangen zu erklären. Er könne nicht ferner seines Richteramtes mit der Unparteilichkeit walten, die er eidlich gelobt habe, denn er habe sich in die Angeklagte – sterblich verliebt. Der Gerichtshof sah sich infolgedessen genötigt – ein wohl noch niemals dagewesener Fall – den verliebten Geschworenen von seinem Richteramte zu entbinden und einen Ersatzgeschworenen zu ersuchen, in die Reihe der ordentlichen Geschworenen einzutreten. Die Hauptangeklagte, deren Schönheit und Anmut geradezu bezaubernd wirkte, war am 16. Juni 1877 als Tochter des russischen Adelsmarschalls, Grafen O. Rusk in der Nähe von Kiew im väterlichen Schlosse geboren. Sie genoß selbstverständlich die sorgfältigste Erziehung. Kaum 15 Jahre alt, kam sie in ein feines Pensionat, in das nur Töchter des russischen Hochadels aufgenommen werden. Als sie 16 Lenze zählte, war sie eine blendende Schönheit. Ein junger Kosakenoffizier, Graf Tarnowski, verliebte sich sterblich in das auffallend schöne, anmutige Mädchen und hielt um seine Hand an. Der Adelsmarschall wies den Kosakenoffizier ab. Er hielt einmal die Tochter noch für zu jung zum Heiraten, andererseits hatte er mit seiner schönen Tochter, auf die er nicht wenig stolz war, ganz andere Pläne. Graf Tarnowski zählte[10] nämlich nicht zu dem russischen Hochadel. adel. Der alte Adelsmarschall wollte einen Fürsten zum Schwiegersohn haben. Allein die junge, schöne Komtesse dachte anders. Sie ließ sich von dem hübschen Kosakenoffizier entführen und sich mit ihm heimlich trauen. Trotzdem war die Ehe nicht glücklich. Die schöne Komtesse bezauberte unterschiedslos alle Männer, mit denen sie in Berührung kam. Kurze Zeit nach ihrer Hochzeit nahm sich ihr Schwager, Graf Peter Tarnowski, fast noch ein Knabe, das Leben. Man munkelte, sie habe den auffallend schönen jungen Mann, der sich sterblich in seine Schwägerin verliebt hatte, in den Tod getrieben. Ihr Gatte, Graf Wassil Wassilewitsch Tarnowski, duellierte sich in Cannes mit ihrem ersten Liebhaber, dem Grafen Tolstoi. Sie hatte von dem Duell Kenntnis und verlangte, mit dabei zu sein. Hinter einem Busch versteckt, folgte sie dem »interessanten Schauspiel«. Wer wird siegen, der Liebhaber oder der Gatte? Jedoch die holde Gattin fühlte sich enttäuscht. Der Zweikampf verlief unblutig. Sie glaubte, der Erdboden würde sich mit Blut färben. Da das aber nicht geschah, so schien ihr die Wirklichkeit grau, farblos, langweilig. Sie hatte sich das alles »viel amüsanter« vorgestellt.

Die berückende Schönheit fand immer mehr Anbeter. Ein junger Baron v. Stahl schoß sich eine Kugel durch den Kopf, weil die schöne Frau seinen Gruß verschmähte. Der letzte Wunsch des verliebten Barons rons war: seine Angebetete möge noch einmal mit ihrer Karosse vor seinem Schlosse vorüberrollen. Diesen Herzenswunsch konnte ihm aber die schöne Gräfin nicht mehr erfüllen. Sie war zu sehr beschäftigt. Die Zahl ihrer Verehrer wuchs förmlich unter ihren Händen. Sie eilte von Gesellschaft zu Gesellschaft, von Fest zu Fest, um eisig kühl die bewundernden Blicke aufzufangen, die ihr und nur ihr galten. Zu ihren Anbetern zählte ein junger Rittergutsbesitzer, Graf Stephan Borgewski. Er, fand Gehör. Sie folgte ihm zu einem verschwiegenen Souper. Der Gatte erhielt Kunde davon, er stellte den Nebenbuhler zur Rede. Letzterer leugnete. Allein Graf Tarnowski hatte Mißtrauen. Er hatte viele erregte Szenen mit seiner schönen Frau. Unter heftigem Weinen bat er seine Frau kniefällig, dem[11] Grafen Borgewski nicht Gehör zu schenken. Als das gräflich Tarnowskische Ehepaar im Sommer auf seine ländlichen Besitzungen übersiedelte, verbot Graf Wassili Tarnowski seiner Frau, den Grafen Borgewski einzuladen. Graf Tarnowski fuhr aber eines Tages in Geschäftsangelegenheiten nach Kiew. Da erhielt er eine Depesche, in der ihm mitgeteilt wurde, seine Frau habe dem Grafen Borgewski mit einer Pistole die Hand zerschmettert. Graf Tarnowski eilte, begleitet von einem Chirurgen, nach Hause. Er machte seiner Frau eine heftige Szene. Die Frau erzählte das dem Grafen Borgewski. Dieser lud Tarnowski zu einer Besprechung in einem separaten Zimmer im Grand Hotel zu Kiew ein. Dort erklärte Borgewski dem Tarnowski: er sei in seine Frau wahnsinnig verliebt. Plötzlich zog Graf Borgewski einen Revolver aus der Tasche und sagte: »Ihre Frau muß mir gehören, oder ich schieße Sie jetzt nieder und erschieße dann mich selbst!« Borgewski schlug ein Pistolenduell vor, auf zwei oder drei Schritte, »denn«, sagte er, »ich will Ihre Frau und Ihre Kinder von einem solchen Gatten und Vater befreien!« Dieser dramatischen Szene hatte auch der bereits erwähnte Hauptmann Baron Wladimir Stahl, ein intimer Freund Borgewskis, im selben Zimmer, hinter einem Vorhange versteckt, beigewohnt. Tarnowski war sehr erregt und wollte sich auf jeden Fall schlagen, aber Stahl, der schon selbst in die Tarnowska verliebt war und sie nicht dem Borgewski überlassen wollte, legte sich ins Mittel und verhinderte das Duell. Den Bemühungen Stahls gelang es auch, eine Versöhnung zwischen Tarnowski und Borgewski herbeizuführen. Sie wurde mit einem Diner im Grand-Hotel gefeiert. Bei dieser Gelegenheit kam es aber zur Katastrophe. Tarnowski hatte erfahren, daß seine Frau mit dem Borgewski neuerlich Zusammenkünfte hatte. Den Bitten Stahls nachgebend, ging er zum Versöhnungsmahle mit dem Vorsatze, der Komödie ein tragisches Ende zu bereiten. Das Diner verlief ganz heiter und endete um 1 Uhr nachts. Borgewski half der Tarnowska beim Anziehen des Pelzes; ein Kellner ließ eine »Troika« vorfahren. Borgewski geleitete die Tarnowska zum Wagen. Während er dies tat, bückte[12] er sich, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Tarnowski, welcher ihnen folgte, erklärte, Borgewski habe seiner Frau einen Kuß gegeben; wie wahnsinnig zog er seinen Revolver und schoß den Borgewski durch den Kopf. Dann stellte er sich sofort der Polizei. Borgewski, schwer verwundet, wurde ins Hotel zurückgetragen. Die Tarnowska folgte ihm und blieb an seinem Bett. Als Borgewski wieder zu sich kam, flüsterte er ihr in französischer Sprache zu: »N'importe pas, je suis heureux, je t'aime.« (»Tut nichts, ich bin glücklich, ich liebe dich!«)

Sie aber erwiderte: »Ne me tutoyez pas, on peut vous entendre.« (»Duzen Sie mich nicht, man kann Sie hören!«) Erst am Morgen kehrte die Tarnowska nach Hause zurück. Als sie dort erfuhr, daß ihr Mann verhaftet worden war, brach sie in lautes Lachen aus und rief: »Nun gut, so werden sie ihn endlich nach Sibirien schicken.« Borgewski erlag nach kurzer Zeit seiner Verwundung. Tarnowski wurde wegen Mordes angeklagt, vom Schwurgericht zu Kiew jedoch freigesprochen. Nach seiner Freilassung ließ er sich von seiner Frau scheiden. Allein derartige Vorgänge hatten auf die Gemütsbewegung der bezaubernd schönen Gräfin nicht den mindesten Einfluß. Obwohl sie ihrem geschiedenen Gatten einen Sohn und eine Tochter geboren hatte, war sie im Highlife von Rußland, Frankreich und Österreich die unbeschränkte Heldin des Tages. Ihrer bezaubernden Schönheit und Anmut konnte kein Männerherz widerstehen. Was machte es ihr aus, daß ihr angetrauter Gatte, der Vater ihrer Kinder ihrer ehelichen Untreue wegen ins Gefängnis wanderte, wegen Mordes vor die Geschworenen gestellt und womöglich hingerichtet wurde. Was kümmerte sie der von ihrem Gatten durch ihre Schuld in den Kopf geschossene junge Graf Borgewski, der frühzeitig unter heftigsten Schmerzen sterben mußte? Was bedeutete für sie die von ihrem Manne betriebene Ehescheidung? Kleine amüsante Abwechslungen. Das Leben wäre ja zu eintönig und langweilig ohne solche Vorkommnisse. Sie hatte ja auch Anbeter in Hülle und Fülle. Eheliche und Mutterpflichten sind für das niedere Volk, aber nicht für die Crême der Gesellschaft. Welch tolle Nacht, als ihr Gatte den unglücklichen Grafen Borgewski[13] niederknallte! Man trat aus einem vornehmen Hotel. Man hatte gelacht und gesungen. Die prickelnden Klänge eines lustigen Walzers waren kaum verklungen. Auf dem Boden des Festsaals welkten zertretene Blumen. Aus umgestoßenen Gläsern floß der Champagner. Und draußen lag ein junger Mann, dessen Herzblut große, rote Flecke in den bleichen Schnee zeichnete. Es gefiel der schönen Gräfin, die Leidenschaften der Männer gegeneinander zu peitschen. Ihre Phantasie erfand wilde Kämpfe mit Strömen von Blut. Ihr Leben schien verschleiert von Pulverdampf. Ihre Liebhaber waren Gladiatoren. Sie mußten stets bereit sein, zu sterben. Sie spielte mit den Menschen, und kehrte ihnen verächtlich den Rücken, sobald sie ihren Inhalt erraten hatte. Sie wollte erproben, wieweit ihre Macht reichte. Sie riß die Menschen aus ihrem Gleichgewicht. Sie brach die Kraft der Ungestümen und entflammte das Blut der Schüchternen und Zaghaften. Ihre Liebe war anspruchsvoll. Die sie gewinnen wollten, mußten auf jeden eigenen Willen verzichten; sie mußten die stummen Vollstrecker ihrer kaum eingestandenen Wünsche sein. Ihre Liebe verlangte, daß man ihr opfere. Die schöne Circe, von der uns Homer erzählt. war von der schönen Gräfin Tarnowska weit in den Schatten gestellt. Sie begnügte sich nicht mit demütigen Beteuerungen, mit lauten Schwüren, sie bestand auf Taten. Man mußte stehlen und betrügen um ihretwillen, das war die Probe. Als sie kaum 14 Jahre alt war, engagierte der Vater für sie und ihre Schwester eine Pariser Bonne. Die Eltern wohnten zur Zeit in Kiew. Oftmals, wenn die Eltern längst schliefen, verschwand die Bonne, mit ihren beiden Schützlingen durch eine Hintertür. Das Dienstpersonal, das mit einigen Rubeln beln abgefunden wurde, beobachtete strengstes Stillschweigen. Die ersten Sonnenstrahlen drangen bisweilen schon ins Schlafzimmer, wenn die Bonne mit den beiden Mädchen heimkehrte. Wo die Damen die Nacht verlebt hatten, wurde nicht bekannt. Aber eines Tages wurde der alte Adelsmarschall durch ein anonymes Schreiben benachrichtigt, daß die in seinen Diensten stehende Pariser Bonne eine – berüchtigte Pariser Kokotte sei.

Als Baron Stahl[14] noch der bevorzugte Anbeter der verführerischen Gräfin war, besuchte sie mit diesem eines Abends in Kiew ein Café chantant, das aus Anlaß der kostspieligen. Exzesse, die dort stattfanden, berüchtigt war. Baron Stahl und die Gräfin saßen in einer Loge. Sehr bald gesellten sich mehrere Freunde zu dem Paar. Die Gesellschaft begab sich in eine Chambre separée. Dort floß der Sekt sehr bald in Strömen. Die Tarnowska, in elegantester Toilette, tat es im Trinken allen zuvor. Plötzlich erhob sie sich und begann Gedichte zu deklamieren. Es waren melancholische Verse des schwindsüchtigen Dichters Nadson. Dann brach sie ab und sang ein heiteres Lied. Schließlich sprang sie auf den Tisch und tanzte abwechselnd russische Volkstänze und Kankan, wobei sie sich überaus geschickt zwischen den Gläsern und Flaschen bewegte, ohne sie umzustoßen. Dann sang man Chorlieder unter ihrer Leitung, bis sie auf das Klavier stieg und wieder wie toll zu tanzen begann, wobei sie die »Kamarynskaja« sang. Schließlich eröffnete sie einen regelrechten Flirt mit dem schönsten der Gäste. Baron Stahl machte ihr erregte Vorwürfe, die sie nur zu weiteren – Ungezwungenheiten anstachelten. Schließlich setzte sie sich auf die Knie des anderen. Stahl zog einen Revolver hervor; bevor er jedoch abdrückte, fiel er ohnmächtig zu Boden. Es war dies eine chronische Krankheit, eine Folge stetiger Nervenüberreizung. Man mußte ihm Schläfen und Hände stark reiben. Kaum schlug er die Augen auf, da rief er: »Mania!« Die schöne »Mania« sang noch immer lustige Lieder. Ein neuer Eifersuchtsanfall Stahls und eine neuerliche Ohnmacht. Da sagte die Tarnowska: »Gehen wir!« Man ließ Stahl im Kabarett, während seine Angebetete mit ihrem neuen Verehrer verschwand. Tags darauf sah man Baron Stahl und Gräfin Tarnowska, elegant und heiter, in einem Wagen dahinrollen – als ob nichts zwischen ihnen vorgefallen wäre. Für ihren Ehescheidungsprozeß brauchte die Gräfin einen Advokaten. In Moskau lebte der junge, hübsche Advokat Prilukow, ein Mann von großem juristischem Scharfsinn. Er erfreute sich in juristischen und Laienkreisen eines großen Ansehens und war in allen Schichten der Bevölkerung[15] ungemein beliebt. Seine Praxis brachte ihm eine jährliche Einnahme von 25 bis 30000 Rubel. Advokat vokat Prilukow besaß trotz seiner jungen Jahre eine hinreißende forensische Beredsamkeit. Sein Fleiß kannte keine Grenzen. Er arbeitete von des Morgens 8 bis nachts 2 Uhr fast ununterbrochen. Er war verheiratet und nannte eine liebreizende junge Frau und zwei bildhübsche, muntere Kinder sein eigen. Das Familienleben des jungen Advokaten war ein selten glückliches. Da wollte es das Unglück, daß eines Tages die bezaubernd schöne Gräfin Tarnowska in das Bureau des Moskauer Rechtsanwalts trat. Von diesem Augenblicke ab war es um das Lebensglück der Familie Prilukow geschehen. Rechtsanwalt Prilukow war nicht nur der juristische Beistand der Gräfin, er wurde auch sofort ihr Liebhaber. Was scherte die Gräfin Fleiß, Ehre, Familienglück? Solche Dinge zu zerstören, war ja gerade ihr Fall. Es dauerte nur wenige Tage, und Rechtsanwalt Prilukow lag vollständig im Banne der schönen Gräfin. Er vergaß Frau und Kinder, vernachlässigte seine Praxis und lebte mit der Gräfin in Saus und Braus. Als dem Rechtsanwalt zu dem kostspieligen Leben die Gelder ausgingen und auch die Geldquellen seiner Angebeteten nicht mehr genügend reichlich flossen, vergriff er sich an den ihm anvertrauten Klientengeldern. Er wurde deshalb bestraft und mit Schimpf und Schande aus dem Rechtsanwaltsstande ausgeschlossen. Das war das eigentliche Ziel der Gräfin, denn nunmehr konnte sie den jungen, gen, geistreichen Rechtsanwalt vollständig in ihre Netze ziehen. Fortan war er der Ihrige. Was kümmerte sie es, daß Frau und Kinder des Rechtsanwaltes hungerten. Inzwischen hatte die schöne Gräfin den unermeßlich reichen Rittergutsbesitzer Grafen Komarowski kennengelernt. Selbstverständlich hatte sie das Herz des Grafen Komarowski im Sturm erobert. Ein Blick, ein Augenaufschlag der bezaubernden Schönheit genügte, um jedes Männerherz zu entflammen, ja in Raserei zu versetzen. Das Schicksal fügte es, daß dem reichen Grafen nach einiger Zeit die Frau starb. Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei, dachte der zum Witwer gewordene Graf. Er bot der geschiedenen Gräfin die Hand zum Ehebunde. Die Gräfin schlug ein. Der große Reichtum Komarowskis lockte. Die Ehe konnte ihrer Liebe ja keine Grenzen ziehen. Graf Komarowski hielt in seiner Einfalt die Liebesbeteuerungen und Liebesbezeugungen seiner entzückend schönen Braut für echt. Wahrend Graf Komarowski mit seiner Braut in Orel bei Kiew weilte, trug er kein Bedenken, der Gräfin den 22jährigen Studenten Naumow vorzustellen. Dieser, am 23. September 1884 als Sohn eines russischen Gouverneurs geboren, war ebenfalls von seltener Anmut und Schönheit. Er war außerdem ungemein geistreich, von stattlichem Wuchs und prächtigem Körperbau. Sein Augenaufschlag mußte jedes Mädchenherz gefangen nehmen. Das schöne, schwarze, wellenförmige Haar, der wundervolle Mund, der ein kerngesundes, lückenloses Gebiß schneeweißer Zähne barg, und das künstlerisch geformte Engelsgesicht, diese Eigenschaften verfehlten auf die schöne Gräfin ihre Wirkung nicht. Der modernen Sirene gelang es selbstverständlich, den bezaubernd schönen Jüngling sofort nicht nur in ihre Netze zu locken, sondern auch, sich ihn vollständig dienstbar zu machen. Naumow gestand der Gräfin schon nach wenigen Stunden, daß er Neigungen huldige, denen der bekannte französische Marquis de Sade bereits Ende des achtzehnten Jahrhunderts gefrönt hatte. Er bat sie, ihn mit einer Zigarette auf den entblößten Arm zu brennen. Er erzählte, daß er bereits seit seinem 16. Lebensjahre mit Frauen verkehre, er könne aber nur solche Frauen aufrichtig und dauernd lieben, die seinen eigentümlichen Neigungen gerecht werden. Er liebe es, gepeinigt zu werden. Die Gräfin, die in den hübschen jungen Mann bis über die Ohren verliebt war, denn er war ein Adonis vom Scheitel bis zur Zehe, verstand es, wie keine zweite, den Jüngling in einer Weise an sich zu fesseln, daß sie ihn geradezu sklavisch zu beherrschen vermochte. Naumow besaß aber trotz alledem keineswegs allein das Herz der schönen Gräfin, obwohl er felsenfest davon überzeugt war. Wie bereits erwähnt, war die Gräfin die »glückliche« Braut des reichen Grafen Komarowski. marowski. Sie hatte sich mit ihm verlobt, nachdem er sich bereit erklärt hatte, sie zur Universalerbin seines unermeßlichen[18] Vermögens zu machen und mit einer Lebensversicherungsgesellschaft einen Vertrag abzuschließen, wonach bei seinem Ableben ihr sofort die Versicherungssumme von einer Million Rubel zufallen solle. Graf Komarowski, der in die bezaubernd schöne Gräfin sterblich verliebt war und ihren Versicherungen, daß sie ihn allein liebe, vollen Glauben schenkte, willfahrte sogleich den Bitten der Gräfin. Welcher Mann wäre wohl auch imstande gewesen, der schönen Gräfin eine Bitte abzuschlagen, wenn er obendrein sofort mit heißen Küssen von dem allerliebsten Rosenmündchen belohnt wurde? Das Testament und die Versicherung wurden derartig abgeschlossen, daß die Gräfin das Geld bei einem etwaigen Ableben des Grafen noch im Brautstande sofort anstandslos ausgezahlt erhalten sollte. Nachdem diese Verträge geschlossen waren, sann das dämonische Weib darüber nach, in welcher Weise der Graf am schnellsten und unauffälligsten – beseitigt werden könnte. Sie beriet sich zunächst mit Prilukow. Dieser erklärte sich mit dem teuflischen Plan einverstanden. Wohl war dieser ehemalige Moskauer Rechtsanwalt von Stufe zu Stufe gesunken. Er hatte Ehre, Glück, Frau und Kinder diesem weiblichen Dämon geopfert. Er wußte, er könne sich die Liebe dieser Frau nur erhalten, halten, wenn er ihr vollständig gehorsam war. Allein – einen ihm fremden Mann zu »beseitigen«, seine Hände mit – Blut zu besudeln, diese Zumutung wies der ehemalige Rechtsanwalt mit Entschiedenheit zurück. Ein Fünkchen Ehre war ihm doch noch geblieben. Vor dem schrecklichsten Verbrechen, dem Morde, schreckte er doch zurück. Dann muß die Sache ein anderer besorgen, sagte sich die Gräfin. Wer war wohl leichter zur Ausführung eines Mordes zu bestimmen als der junge Naumow. Dieser leistete ihr längst in allen Dingen geradezu sklavischen Gehorsam. Ein Augenaufschlag der Gräfin, und Naumow war zu allem bereit. Aber ohne weiteres, so meinte Prilukow, wird sich Naumow nicht dazu entschließen, einen Mord zu begehen. Das leuchtete auch schließlich der Gräfin ein, zumal Graf Komarowski der gute Freund Naumows war. Die Gräfin und Prilukow veranlaßten die Absendung folgenden Telegramms: »Ihr Naumow[19] ist ein Nichtsnutz. Es tut mir leid um meine guten Absichten. Sie sind auch nicht viel wert. Komarowski.« Dieses an die Gräfin adressierte Telegramm zeigte letztere dem Naumow. Die Gräfin war ungemein erregt über das Telegramm und verlangte, daß Naumow ihr Genugtuung verschaffe. Dieser erklärte: er werde den Grafen fordern. Die Gräfin bemerkte ihm jedoch, daß ihr das nicht genüge, das Duell sei etwas Unsicheres, sie werde nicht eher ruhen, bis Graf Komarowski beseitigt sei. Wenn er, Naumow, nicht den Mut habe, ihre Ehre zu rächen, dann würden andere dazu bereit sein. Naumow hatte wohl der Gräfin am Grabe seiner Mutter geschworen, daß er sein ganzes Leben ihr weihe. Diesen Schwur mußte er am Grabe ihres früheren Geliebten, des Barons Stahl, der sich ihretwegen getötet hatte, wiederholen. Die Gräfin erzählte außerdem dem Naumow: Sie werde von dem Grafen Komarowski arg bedrängt. Sie werde schließlich den Grafen, den sie nicht ausstehen könne, heiraten müssen, wenn es ihr nicht bald gelingen sollte, ihn aus der Welt zu schaffen. Naumow stand wohl derartig im Bann der Gräfin, daß er bereit gewesen wäre, für sie zu sterben, allein er hatte noch soviel sittliches Gefühl, um sich nicht als Mörder dingen zu lassen. Die Gräfin hatte sich aber vorgenommen, ihren Willen durchzuführen. Sie hatte ja bereits mehrere Menschenleben auf dem Gewissen. Es ist nur ein Opfer mehr, dachte sie. Und wenn dieser Mann beseitigt ist, dann komme ich in den Besitz eines unermeßlichen Vermögens. Wozu bin ich die von der ganzen Männerwelt angebetete schöne Gräfin, der alle Männer zu Füßen liegen? So schwirrte es durch den Kopf der Gräfin. Sie wußte schließlich den willensschwachen jungen Naumow zu bewegen, mit ihr und Prilukow nach Wien zu fahren. Hier an den Ufern der schönen blauen Donau setzte sie ihre Suggestionskünste gestionskünste noch einmal in volle Tätigkeit. Und – es gelang ihr in der Tat, den jungen Studenten zu bewegen, ihr zuliebe zum Mörder zu werden. Naumow fuhr in Begleitung von Prilukow nach Venedig. Am 3. September 1907 traf er in Venedig ein. Er wartete bis Mitternacht vor dem Hause des Grafen Komarowski. Da er sich krank fühlte, begab[20] er sich schließlich in ein Hotel. Am nächsten Morgen ging er zu seinem Opfer ins Haus. Als der Graf ihn freundlich begrüßte, schoß er ihm, ohne ein Wort zu sagen, vier Revolverkugeln in den Leib. Der Graf rief: »Guter, Lieber, warum? Was habe ich dir getan?« Vier Tage später erlag der Graf den erlittenen Verletzungen. Naumow hat alsdann angeblich sich selbst erschießen wollen, er hatte aber den Mut nicht dazu gefunden. Er ist schließlich nach Verona entflohen und wurde dort verhaftet. Naumow legte sofort ein offenes, reumütiges Geständnis ab. Infolgedessen wurden sofort die schöne Gräfin Mura Tarnowska, der ehemalige Moskauer Rechtsanwalt Prilukow und die Zofe der Gräfin, Kammerfrau Perier, verhaftet. Der furchtbare Mord erregte begreiflicherweise in der ganzen Kulturwelt das größte Aufsehen und rief überall eine furchtbare Empörung hervor. Es wurde eine eingehende Untersuchung vorgenommen. Gegen Naumow wurde die Anklage wegen Mordes, gegen die Gräfin Tarnowska und Prilukow die Anklage wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zum Morde und gegen die Kammerfrau Perier wegen unterlassener Anzeige erhoben. Unter der größten Spannung Europas begann endlich am 4. März 1910 vor dem Schwurgericht zu Venedig die Verhandlung. Den Vorsitz führte Landesgerichtsrat Tusitano. Die Anklage wurde vom Staatsanwalt Randi vertreten. Die Verteidigung führten die Advokaten Bertaccioli, Driussa und Marigomta für Naumow, die Advokaten Suzzatti, Florian und Caratti für Prilukow, die Advokaten Diena, Vecchini und Gotti für die Gräfin Tarnowska, die Advokaten Jocchia, Albert Musatti und Elias Musatti für die Perier.

Die alte Mutter des ermordeten Grafen Komarowski hatte sich der Anklage als Nebenklägerin angeschlossen und mit ihrer Vertretung die Advokaten Feder und Carnelutti betraut. Eine Anzahl Ärzte war sowohl von der Anklagebehörde als auch von der Verteidigung als Sachverständige geladen. Der Andrang des Publikums zu dieser seltenen Gerichtsverhandlung war begreiflicherweise geradezu beängstigend. Ein ungeheurer Fremdenstrom hatte sich in die prächtige Lagunenstadt ergossen. Jeder wollte Zuhörer und Zuschauer dieses schaurigen forensischen[21] Dramas sein. Allein, da der Gerichtssaal verhältnismäßig klein war, und die aus der ganzen Welt in großer Zahl herbeigeeilten Zeitungsberichterstatter, denen vom Vorsitzenden das größte Entgegenkommen men bewiesen wurde, sehr viel Platz einnahmen, so konnte verhältnismäßig nur wenigen Personen aus dem Publikum der Zutritt gewährt werden. Im Mittelpunkt des Interesses stand selbstverständlich Gräfin Mura, genannt Mania Tarnowska. Sie war noch immer von berückender Schönheit. Sie wurde von einer Nonne und zwei Karabinieri in einer Gondel von der Guidecco ins Gerichtsgebäude geleitet. Ihr Gesicht bedeckte ein dichter Schleier. Die Frauenwelt betrachtete auch mit großem Interesse den schönen Naumow, über dessen bleiche Wangen unaufhörlich Tränen flossen. Auch der ehemalige berühmte Moskauer Rechtsanwalt erregte nicht geringes Interesse.

Nach erfolgter Auslosung der Geschworenen, die sehr lange Zeit in Anspruch nahm, wurde mit der Vernehmung des Naumow begonnen. Alle vier Angeklagten hatten während ihrer langen Haft so viel Italienisch gelernt, daß die Verhandlung ohne Dolmetscher geführt werden konnte. Naumow bemerkte auf Befragen des Vorsitzenden in fließendem Italienisch: Im August 1906 sei er als erster Sekretär beim Gouverneur von Orel eingetreten. Sehr bald darauf habe er im Hause seines Opfers, des Grafen Komarowski, die Bekanntschaft der von ihrem Manne schon damals getrennt lebenden Gräfin Tarnowska gemacht. Die Gräfin machte sofort einen überwältigenden Eindruck auf ihn. Er getraute sich aber nicht, dies ihr zu offenbaren. ren. Deshalb habe er sich dem Grafen Komarowski anvertraut. Mit Hilfe der Zofe Perier entwickelte sich sein Verhältnis mit der Gräfin sehr bald bis zur äußersten Intimität. Die Gräfin reiste mit ihm und lebte mit ihm einige Wochen auf ihrem Landgut, behandelte ihn aber äußerst wetterwendisch, so daß er stets zwischen Himmel und Hölle schwebte und zu ihrem willenlosen Sklaven wurde. Naumow erzählte hierauf ausführlich von seinen Reisen mit der Tarnowska, bei denen sie ihn stets sehr streng behandelte. Infolgedessen war er oftmals der Verzweiflung nahe. Da ihm überdies die Mittel ausgegangen[22] waren und seine Eltern ihm erst kürzlich. Geld geschickt hatten, so wandte er sich an die Schwester des Grafen Komarowski und erhielt von dieser 1500 Rubel. In Wien verpflichtete ihn die Tarnowska dazu, während einer Woche das Hotel, in dem sie ihn allein einquartiert hatte, nicht zu verlassen. Naumow schilderte hierauf in ausführlicher Weise, wie die Tarnowska in ihn gedrungen sei, den Grafen Komarowski zu ermorden. Sie wollte mit aller Gewalt, daß ich ihn ermorden sollte, rief der Angeklagte in höchster Erregung aus. Er weinte bei diesen Worten wie ein Kind und mußte hinausgeführt werden. Nachdem die Sitzung wieder aufgenommen war, fuhr der Angeklagte in seiner Erzählung fort und verbreitete sich darüber, wie er sich mit aller Kraft gegen den Willen der Tarnowska gesträubt sträubt habe, bis er nicht mehr gewußt habe, was er tue. Wieder und wieder habe sie ihn mit Liebkosungen überhäuft, dann mit Anklagen, daß er sie nicht liebe. Schließlich sei sein armer Kopf wüst und leer gewesen, und er habe alles versprochen, was sie gewollt habe. Noch während der Reise habe er gehofft, daß ein Telegramm von ihr ihn von der Tat abhalten werde, aber es seien nur leere Liebesbeteuerungen eingetroffen. Aus seiner Wäsche und seinen Papieren habe er alle Erkennungszeichen entfernen und ihr versprechen müssen, sich eher selbst zu töten, als sie zu verraten. Unter konvulsivischem Schluchzen erzählte der Angeklagte, die letzten Worte Komarowskis an ihn seien gewesen: »Guter, Lieber, warum? Was habe ich dir getan?« Er habe den Revolver darauf gegen sich selbst gerichtet, der Schuß sei aber nicht losgegangen. Darauf habe er sich dem Grafen gegenüber gesetzt und auf seine Verhaftung gewartet. Die Leute, die gekommen seien, hätten ihn aber ins Hotel geführt, und nun habe ihn eine namenlose Angst gepackt, er sei geflohen und in Verona verhaftet worden. Alsdann wandte sich Naumow an die Geschworenen: »Ich habe in meinem Leben viel gefehlt; aber ich schwöre Ihnen, meine Herren, daß ich nichts hinzugefügt und nichts verschwiegen habe.« Gebrochen sank er in seinen Stuhl zurück und schluchzte laut und heftig. Unter dem Publikum saß auch der Vater Naumows mows und weinte bitterlich. Prilukow und[23] die Zofe Perier waren offenbar von dem, was Naumow sagte, ergriffen. Sie weinten still. Nur das Gesicht der Tarnowska blieb eisig kalt. Nichts ließ in ihrem Gebärdenspiel oder in der Haltung ihres Körpers vermuten, daß sie ergriffen, ja nur im leisesten bewegt wäre. Nachdem sich Naumow wieder erholt hatte, fuhr er fort: Die Gräfin Tarnowska war so wandelbar und launenhaft, daß ich mir nie darüber klar war, wie ich mich zu ihr stellen sollte. Oft behandelte sie mich schlecht, namentlich in Wien, wo sie mir verbot, mein Hotelzimmer zu verlassen. Ich sah sie dort eines Tages in einer Equipage mit einem Unbekannten vorüberfahren und nahm an, daß dies der Fürst Trubetzkoi sei, denn sie hatte sich oft ihrer Beziehungen zu diesem gerühmt. Darauf schrieb ich ihr einen Brief, in dem ich ihr sagte, daß ich mir das Leben nehmen werde. Sofort kam sie zu mir ins Hotel und überschüttete mich mit Vorwürfen; sie sagte zu mir: »Du bist ein Kind; du willst dich töten und weißt doch, daß ich dich nötig habe.« Darauf nahm sie mir den Revolver weg, den mir seinerzeit der Gouverneur von Orel geschenkt hatte. Am 25. August 1907 fuhr ich mit der Gräfin Tarnowska von Wien nach Kiew ab. Während der Fahrt ging uns ein Telegramm mit der Unterschrift »Komarowski« zu, das höchst beleidigenden Inhalts war; die Tarnowska sagte zu mir: »Man muß ihn töten.« Der Vorsitzende richtete darauf die Frage an den Angeklagten: »Sind Sie auf dieser Reise zur Gräfin in intime Beziehungen getreten?« Naumow erwiderte: »Ja, so ist es gewesen.« Er sagte es mit leiser Stimme und ließ das Haupt sinken, während die Tarnowska in ihrer unbeweglichen und unerschütterlich kühlen Haltung verharrte. Im weiteren Verlauf schritt der Vorsitzende zu der Gegenüberstellung des Naumow und der Tarnowska. Ein Karabinieri stand zwischen beiden. In großer Erregung erklärte Naumow: »Ich bleibe bei dem, was ich seit mehr als zwei Jahren wiederhole. Das gefälschte Telegramm allein und der Wunsch, mich an Komarowski zu rächen, hätten mich nicht dazu gebracht, nach Venedig zu fahren.«

Tarnowska: »Das Telegramm allein hat ihn dazu bestimmt; sonst hätte ich nicht schon am nächsten Tage Prilukow von[24] der erfolgten Abreise Nachricht geben können.«

Naumow: »Sie, Gräfin, haben vor zwei Jahren schon bei einer Konfrontation erklärt, daß ich Lügen rede, und ich tue nun nichts, als daß ich dasselbe von Ihnen sage.«

Tarnowska: »Sagen Sie die Wahrheit, sagen Sie sie!«

Naumow: »Ich sage die reine Wahrheit. Ja, die Gräfin sagte, wenn ich nicht fahren wolle, solle ich bleiben, aber sie werde Trubetzkoi schicken.«

Tarnowska: »Das ist nicht wahr! Ich habe Ihnen sogar von der Reise abgeraten.«

Naumow (schreiend): Das ist kein Abraten, wenn Sie sagten: »Wenn du nicht gehst, werde ich Trubetzkoi schicken.«

Tarnowska: »Ich bleibe dabei, daß ich Ihnen gesagt habe, Sie sollten nicht reisen.«

Naumow: »Nach Ihrer Auffassung.«

Tarnowska: »Nach der Auffassung aller.«

Die Aufregung der Streitenden hatte den Gipfelpunkt erreicht. Naumow brüllte mehr, als er sprach; die Tarnowska zeigte eisige Verachtung und spöttische Überlegenheit. Ihre Stimme klang zischend. Die Erregung der Zuhörer war ungeheuer.

Vors.: »Naumow, hat Ihnen die Gräfin gesagt, Sie sollten die Zeichen aus den Kleidern entfernen?«

Naumow: »Ja.«

Tarnowska: »Das ist nicht wahr, das war erst in Kiew.«

Naumow: »Es war in Kiew, Moskau und Wien.«

Tarnowska: »Es ist nicht wahr!«

Vors.: »Naumow, Sie sagten, nachdem Sie zu trinken aufgehört hatten, lehnten Sie sich dagegen auf, Komarowski zu ermorden; da sei die Gräfin wieder grausam gegen Sie gewesen.«

Naumow: »Es ist wahr, es ist wahr. Ich hatte mich einen Augenblick aufgelehnt. Aber sie fuhr fort, mich anzustacheln.«

Tarnowska: »Es ist nicht wahr, ich stelle es absolut in Abrede.«

Vors. (zu Naumow): Sie hat zu Ihnen beim Abschied gesagt: »Ich sehe, daß du mich mehr liebst als alle, und auch ich liebe dich mehr als alle?«

Tarnowska: »Ich erinnere mich nicht.«

Naumow: »Ich erinnere mich sehr gut.«

Tarnowska: »Wie kommt es, daß Sie sich an alles das erinnern, was gegen mich ist? An die Wahrheit erinnern Sie sich nicht!«

Naumow: »Doch! Ich sage die ganze Wahrheit, ich sagte schon: Ja, ich habe ihn getötet!«

Rechtsanwalt Bertaccioli: »Welche Gespräche wurden am[25] 27. August in Kiew geführt?«

Naumow: Am Grabe Stahls sagte die Tarnowska zu mir: »Wenn Stahl lebte, würde er mich rächen.«

Vors.: »Ist das wahr, Tarnowska?«

Tarnowska: »Ich sagte ihm, Stahl würde Komarowski eine Lektion erteilen.«

Vors.: »Was wurde in der Nacht gesprochen?«

Naumow: »Ich war betrunken; ich erinnere mich nicht gut.«

Tarnowska: »In den früheren Verhören wußte Naumow sich zu erinnern, er sei bis drei Uhr nachts bei mir geblieben.«

Naumow: »Kann sein; aber das ist lange her.«

So endete die erregte Zwiesprache zwischen den Schuldgenossen, die das »Du« von einst im Gerichtssaale mit dem »Sie« der erbittertsten Feindschaft vertauschten. Sehr eingehend war die Vernehmung Prilukows. »Ich lernte die Eheleute Tarnowski kennen,« sagte er, »als sie auf dem Landgut Ostrada in der Provinz Poltawa, nicht weit von Kiew, wohnten. Es ging damals bereits das Gerücht, daß sie nicht glücklich miteinander lebten, und daß das Verhalten der Gräfin an dem Zerwürfnis schuld sei. Es kam dann auch zu der Affäre, als der Graf aus Eifersucht einen seiner Freunde erschoß. Damals forderte mich die Gräfin auf, sie zu besuchen; sie wünschte meinen Rat als Rechtsanwalt darüber zu hören, wie sie sich nach diesem Vorfall am besten zu verhalten habe.« Prilukow erzählte dann die Geschichte seiner Beziehungen zu der Angeklagten. Letztere habe ihm in einem Brief ihre Liebe erklärt. Darauf habe er ihr geschrieben, daß er aus Rücksicht auf seine Kinder es ablehnen müsse, ihr Geliebter zu werden. »Allein,« so etwa fuhr der Angeklagte fort, »die Empfindungen für sie hatten bereits in mir Wurzel geschlagen und wuchsen stetig; in Moskau hat dann unser inniges Verhältnis seinen Anfang genommen.« Die Tarnowska bedeckte, als Prilukow so sprach, mit der Hand die Augen, als ob sie weinte. Sie zeigte sich erregt und war auffallend bleich. Prilukow erzählte weiter: Alsbald hat die Gräfin mich aufgefordert, daß ich Frau und Kinder im Stiche lasse. Ich leistete ihr aber Widerstand. Da nahm sie, es war Ende 1905, eine starke Dosis Kokain, um sich zu vergiften. Ein herbeigerufener Arzt vermochte sie zu retten. Bei dieser Bekundung[26] Prilukows wurde die Angeklagte von einer Nervenkrise ergriffen; sie verließ plötzlich ihren Sitz und stürzte wie wahnsinnig aus dem Saal, gefolgt von Gendarmen, den Rechtsanwälten und einem Arzte. Letzterer gab ihr sofort ein Beruhigungsmittel. Gleich darauf wurde sie in den Saal zurückgeführt und erklärte, sie sei davongegangen, weil sie gefürchtet hätte, hinzufallen. Sie erleide jedesmal, sooft sie nur von Kokain sprechen höre, einen Nervenanfall. In der Nachmittagssitzung erzählte Prilukow, wie er in seiner Seelenangst eines Tages Chloralhydrat nahm, um sich zu vergiften. »Ich hatte«, sagte er, »einen Brief an meine Frau hinterlassen, worin ich den wahren Grund der Verzweiflungstat beichtete; auch hatte ich mich zugunsten meiner Kinder in eine Lebensversicherung eingekauft.« Er wurde gerettet und unternahm dann Reisen mit der Tarnowska nach Wien, Berlin, Paris und Algier. Da die Tarnowska ihm beständig mit Geldanliegen kam, sah er sich genötigt, Klientengelder zu unterschlagen. Mittlerweile reiste die Tarnowska voraus ins Ausland und – (da sie sehr fromm war!) –ließ sie Prilukow vor Heiligenbildern schwören, daß er sofort nachkommen werde, sonst würde sie sich umbringen. Da auch er, Prilukow, sehr fromm sei, so sei er schleunigst nachgereist und habe sie in Wien eingeholt. Oft habe er später die Notwendigkeit erkannt, sich von der Tarnowska zu trennen, wiederholt verließ er sie auch, aber jedesmal kehrte er reuig zurück. Da Prilukow bei dieser Rede von Weinkrämpfen befallen wurde, mußte die Sitzung unterbrochen werden. Er erzählte dann, wie die Tarnowska häufig versuchte, ihn zum Selbstmorde zu verleiten. Beide waren damals in Berlin. In einem lichten Augenblicke beschloß er, mit dem Weibe zu brechen. Er floh nach München, von wo er aber der Tarnowska sofort die glühendsten Liebesbriefe schrieb. Nun reiste das Paar nach Venedig, wo sich Komarowski aufhielt. Eines Abends speiste dort die Gesellschaft im Hotel Lido. Plötzlich stand die Tarnowska auf und ging hinaus. Er folgte ihr, und draußen im Garten des Hotels sagte die Tarnowska zu ihm: »Ich kann diesen Menschen (Komarowski) nicht ausstehen, befreie mich von ihm, er muß vom Erdboden verschwinden.«[27] Dieselbe Aufforderung wiederholte die Tarnowska zu Prilukow, als sie später mit Komarowski und dessen Sohn und mit der Zofe Perier nach Wien fuhr. Im Wagenabteil, gewissermaßen unter den Augen Komarowskis, beschwor sie ihn, sie doch von ihm zu befreien. Die Tarnowska empfahl indessen, hierzu keinen Revolver zu gebrauchen. Beide erörterten die verschiedenen Methoden, um Komarowski ohne Geräusch zu beseitigen. Damals erwähnte auch die Tarnowska zum erstenmal den Namen Naumows. Dies erregte sofort seine Eifersucht. Im weiteren Verlauf berichtete Prilukow über die Art, wie die Tarnowska mit ihm die Vorbereitungen für die Ermordung des Grafen Komarowski traf. Zuerst war geplant, daß Prilukow selbst den Grafen beiseite schaffen sollte. »Nach langen Unterredungen,« sagte er, »gelang es der Tarnowska, mir das Versprechen abzunehmen, daß ich den Grafen töten werde, und es wurde weiter vereinbart, daß ich sofort nach der Tat auch mich selbst umbringe. Sie gab mir einen Revolver und erteilte mir genaue Anweisung, wie ich von dem Mordwerkzeug, sowohl bei Komarowski wie bei mir selbst Gebrauch zu machen habe. Ich sollte mich, nachdem ich den Grafen erschossen, durch einen Schuß in den Mund töten, der so ausgeführt werden mußte, daß mein Gesicht durch die Gewalt des Schusses völlig unkenntlich werde, so daß, wenn mein Leichnam gefunden würde, niemand meine Persönlichkeit festzustellen vermöchte. Als wir dann in Wien waren, kam Naumow dazu, und hier änderte die Tarnowska ihren Plan. Sie meinte, es sei besser, wenn Naumow die Mordtat ausführe, da er sich mehr dazu eigne als ich. Jedoch verlangte sie von mir, daß ich von Wien aus eine mit dem Namen Komarowski marowski unterzeichnete beleidigende Depesche an sie absende. Sie reiste danach mit Naumow nach Rußland ab. Die Depesche habe ich ihr, wie verabredet, geschickt. Es ist mir nicht möglich, zu beschreiben, in welcher Seelenverfassung ich mich damals befand. Ich war in Verzweiflung und nicht mehr Herr meines Willens. Ich folgte dem Naumow nach Venedig, weil es der Wunsch der Gräfin war, daß ich sofort nach der Ausführung der Mordtat die Verhaftung Naumows herbeiführen solle. Indem sie mir diesen Plan[28] nahelegte, gab sie mir die Hoffnung, daß sie dann ganz allein die Meine sein werde.« Bei diesen Worten blickte die Tarnowska ihren Mitangeklagten eine Weile mit funkelnden Augen an; doch gewann sie gleich darauf ihre Ruhe wieder. Der Vorsitzende verlas dann vier Telegramme, die von der Tarnowska an einem und demselben Tage aus Wien an den Grafen Komarowski, an Prilukow und an Naumow aufgegeben wurden und die zeigen, wie sie mit allen drei Männern gleichzeitig ein fürchterliches Spiel getrieben. Alsdann wurde die Reise der Gräfin Tarnowska und Komarowskis nach Wien erörtert, die Prilukow nicht in demselben, sondern in einem anderen Abteil des Zuges mitmachte. Komarowski hatte von der Mitreise Prilukows keine Ahnung. In Wien nahm dann Prilukow den falschen Namen Seiffer an. Er bestritt, gewußt zu haben, daß jenes bekannte apokryphe Telegramm gramm die Aufforderung zur Ermordung des Komarowski enthalten habe. Ihm sei der Sinn der Depesche nicht klar gewesen. Die Tarnowska habe ihn zur Ausführung des Mordplanes nicht für geeignet gehalten, sondern auf Naumows Gefügigkeit mit größerer Sicherheit gerechnet. Bei diesen Aussagen begann Prilukow wieder laut zu weinen. Prilukow erholte sich sehr bald und machte seine weiteren Angaben mit größter Klarheit. Er bemerkte: In dem Augenblick, als das Delikt ausgeführt wurde, sei er herbeigeeilt, nicht um Mithelfer zu sein, sondern in dem Glauben, daß er ein Unglück verhindern könne. Im übrigen sei er sich des Zusammenhanges der Dinge nicht ganz bewußt gewesen, weil die Tarnowska ihn unausgesetzt durch lügenhafte Berichte irreführte. Außerdem sei er, der Quälereien müde, die ganze Zeit mit dem Plane umgegangen, sich selbst das Leben zu nehmen. Zum Schlusse beteuerte er, daß er von der Spekulation der Tarnowska auf die Lebensversicherungsprämie nach Komarowskis Tode nichts gewußt habe.

Es wurde darauf die Gräfin Tarnowska vernommen. Sie habe, so bemerkte sie, in Wien bei der Polizei die volle Wahrheit gesagt; aber im Kerker habe sie, nachdem sie einen Brief von Prilukow erhalten hatte, falsch ausgesagt. Jetzt, so fuhr sie fort, vor Ihnen, meine Herren (die Geschworenen apostrophierend), will ich[29] die volle Wahrheit sagen. Meine Erzählung zählung wird lang und peinlich sein. Es wird die Geschichte meiner Leiden sein, die ich erzähle, und die Geschichte der schrecklichen Anklage, unter der ich stehe, werde ich nicht verheimlichen. Ich habe die ersten Jahre meines Lebens bei meinen Eltern verbracht. Mit fünfzehn Jahren wurde ich in einem Pensionat für adlige Kinder untergebracht. Mit sechzehn Jahren lernte ich den Grafen Tarnowski kennen, der bei uns zu Besuch weilte und mit meinen Eltern befreundet war.

Vors.: Tarnowski hatte sich in Sie verliebt?

Angekl.: Im Sommer 1894 hat er sich um meine Hand beworben. Mein Vater war dagegen und der Vater meines zukünftigen Mannes auch; um diese Hindernisse zu überwinden, ließen wir uns heimlich in einem Dorfe bei Kiew trauen. Gleich darauf begaben wir uns nach Petersburg. Mein Mann drückte sehr oft den Wunsch aus, eine Tochter zu bekommen. Er begann dann einer Dame den Hof zu machen, die von ihm auch ein Kind erhielt. Tarnowski erzählte mir später, daß er diese Dame verlassen habe; doch erfuhr ich, daß die Dame von ihm fort sei.

Vors.: Was für ein Leben haben Sie mit Ihrem Manne geführt?

Angekl.: In Petersburg hat mich mein Mann immer in Restaurant – oder Cafékonzerte geführt, wo mir viele den Hof machten. Einmal erklärte mir ein Freund meines Mannes, daß er mich liebe. In meiner Offenheit erzählte ich es meinem Manne wieder. Er meinte, er sei nicht mein Wächter, und es würden mir noch andere den Hof machen. Eines Tages hatte ich den Einfall, einen Besuch bei der ehemaligen Geliebten meines Mannes zu machen. Sie sagte mir, ich müßte mit meinem Manne ein sehr trauriges Leben führen, denn es sei bei seinem Charakter nicht anders möglich.

Vors.: Sie behaupten, daß Ihr Mann Sie zu einem liederlichen Lebenswandel geführt habe?

Angekl.: Nachdem ich im Pensionat und auch bei meinen Eltern ein Klosterleben geführt hatte, war mein späteres Leben lasterhaft. Eines Tages besuchte mein Mann seine Tochter, das Kind jener Dame, und erzählte mir davon. Dies ekelte mich an, und ich verließ Petersburg, um mich nach Kiew zu begeben. Mein Mann kam dann zu mir. Als ich eines Tages ins Zimmer trat,[30] sah ich meinen Mann, wie er das Dienstmädchen umarmte. Ich habe ihm verziehen, weil ich immer hoffte, Mutter zu werden und ihn dadurch an mich zu fesseln. Aber es ist leider nicht so gekommen. Nach drei Jahren bekam ich ein Kind. Es war ein Knabe. Aber mein Mann kam nicht zu mir zurück, sondern führte sein liederliches Leben weiter. Mein Mann war sehr unzufrieden, da er sich eine Tochter gewünscht hatte. Ich hegte die Hoffnung, daß er mit der Zeit doch seinen Sohn liebgewinnen werde. Ich täuschte mich aber. Im nächsten Jahre brachte mich mein Mann nach Mailand, weil er dort Gesangsstudien machen wollte. Von dort gingen wir nach Venedig und von da nach Pegli an der Riviera, wo ich an Typhus erkrankte. Als ich 40 Grad Fieber hatte, wurde ich in das Krankenhaus nach Genua transportiert. Mein Mann verließ mich dort und kam nicht wieder. Ich war krank bis zum Monat Oktober. Dann begab ich mich nach Florenz und Rom, wo ich wieder die Geliebte meines Mannes sah. Am 15. April 1898 bekam mein Mann ein Telegramm von seiner Schwester, welches ihm mitteilte, daß Peter Tarnowski, mein Schwager, sich erhängt habe. Man sagte damals, daß ich die Schuld an dem Selbstmord trüge. Es werden aber Zeugen aussagen, daß ich zu jener Zeit gar nicht in Italien war und seit dem Monat Oktober meinen Schwager nicht gesehen hatte. Als wir nach Kiew kamen, wurde uns die traurige Geschichte des jungen Grafen erzählt. Er hatte einen Selbstmord begangen, weil er Prüfungsdokumente gefälscht hatte. Ein Jahr später – 1899 – brachte mich mein Mann nach Moskau. Die Mutter meines Mannes stellte mir das Ehepaar Prilukow vor. Ich erinnere mich, daß sich Prilukow von Anfang an auffällig gegen mich benahm. Er vertraute mir an, daß er in seiner Ehe unglücklich lebe. Er trank viel, und eines Abends sah ich ihn vollständig ständig betrunken ein Gasthaus verlassen. Dann sah ich ihn nicht mehr, bis zum Jahre 1904. Damals erfuhr ich, daß Prilukow der Liebhaber der Frau des Advokaten Karzew war. Eine Freundin meines Mannes erzählte mir auch, daß Prilukows Frau oft weinte und sich sehr unglücklich fühlte. Die Ursache ihres Kummers war ihr Mann.

Vors.: Ich möchte Sie wieder[31] bitten, etwas lauter zu sprechen und sich etwas kürzer zu fassen.

Frau v. Tarnowska (mit kaum vernehmbarer Stimme): Ich bitte um etwas Wasser, ich fühle mich unwohl. Der Vorsitzende rügte das Verhalten des weiblichen Publikums und erklärte, daß er die Damen schon mit Rücksicht auf ihre großen Hüte von der nächsten Verhandlung ausschließen werde.

Gräfin v. Tarnowska (fortfahrend): Im Jahre 1899 starb mein Schwiegervater. Nach dem Testament bekam mein Mann zwei Teile der Erbschaft. Wir weilten damals in Kiew, wo ich erfuhr, daß mein Mann einer mir bekannten Dame den Hof mache. Ich nahm daraufhin mein Kind und ging von ihm fort. Später rief er mich jedoch zurück. Um diese Zeit bekam ich eine Tochter. Ich mußte nun eine neue Enttäuschung erleben. Mein Mann flüchtete mit seiner Geliebten nach Petersburg, und infolge der Aufregungen litt ich seit jener Zeit an Herzkrämpfen. 1901 machte ich in Nizza, wo ich zur Kur weilte, die Bekanntschaft kanntschaft des Ehepaares Komarowski. 1902 hatte mein Mann in Nizza ein Duell mit einem russischen Offizier, einem Grafen Tolstoi. Der Grund des Duells war eine Auseinandersetzung wegen einer Geliebten meines Mannes. Dieser Offizier stand mir nie nahe, er hat sich nie für mich interessiert, und trotzdem behauptete man, daß ich die Ursache des Duells gewesen sei. Übrigens hat mein Mann bei diesem Duell nur eine leichte Wunde am rechten Arm erhalten. Nach Franzensbad ging ich mit meinem Kinde und der Perier, die sich sowohl mir als auch meinem Kinde gegenüber überaus geduldig und herzlich zeigte. Die Perier begann bei diesem Lobe ihrer Herrin zu weinen.

Vors.: Und später sind Sie nach Kiew zurückgekehrt?

Angekl.: Ja, nach der Franzensbader Kur begab ich mich wieder nach Kiew, wo ich erfuhr, daß mein Mann eine neue Geliebte hatte – eine russische Dame. Ich bat ihn, mit mir ins Ausland zu fahren. Nach einer Woche reisten wir in eine kleine Station bei Toulouse. 1905 kamen wir nach Kiew zurück, wo mir das Ehepaar Stahl Herrn Borgewski vorstellte. Dieser verliebte sich gleich in mich, und ich liebte ihn ebenfalls. Eines Abends vertrieben wir uns auf dem Strande die Zeit mit Scheibenschießen. Borgewski[32] legte nun, als ich eben im Begriffe war, loszudrücken, die rechte Hand vor die Mündung meines Gewehres. Es war zu spät, ein Unglück zu verhindern. Ich hatte losgedrückt, und Borgewskis Hand wurde zerschossen.

Vors.: Und wer hatte die Kugel in Ihr Gewehr gegeben?

Gräfin v. Tarnowska: Borgewski, weil er mir erklärt hatte, daß er mich liebe. Ich antwortete ihm, daß ich seine Worte für einen Scherz halte. Er entgegnete jedoch, er werde mir zeigen, daß er keinen Scherz mache. Ich nahm die Flinte, feuerte und – wie gesagt – Borgewski wurde an der Hand schwer verletzt. Das war der Beweis, daß er mich liebte, wahnsinnig liebte! Ich wurde dann seine Geliebte. Ich habe gewiß Unrecht getan, aber nach acht Jahren so höllischen Lebens mußte ich in die Arme eines so guten und offenherzigen Mannes fallen. Einmal fand beim Ehepaar Stahl ein Ball statt. Mein Mann begleitete mich dahin. Plötzlich nahm er mich im Ballsaal an Hals und zerrte mich hinaus. Es war ein solcher Skandal, daß wir am nächsten Tage ein Dejeuner geben mußten, um zu zeigen, daß wir noch beisammen lebten. Bei dieser Gelegenheit warf mir mein Mann eine Schatulle mit Silbergeräten nach, die mich am Fuße traf, dann schlug er mich. Ein gewisser Semenzow, der gleichfalls in mich verliebt war, hatte, um sich zu rächen, meinem Mann von meinen Beziehungen zu Borgewski erzählt. Es kam zu einer Forderung, doch fand das Duell nicht statt. Mein Mann kam zu mir und bat mich, ihn mit Borgewski wieder zu versöhnen. Die Versöhnung fand am nächsten Tage in Kiew statt. Mein Mann und Borgewski umarmten sich. Dann gingen wir zum Souper, das Borgewski bezahlte. Am Ende des Soupers umarmten sich die beiden Männer wieder und küßten sich. Borgewski küßte mir die Hand und begleitete mich zum Schlitten. Ich war noch nicht eingestiegen, als ein Revolverschuß ertönte, der mir eine Feder auf meinem Hute durchlöcherte. Mein Mann hatte geschossen; Borgewski fiel. Mein Mann lachte laut und rief: »So ist's gut!« Borgewski mußte wegen der Schußwunde zweimal operiert werden. Mein Mann nahm sich dann die Tochter und ich behielt mir den Sohn. Bald darauf ging ich mit der Perier und meinem Kinde nach der[33] Krim. Während der Reise begegnete ich auf einem Bahnhofe Borgewski und Stahl. Sie sagten mir, sie würden mich verteidigen und mit mir nach der Krim gehen. Ich ersah daraus, daß Borgewski mich nicht verlassen wollte. Ich habe ihn geliebt, aber ich habe mir gedacht, wenn mein Mann bereit wäre, wieder zu mir zurückzukehren, würde ich Borgewski verlassen. Mein Mann antwortete mir jedoch in einem Telegramm: »Mit uns beiden ist es für immer aus!« Ich ging dann mit Borgewski. Dieser erkrankte schwer infolge der Wunde, und die Ärzte konstatierten Meningitis. Nach 36stündiger diger Agonie starb er in meinen Armen. Ich habe Borgewski geliebt. Es ist falsch, daß Stahl dazu beigetragen hat, Borgewski den Todesstoß zu versetzen. Gräfin v. Tarnowska erklärte nun, sie könne absolut nicht weitersprechen und begann heftig zu weinen. Während ihrer Rede verfolgten Naumow und Prilukow ihre Worte mit der größten Aufmerksamkeit. Am folgenden Tage wurde kein weibliches Publikum mehr in den Verhandlungssaal gelassen. Die Angeklagte, Gräfin Tarnowska, setzte ihre Aussage fort: Ich kam nach Kiew zurück. Stahl war in den Russisch-Japanischen Krieg gezogen. Ich erbat von meinem Gatten die Erlaubnis, meine Tochter sehen zu dürfen, was mir aber nicht gestattet wurde. Während meines Aufenthaltes auf dem Lande gab mir ein Freund meines Mannes den Rat, ich solle meine Beziehungen zu diesem regeln. Daraufhin schrieb ich an Prilukow, daß ich in den nächsten Tagen nach Moskau kommen würde, um bei ihm als Anwalt Rat zu suchen. Allein ein wütender Hund biß mich damals, so daß ich sehr lange krank daniederlag. Ich schrieb dies dem Prilukow und bat ihn, er möge zu mir nach Kiew reisen. Er kam auch wirklich; er war sehr aufmerksam, brachte mir Blumen, und eines Tages sagte er mir, daß er blinden Gehorsam von seinen Klienten verlange. Im weiteren Verlauf ihrer Vernehmung erzählte die Gräfin Tarnowska ausführlich, wie sich das Liebesverhältnis zwischen Prilukow und ihr entwickelt habe. Es ist nicht wahr, bemerkte sie, daß ich Prilukow genötigt hätte, seine Familie zu verlassen, oder daß er durch mich finanziell ruiniert worden wäre. Im Gegenteil, er hatte[34] nichts, während ich in behaglichem Wohlstand lebte. Ich hatte mich zu jener Zeit an starke Kokaingetränke gewöhnt, und unter dem demütigenden Eindruck der Vorgänge, die mich in eine zweideutige Lage gebracht hatten, machte ich den Versuch, mich zu vergiften. Ich wurde gerettet, blieb aber leidend. In Moskau gab mir ein Arzt den Rat, zu meiner Erholung ins Ausland zu reisen. Ich fuhr nach Wien und dann nach Berlin, wohin mir Prilukow nachreiste. Er übergab mir dort eine große Summe, ich glaube 120000 Kronen. Woher das Geld kam, wußte ich nicht. Wir fuhren dann zusammen nach Paris, wo ich meinen Sohn in einem Internat unterbrachte. Dann fuhren wir, während die Perier nach Neuchatel ging, zusammen nach Marseille und Algier. Dort blieben wir zwei Monate und kehrten dann nach Marseille zurück. Prilukow hatte mir inzwischen gestanden, daß die Summen, die er mir übergab, aus Veruntreuungen herrührten, und schlug mir vor, gemeinsam Selbstmord zu begehen. Ich wollte jedoch nicht. In Paris traf ich mit dem Grafen Komarowski zusammen, der seine Gattin kurz vorher durch den Tod verloren hatte. Ich nahm meinen Sohn aus der Pariser Anstalt wieder heraus und reiste mit dem Grafen Komarowski nach Rußland zurück, während Prilukow in Frankreich blieb. In Orel stellte Graf Komarowski mir den jungen Naumow vor. Dieser erklärte mir sogleich, daß er von Leidenschaft für mich ergriffen sei. Am ersten Abend unserer Begegnung sagte er mir, daß er Masochist sei. Er bat mich, ihn mit einer Zigarette auf den Arm zu brennen. Er brachte auch mir mit seiner Zigarette eine Brandwunde am Arm bei, wovon die Spur noch zu sehen ist. Ich begab mich dann mit Komarowski nach Petersburg, um von dort aus meine Scheidung vom Grafen Tarnowski zu betreiben. Es ist nicht wahr, daß dort Graf Komarowski im Hotel nachts auf mein Zimmer gekommen ist. In Petersburg empfing ich einen Brief von der Perier, die mir mitteilte, daß Naumow aus Liebessehnsucht nach mir sich dem Trunk ergeben habe. Ich telegraphierte ihm darauf: »Mein Teurer!« und er antwortete: »Meine Teure!« Dann sandte ich ihm ein neues Telegramm, in dem ich ihm das Trinken[35] untersagte und hinzufügte: »Du bist mein!« Während die Tarnowska diese Worte sprach, errötete sie leicht und ließ den Kopf sinken. Naumow blickte sie unverwandt an. In Orel, so etwa fuhr die Angeklagte fort, gab mein Gatte ein Diner, an dem Naumow teilnahm. Es machte mir Freude, Naumow zu verhätscheln, denn er gefiel mir immer mehr wegen seines ritterlichen Charakters, der mich an den getöteten Borgewski erinnerte. Komarowski begab sich dann auf seine Güter, und ich ging mit Naumow nach Kiew. Es ist richtig, ich habe ihn schwören lassen, daß er mir immer treu sein werde, nicht aber, daß er immer meinem Willen untertan sein werde.

Vors.: »Sie haben also mit Naumow, Prilukow und Komarowski eine Art Triole gebildet?«

Tarnowska: »Ja, Exzellenz.«

Vors.: »Und warum?«

Tarnowska: »Weil ich eine Person suchte, die mir als Stütze dienen konnte.«

Vors.: »Aber sind drei Liebhaber auf einmal nicht ein wenig zuviel?« (Heiterkeit.)

Tarnowska: »Ich suchte mein Ideal!«

Vors.: »Und Komarowski bat inzwischen um Ihre Hand?« Auf weitere Fragen des Vorsitzenden schilderte dann die Angeklagte die folgenden Vorgänge bis zur Ermordung Komarowskis in dem Hause am Campo San Giglio in Venedig. Ihre Erzählung stimmte im großen und ganzen mit den Angaben Prilukows überein. Nur behauptete sie in direktem Widerspruch zu seinen Aussagen, Prilukow sei es gewesen, der ihr die Idee mit der Lebensversicherung und dem Testament Komarowskis eingab! Ebenso versicherte sie, wieder im Gegensatz zur Darstellung Prilukows, letzterer habe sie dazu gedrängt, den Mord durch Naumow ausführen zu lassen. Sie habe schwachen Widerstand stand geleistet, aber sich dann dem Willen Prilukows gefügt. Mit dem Geständnis ihrer Mitschuld an dem Verbrechen schloß die Gräfin ihren langen Bericht unter ungeheurer Bewegung im Zuhörerraum. In ihrer fortgesetzten Vernehmung erklärte die Angeklagte

Tarnowska: Als ich dem Naumow das Telegramm mit der angeblichen Unterschrift Komarowskis zeigte, hegte ich immer noch die Hoffnung, Prilukow habe seinen Gedanken, daß Komarowski getötet werden müsse, wieder aufgegeben. Daß ich an Prilukow telegraphiert habe, er solle sein möglichstes[36] tun, um Naumow zur Ausführung des Mordes zu bewegen, ist richtig. Aber ich habe auch, als ich in Moskau dem Naumow genaue Anweisungen gab, wie die Mordtat vollbracht werden soll, nur dem Willen Prilukows gehorcht. Und es ist nicht wahr, daß ich in Moskau eine Nacht mit Naumow zugebracht hätte. Als Naumow von Moskau nach Venedig unterwegs war, um dort das verabredete Verbrechen auszuführen, habe ich ihm nach Warschau und Wien Telegramme mit den Beteuerungen meiner Liebe gesandt; aber auch das geschah nur auf den Rat Prilukows.

Vors.: Da Sie die Gefahr kannten, die über Komarowski schwebte, warum haben Sie ihn nicht gewarnt?

Tarnowska: Weil ich ganz und gar der Gewalt von Prilukows Willen untertan gewesen bin und nur tat und unterließ, was er wollte. Ich habe aber bis zum letzten Augenblick geglaubt, Naumow werde die Tat nicht ausführen.

Vors.: Aber Prilukow hatte Ihnen doch telegraphiert, wenn Naumow den Grafen nicht ermorde, werde er selbst es tun.

Tarnowska: Alles war eine Folge des Verbrechens. Die Ärzte werden es erklären. Die Angeklagte gab auch zu, daß sie bis zum letzten Augenblick an Komarowski Telegramme gesandt hatte, in denen sie ihn mit Versicherungen ihrer Liebe überhäuft habe.

Vors.: Wer hat zuerst von der Beseitigung des Grafen Komarowski gesprochen?

Tarnowska: Prilukow. Am letzten Tage meines Aufenthaltes in Wien sagte er mir, es wäre gut, den Grafen umzubringen. Er würde selbst die Mordtat begehen, aber er fürchte, daß ich ihn dann nicht mehr lieben werde, wenn er einen Menschen umgebracht habe. Deshalb sei es besser, wenn Naumow die Tat begehe. Diesem seinem Plane entsprachen auch seine Briefe und Telegramme an mich, in denen er Naumow mit dem Namen »Berta« und Komarowski mit dem Namen »Adele« bezeichnete. Ich reiste dann ab. Die Angeklagte erklärte ferner auf Befragen des Vorsitzenden: Sie habe den Ratschlägen Prilukows blind gefolgt. So mußte sie Naumow die falsche beleidigende Depesche zeigen. Sie habe Naumow nie gesagt, daß er sie von Komarowski befreien solle. Er habe auch nie davon gesprochen, daß er den Grafen zum Duell herausfordern wollte. Die Depesche an Prilukow:[37] »Das Telegramm hat glänzende Wirkung gehabt«, bedeutete, daß die anonyme Depesche Naumow gegen Komarowski sehr aufgebracht habe. Prilukow war es auch, der die Depesche an Naumow durchsetzte, des Inhalts, daß sie entschlossen sei, Komarowski zu heiraten. Es ist nicht wahr, so fuhr die Angeklagte fort, daß ich mit Naumow am 23. August nach dem Theater die Nacht verbracht habe. Aber an diesem Tage unterrichtete ich ihn, wie er den Komarowski in Venedig antreffen und ermorden könnte. Dann sollten wir uns in Zürich treffen; in Moskau war Naunow bereits mit dem ganzen Plan einverstanden, und ich gab ihm ein heiliges Kreuz, das ich am Halse trug.

Alsdann wurde der Briefwechsel zwischen Komarowski und der Tarnowska verlesen. In einem Telegramm des Komarowski ist das Wort »keusch« enthalten. Die Tarnowska wußte darüber keine Aufklärung zu geben. Auf die wiederholte Frage des Vorsitzenden, warum sie den Komarowski von der bevorstehenden Gefahr nicht benachrichtigt hatte, erwiderte die Tarnowska, sie glaubte immer, Naumow würde den Mord nicht begehen. Der Vorsitzende verlangte von der Angeklagten Aufklärung über einige Telegramme, gramme, die sie nach Podwoloczyska an Naumow gerichtet hatte. Sie sagte, sie habe Naumow ersucht, sich den zur Überschreitung der russischen Grenze notwendigen Paß zu besorgen; denn sie habe befürchtet, wenn sie die Sache verzögere, werde Naumow sich umbringen. Der Vorsitzende warf ein: Es sei anzunehmen, daß Sie den Paß haben wollten, um schnell mit Naumow nach Rußland zurückkehren zu können, um dort das Komplott zu beenden. Sie haben sich von Prilukow entfernen wollen, um auf diese Weise jeden Verdacht von sich abzulenken. Die Angeklagte gab zu, daß diese Telegramme von Prilukow nach ihrem Diktat geschrieben waren. Weiter erklärte die Angeklagte: Es sei Naumow wohl bekannt gewesen, daß Komarowski gleichzeitig mit ihm und ihr in Wien weilte. Ebenso habe er gewußt, daß sie mit dem Grafen nach Venedig gefahren war. Auch Prilukow sei stets über ihre Beziehungen zu den beiden anderen Männern auf dem Laufenden gewesen.

Es wurde alsdann eine Anzahl Briefe verlesen, die Graf Komarowski[38] Ende August und Anfang September 1907 an die Tarnowska geschrieben hat. Sie waren reich an Ausdrücken der größten Zärtlichkeit, enthielten aber auch viele indezente Stellen. Die Angeklagte schien bei der Verlesung einigermaßen in Verlegenheit zu geraten. Sie ließ den Kopf etwas sinken und suchte ihren großen schwarzen Schleier mehr über das Gesicht zu ziehen.

Vors.: Warum sind Sie nicht sofort abgereist, als Sie die Nachricht von der Verwundung des Grafen Komarowski erhielten?

Tarnowska: Der Zug war schon abgegangen, auch war mein Paß nicht in Ordnung. Ich mußte daher warten.

Vors.: Es wird behauptet, Sie hätten auf Instruktionen von Prilukow gewartet.

Tarnowska: Das ist nicht richtig. Ich erhielt dann von Prilukow die Mitteilung, daß er nach Wien gehe.

Das Verhör der Angeklagten erstreckte sich noch weiter auf die Einzelheiten ihres Verhaltens nach der Mordtat, und es fiel auf, daß die Tarnowska ohne die geringste Gemütsbewegung von dem Tode Komarowskis und ihrem Verhältnis zu ihm sprach. Man hatte den Eindruck, einer Persönlichkeit von eisiger Ruhe und Empfindungslosigkeit gegenüberzustehen. Ihre elegante Figur beugte sich zuweilen ein wenig über die Barre des Anklageraumes, auf die sie sich gestützt hatte. Ihr Blick flog in schwierigen Momenten des Verhörs blitzartig zu den Verteidigern hinüber. Im weiteren Verlauf fragte der Vorsitzende die Angeklagte über die Art, wie das Testament des Grafen Komarowski und die Lebensversicherung zu ihren Gunsten zustande gekommen sei. Die Angeklagte erklärte: In Venedig sei davon kaum gesprochen worden. Darauf wurde ein Brief des Grafen Komarowski verlesen, den dieser in Berlin im Savoy-Hotel geschrieben hatte und in dem er der Tarnowska versprach, daß er ein Testament zu ihren Gunsten errichten werde.

Tarnowska: Das heißt aber nicht, daß das Testament in Berlin gemacht worden wäre. Ich lehnte dort vielmehr den Heiratsantrag Komarowskis ab, und erst in Wien nahm ich ihn schließlich an. Es ist dann auch erst in Wien von der Lebensversicherung gesprochen worden.

Vors.: Über welche finanziellen Hilfsquellen verfügten Sie selbst?

Tarnowska: Ich hatte von meinem Vater eine Jahresrente von[39] zweitausend Rubeln und bekam außerdem von ihm, soviel ich brauchte. Als ich Rußland verließ, hatte ich 70000 Franks bei mir.

Prilukow (unterbrechend): Das ist nicht wahr! Das war mein Geld, Die Tarnowska hatte gar nicht viel, denn in Kiew mußte ich ihre Juwelen auslösen.

Tarnowska: (heftig): Das ist falsch! Die Juwelen wurden mit meinem Gelde ausgelöst.

Prilukow: Ich kann das Gegenteil durch einen Zeugen beweisen.

Der Advokat Bertaccioli, einer der Verteidiger Naumows, fragte die Angeklagte: Haben Sie Prilukow sehr geliebt?

Tarnowska: Ja, sehr!

Bertaccioli: Wie ist es dann möglich, daß Sie zu derselben Zeit die feurigsten Telegramme an Naumow und an Komarowski gesandt haben?

Tarnowska: Weil ich in meinem Wanderleben Prilukows ein wenig überdrüssig geworden war. Naumow gefiel mir durch sein Betragen, und als ich den Grafen Komarowski kennenlernte, ergriff mich der Gedanke, daß ich bei ihm ein ruhiges Leben würde führen können. Wie ich aber Prilukow wieder sah, lebte die Liebe zu ihm in mir wieder auf.

Vors.: Hat Prilukow in Venedig Ihnen gegenüber die Absicht geäußert, Komarowski zu ermorden?

Tarnowska: Ich erinnere mich nicht mehr. Er hat nur in dem Zuge, der mich nach Venedig brachte, gesagt, er habe für mich und den Grafen Komarowski chloroformierte Zigaretten hergestellt. Auf weitere Fragen des Vorsitzenden erwiderte die Angeklagte immer wieder: Ich habe ja alles eingestanden, warum sollte ich lügen.

Vors.: Ist es wahr, daß Sie vor der Abreise von Moskau Prilukow schwören ließen, daß er Ihnen nach dem Auslande folgen werde?

Tarnowska: Ich habe ihn nur das Tedeum in der Kirche mitsingen lassen, wie es Brauch ist; aber er hat keinerlei Eid geleistet. Die Verteidiger der Gräfin beantragten darauf, es sollen die anatomischen und die chemischen Spezialwerke über Giftkunde, wie auch die Albums mit obszönen Photographien zur Stelle geschafft werden, die bei Prilukow beschlagnahmt wurden.

Der Vorsitzende schritt nun zum Verhör der vierten Angeklagten, der Kammerfrau Perier. Die kleine Schweizerin, die den Eindruck einer höchst verschlagenen Person von großer Intelligenz machte, erzählte ihre Erlebnisse im Dienste der[40] Gräfin Tarnowska. Sie sagte: die Gräfin sei ihr immer eine sehr gute Herrin, aber eine unglückliche Frau gewesen. Sie erzählte, wie die Gräfin die Bekanntschaft Prilukows, dann die des Grafen Komarowski und Naumows gemacht habe. Sie glaube, daß die Beziehungen der Gräfin zu diesen Männern intimer Natur gewesen seien. Die Perier schloß: »Ich liebe die Gräfin, weil sie eine gute Dame ist, und ich würde glücklich sein, wenn ich an ihrer Stelle verurteilt werden könnte.« Bei diesen Worten ihrer Dienerin brach die Tarnowska in Tränen aus. Alsdann kam die Sprache auf die etwas seltsamen Nervenkrisen der Tarnowska, die die Kammerfrau und eine andere Zofe dadurch lindern mußten, daß sie die Hände und Füße der Angeklagten massierten. Während dieser Prozedur pflegte die Tarnowska dann in einen höchst seltsamen Zustand zu verfallen, währenddessen sie allerlei konfuse Reden führte. Diese Krisen kehrten periodisch alle Monate wieder.

Vors.: Wer bestritt die Haushaltungskosten in Moskau?

Perier: Das Geld wurde stets durch einen Vertrauensmann Prilukows überbracht. Alsdann fragte Prilukow die Perier über die bekannten sadistischen Akte, wobei die Tarnowska ihre Liebhaber peinigte.

Vors.: Tat die Dame dies auch mit Ihnen?

Perier: Ja.

Vors.: Warum?

Perier: Aus Laune.

Vors.: Tat es Ihnen weh, wenn Ihnen die Tarnowska die Zigarette auf den Arm stieß?

Perier: Gewiß tat es mir weh! (Heiterkeit.) Im weiteren Verlauf erbat sich das Wort

Angeklagter Prilukow: Ich war nicht darauf gefaßt, daß die Gräfin sagen werde, alles, was sie tat, habe sie meinem Willen gehorchend getan. Aber die zwei Männer, die mit mir im Gefängnis in Wien zusammen waren, müssen bestätigen können, daß ich nur ihre Wünsche zu erfüllen strebte. Sie machte mir vom Fenster nach dem Hofe Zeichen, ich solle alles leugnen. Ich beschloß, mich zu töten. Ich hängte mich auf; meine Zellengenossen retteten mich. Von dem einen von ihnen, dem Photographen Bergmann, der seiner Freilassung entgegensah, erbat ich Zyankalium. Ich erhielt es nicht. Es ist nicht wahr, daß das gefälschte Telegramm mit Komarowskis Unterschrift von mir ersonnen worden wäre. Ich kannte Naumow nicht und[41] konnte die Wirkung des Telegramms auf ihn gar nicht ermessen; aber die Gräfin konnte es. Sie sagte auch schon vorher immer zu mir: »Naumow ist bereit, er ist bereit, nur du hast Bedenken.«

Vors.: Die Tarnowska will von Ihnen zwei Briefe empfangen haben, in denen Sie sagten, es sei töricht, Komarowski zu heiraten, ohne sich ökonomisch zu sichern.

Prilukow: Ich weiß nichts von diesen Briefen.

Tarnowska: Ich schwöre, daß er mir die beiden Briefe mit diesem Inhalt gesandt hat.

Prilukow: Die Gräfin hat mich einmal um meinen Rat über diese Dinge gefragt, weil Stahl eine Lebensversicherung aufnehmen sollte.

Tarnowska: All das sagt Prilukow nur, um die ganze Schuld auf mich abzuwälzen.

Prilukow: Sie wußte sehr wohl mit Versicherungen Bescheid. Sie sagte mir, Stahl sei mit fürchterlichen Absichten gekommen. Er wolle ihren Gatten töten und die Versicherung abschließen. Sie beauftragte mich auch während der Reise, eine Gesellschaft zu finden, die so schnell als möglich eine Versicherung abschließe.

Vors.: Sie haben gesagt, die Gräfin habe angefangen, Widerwillen gegen Komarowski zu äußern, nachdem sie bemerkt hatte, daß sie Sie nicht zum Selbstmord bringen und dadurch die 55000 Rubel Ihrer Versicherung einheimsen konnte?

Prilukow: Das ist wahr.

Tarnowska: Ich habe nie gesagt, daß ich Komarowski hasse; nie habe ich Prilukow zum Selbstmord gedrängt, und er hat auch nie einen Selbstmordversuch gemacht.

Vors.: Prilukow, Sie sagten, die Tarnowska suchte Sie allmählich zu der Mordtat zu treiben. Wie stellte sie das an?

Prilukow: Ganz allmählich, mit zahllosen kleinen Mitteln der Aufreizung. Im Garten des Lido sagte sie zu mir: »Befreie das Antlitz der Erde von dem da!«

Tarnowska: Die Wendung habe ich nie gebraucht und bis zu diesem Augenblicke nie gekannt. Man frage die Perier!

Stimme aus dem Publikum: O, die Perier!

Vors.: Wie konnten Sie sich der Tarnowska auf ihrer Reise mit dem Grafen Komarowski nähern?

Prilukow: Die Perier trat an mich heran und forderte mich auf, in dasselbe Abteil zu steigen. Im Zuge weinte die Tarnowska, und unter dem Weinen bat sie mich, Komarowski zu beseitigen.

Tarnowska: Das ist nicht wahr. (Unruhe im Zuhörerraum.)[42] Prilukow sagte mir im Zuge, er wolle Chloroformzigaretten benutzen.

Prilukow: Die Gräfin riet mir zum Dolche, den ich vergiften solle.

Tarnowska: Ich weiß nicht einmal, wie man einen Dolch vergiftet!

Vors.: Ist es wahr, Prilukow, daß die Gräfin Ihnen einen Revolver geschenkt hat?

Prilukow: Ja, sie hat mir einen Revolver gekauft; vielleicht, weil ich nichts davon verstand, sie aber wohl; sie wies mich auch an, die Patronen einzukerben; die Perier war dabei.

Tarnowska: Das war nicht in Wien, sondern in Rußland; den Revolver hatte ich für meinen Vetter gekauft.

Vors.: Prilukow, Sie sagten, Sie hätten vor dem Morde der Tarnowska einen Brief schreiben wollen, in dem Sie die ganze Schuld auf sich nahmen?

Prilukow: So ist es.

Die Vernehmung der Angeklagten war darauf in der Hauptsache beendet, und es wurde zur Beweisaufnahme geschritten. Obergefängniswärter Damico bekundete als Zeuge: Prilukow habe sich im Gefängnis bisher immer sehr ruhig verhalten. Er sei aber nervenleidend und konnte bei dem Versuch, im Gefängnis mit Chloraliumhydrat Selbstmord zu begehen, nur mit Mühe gerettet werden.

Frau Achmatowa (Kiew) bekundete: Ich lernte Naumow in seiner Jugendzeit, als er ein Knabe von etwa zehn Jahren war, kennen. Er war ein liebes Kind von einer geradezu krankhaften Herzensgüte; alle liebten ihn. Bereits im Alter von zwölf Jahren schrieb er Verse und Novellen, die von einer ganz übertriebenen Überschwenglichkeit des Gefühls zeugten. In jenem Alter erlebte er einen schweren Unfall. Er fiel in die Wolga, wobei er sich den Kopf aufschlug, und wurde nur mit Mühe gerettet. Nach diesem Ereignis hatte er fortwährend unter schweren Kopfschmerzen zu leiden. Sein Temperament änderte sich, und der früher so zugängliche Knabe zeigte ein verschlossenes, düsteres Wesen. Er ging dann nach Moskau und erlebte dort abermals einen Sturz, bei dem er sich wiederum eine Kopfverletzung zuzog. Er wurde nun vollkommen melancholisch. Zu jener Zeit war es, wo seine Freunde hypnotische Experimente mit ihm vornahmen, bei denen er sich als ein außerordentlich geeignetes Medium erwies. Unter anderem befahlen sie ihm, er solle die ganze Summe von zweihundert Rubeln, die ihm[43] von seinem Vater gesandt worden war, für Blumen ausgeben und dann alle diese Blumen nach einem bestimmten Zimmer bringen lassen. Naumow führte den Befehl pünktlich aus. Während der Vernehmung dieser Zeugin wurde Naumow von einer Ohnmacht befallen und mußte aus dem Saal gebracht werden. In der Nachmittagssitzung wurde der russische Regierungsingenieur Alexis Chaffalowitsch vernommen. Dieser, ein Jugendfreund von Naumow, entwarf von seinem Charakter ein im ganzen nicht unsympathisches sympathisches Bild. Er bestätigte die Bekundung der Zeugin Achmatowa in allen Einzelheiten. Das Leben Naumows teilte er in drei Perioden ein: Die fröhliche Kinderzeit bis zum zwölften Jahre, sodann eine Anzahl unglücklicher Erlebnisse, bis er ein junger Mann von 16 Jahren geworden war. Um diese Zeit fing er an, an den Frauen Gefallen zu finden. Er war dabei in der Liebe so absurd, daß seine Leidenschaft desto toller wurde, je schlimmer ihn die angebetete Dame mißhandelte. Eine junge Dame amüsierte sich zum Beispiel damit, Naumow wie einen Hund hinter ihrer Equipage herlaufen zu lassen. Naumow liebte diese Dame genau so lange, wie sie ihn quälte. Als die Dame schließlich mit dem Quälen aufhörte, da hörte auch seine Verliebtheit wie durch einen Zauberschlag auf. Seine erste Liebe war ein junges Mädchen von 17 Jahren, die ihn in dieser Weise behandelte. Er hatte dann eine Anzahl weiterer Liebesverhältnisse, aber, wie der Zeuge glaubte, rein platonischen Charakters. Er (Zeuge) machte damals schon die Beobachtung, daß es Naumow anscheinend Vergnügen bereitete, physische Schmerzen zu erleiden. Auch seelische Leiden brachten bei ihm gerade einen auffällig ruhigen Gemütszustand zuwege. Er trank bereits damals, ohne jedoch Alkoholist zu sein. Am meisten trank er, wenn er traurig war. In späteren Jahren wurde er sehr schweigsam und verließ seine Wohnung nur selten. Als er die Tarnowska kennenlernte, fing er ein sehr ungeordnetes Leben an. »Als ich dann die Nachricht von der Mordtat erhielt,« sagte der Zeuge, »fing ich an, wie es meinem Beruf entspricht, mir die Angelegenheit logisch zurechtzulegen. Ich konnte aber keine logische Erklärung für Naumows Verhalten finden. Es war mir ohne weiteres[44] klar, daß ein starker äußerer Einfluß auf ihn gewirkt haben mußte.« Darauf wurde noch einmal die Achmatowa vernommen, die bekundete, daß in der Familie Naumow die Geistesgestörten und Epileptiker sehr zahlreich waren. Korvettenkapitän Alberto Rossi bekundete alsdann als Zeuge: Ich stand in den besten Beziehungen zu dem Grafen Komarowski. Dieser war nach dem Tode seiner Gattin in überaus trauriger Stimmung, die sich aber bald darauf, als die Gräfin Tarnowska in Venedig eingetroffen war, vollkommen aufheiterte. Die Tarnowska gab sich als die Kusine des Grafen aus. Ich erinnere mich, daß eines Abends im Hotel des Bains am Lido der Graf durch ein Versehen ein Telegramm erhielt, das an die Tarnowska adressiert war. Diese gab nicht zu erkennen, daß ihr an dem Telegramm etwas gelegen sei und zeigte es auch mir. Es war augenscheinlich von einer Person gesandt, die auf das heftigste in die Gräfin verliebt war und sich nach ihr erkundigte. In jenem Hotel sah ich auch Prilukow, von dessen Anwesenheit Graf Komarowski sicher keine Kenntnis hatte. Die Tarnowska benahm sich mir gegenüber stets durchaus korrekt. Ich konnte gleichwohl wahrnehmen, daß sie von äußerst gebieterischem Wesen war, und auch, daß sie auf jeden, der in sie verliebt war, einen Reiz eigener Art ausüben mußte. Der Graf machte mir von seiner Verlobung mit der Tarnowska Anzeige. Er sagte, sie habe 100000 Lire Rente. Der Graf war augenscheinlich außerordentlich verliebt in die Gräfin, während diese sich gegen ihn kalt zeigte. Nach ihrer Verhaftung schrieb mir die Tarnowska von Wien aus, ich möchte ihr die Adressen der tüchtigsten Verteidiger in Italien mitteilen.

Großes Aufsehen machten die Aussagen des Krankenhausarztes Dr. Magno über die letzten Lehenstage des Grafen Komarowski nach seiner Verwundung. Am dritten Tage, nachdem Komarowski die Schüsse erhalten hatte, so äußerte sich Dr. Magno, und nach der Operation war sein Befinden außerordentlich gut. Er lag halbaufgerichtet im Bett, las in der Zeitung und lachte darüber, daß das Blatt sein Bild brachte. Er bemerkte auch, er fühle sich so wohl, am nächsten Tage wollte er eine Zigarette rauchen. Am andern Tage wurde der Graf zu Zwecken der Behandlung[45] nach einem anderen Saal im oberen Stock gebracht. Gleich darauf verschlimmerte sich sein Befinden und er starb, während ich ihn noch am Tage vorher für außer Gefahr befindlich erklärt hatte. Bei der Vernehmung dieses Zeugen zeigte sich Naumow sehr ergriffen und brach wiederholt in Tränen aus. Prilukow hatte ein geradezu leichenhaftes Aussehen, die Tarnowska war niedergeschlagen, sie saß mit geneigtem Kopfe und verbarg, so gut es ging, ihr Gesicht. Eine Gefängniswärterin bekundete: Das Verhalten der Tarnowska sei stets gleichmäßig ruhig und tadelfrei, ihr Benehmen gegenüber den Schwestern gut und freundlich gewesen. Sie habe die Angeklagte oftmals bitterlich weinen sehen.

Eine andere Zeugin beschrieb das Zimmer, das die Tarnowska im Gefängnis bewohnte, und das unter anderem mit einem Büchertisch und einem Schrank ausgestattet war. Auf dem Nachttischchen hatte die Angeklagte eine Anzahl Photographien stehen; die Bilder zeigten den Grafen Tarnowski mit der Tochter, ferner den Sohn und die Eltern der Angeklagten; daneben stand die Photographie des ermordeten Grafen Komarowski. Die »Zelle«, die einen gewissen eleganten Eindruck machte, erfüllte ein intensiver Duft von Parfümerien.

Darauf beantragte der Verteidiger der Tarnowska, Rechtsanwalt Drena, die nicht erschienenen russischen Zeugen in ihrer Heimat kommissarisch vernehmen zu lassen. Von siebenundzwanzig geladenen russischen Zeugen waren nämlich nur drei erschienen. Unter den ausgebliebenen Zeugen befanden sich acht Ärzte, auf deren Aussagen über den psychischen und den körperlichen Zustand der Angeklagten die Verteidigung das größte Gewicht legte. Der Gerichtshof vernahm sodann den Polizeikommissar Caruß, der Naumow in Verona festgenommen hatte. Als er Naumow in einem Kupee erster Klasse sitzend antraf, war dieser außerordentlich ruhig. Er war eben im Begriff, Blumen für eine Dame zu kaufen, die sich im Zuge befand. Naumow gab sich für einen Belgier aus und behauptete, Henry Duran zu heißen. Als er trotzdem verhaftet und in Gewahrsam abgeführt wurde, bekam er bald darauf einen Weinkrampf. Er küßte ein kleines Goldkreuz, das er am Halse befestigt hatte und[46] das, wie sich herausstellte, ein Geschenk der Tarnowska war. Er rief den Namen seiner Mutter, kurz, er gebärdete sich so, daß er (Zeuge) annahm, die Aufregung könnte ihn töten. Beim Verhör gab Naumow dann zu, auf Komarowski geschossen zu haben. Den Grund weigerte er sich anzugeben, er erklärte aber sofort ausdrücklich, daß politische Motive dabei nicht im Spiele seien. Als Naumow das Protokoll über die erste Vernehmung zu unterzeichnen hatte, mußte der Zeuge ihm die Hand führen, damit er überhaupt schreiben konnte. Dabei rief Naumow aus: »Das ist die Hand, die einen Menschen getötet hat!« Während der Vernehmung dieses Zeugen machte Naumow den Eindruck eines völlig niedergeschmetterten und gebrochenen Menschen.

Der folgende Zeuge war der Zenstrow-Präsident Wladimir Pisarew: Er kenne Prilukow seit 25 Jahren. Er war sein Kamerad auf dem Gymnasium und der Universität. Prilukow sei als Rechtsanwalt sehr fleißig gewesen; er nahm auch gelegentlich die Nacht zu Hilfe, um seine Arbeiten zu erledigen. Dabei habe er nicht nur wegen des Geldes gearbeitet, sondern gelegentlich auch seinen Rechtsbeistand umsonst gewährt. Mit seiner Frau lebte Prilukow zwölf Jahre sehr glücklich zusammen. Erst als er die Tarnowska kennenlernte, änderte er sich. Einmal war er (Zeuge) gerade bei Prilukow, als ihn die Tarnowska telephonisch zu sich rief. Prilukow habe ihm gesagt: »Mit dieser Frau kann man nicht arbeiten, sie erlaubt es einfach nicht.« Übrigens sei Prilukow schon als Knabe sehr nervös und leicht zu beeinflussen gewesen. Die Tarnowska brachte ihn vollends in Unordnung; sie begleitete ihn auf seinen Geschäftswegen und wartete dann auf ihn, bis er seine Angelegenheiten erledigt hatte.

Ein in Petersburg ansässiger, aus Dalmatien stammender Journalist namens Tabrno, kannte Prilukow seit vielen Jahren und hielt ihn eines Verbrechens für unfähig. Um die große Ehrlichkeit Prilukows zu beweisen, erzählte der Zeuge folgende Begebenheit: Als die revolutionären Unruhen in Moskau ausbrachen, hatten die Revolutionäre ein sicheres Depot für ihr Geld nötig. Man vertraute es Prilukow an, da er nicht der Partei angehörte und es daher bei ihm sicherer[47] vor der Polizei war. Als die Unruhen vorüber waren, gab Prilukow das Geld aus freien Stücken zurück, obwohl aus begreiflichen Gründen die Revolutionäre nicht gewagt hätten, ihren Anspruch geltend zu machen. (Der Zeuge machte diese Aussage nur zögernd, da sie ihm viele Ungelegenheiten bereiten könnte.)

Rechtsanwalt Mankowsky aus Moskau, ein Sohn des Generalanwalts am Senatsgericht, bekundete: Prilukow hat als besonders tüchtiger Rechtsanwalt gegolten, und um in sein Bureau als Gehilfe einzutreten, habe ich die Richterlaufbahn verlassen. Prilukow war außerordentlich fleißig und arbeitete von 8 Uhr morgens gelegentlich bis 2 Uhr in der Nacht. Als häufiger Gast in der Familie Prilukows kann ich sagen, daß das Verhältnis zwischen den Gatten sehr gut war. Frau Prilukow selbst ermutigte ihren Mann, der Tarnowska im Prozesse wegen der Tötung Borgewskis beizustehen, aber sie erhielt einen sehr peinlichen Eindruck durch eine Zeugenaussage, daß Borgewski gesagt hatte, er würde die Tarnowska geheiratet haben, wenn er eine halbe Million besessen hätte. Prilukow erhielt viele Briefe, in denen die Tarnowska ihn aufforderte, nach Kiew zu kommen. Prilukow widerstand, derstand, und darauf suchte ihn die Tarnowska in Moskau auf. Vor seinem Selbstmordversuche hatte Prilukow einen Brief an den Rechtsanwalt Löwenstein geschrieben, in dem er sagte, er sei nicht stark genug gewesen, das Verhältnis mit der Tarnowska zu lösen; er gehe in den Tod, da er sich sonst nicht mehr so halten könnte wie bisher. Auch Rechtsanwalt Kaiser riet Prilukow sehr ernst, von der Tarnowska zu lassen; die Wirkung dieses Gesprächs dauerte aber nur so lange, bis Prilukow die Tarnowska wiedersah. Periodisch machte er dann wieder Versuche, sich dem Zauber zu entziehen; er antwortete auf die Briefe der Tarnowska nicht, er ging nicht nach Kiew und stellte sich krank. Die Ärzte befürchteten, daß der Vergiftungsversuch mit Chloral einen schlechten Einfluß auf Prilukows Gehirn habe. In der Tat änderte er sich danach: er wurde zerstreut, fing an zu trinken, ging nicht mehr aufs Gericht und führte mit der Tarnowska ein Leben in Saus und Braus. Auf einige Fragen bekundete der Zeuge: Die Tarnowska ließ den Borgewski[48] auf ihr Landgut kommen und behielt ihn dort bei sich, bis ihr Mann eintraf. Stahl selbst hat im Prozeß wegen der Tötung Borgewskis folgende Aussage gemacht: Borgewski forderte Tarnowski und sagte ihm, er hasse ihn und liebe seine Frau; Stahl mußte, hinter einem Vorhang verborgen, dieser Szene beiwohnen, um Zeuge der Herausforderung zu sein. Die Tarnowska ka habe, wie Prilukow nach den Akten des Prozesses erzählte, jede Gelegenheit benutzt, um ihren Mann auf Borgewski eifersüchtig zu machen. Sehr wichtig für die Bildung eines Urteils, wie sich das Verhältnis Prilukows zur Tarnowska entwickelt hatte, waren 28 Briefe und Telegramme, die der Zeuge, Rechtsanwalt Mankowsky, im Bureau Prilukows unter den die Tarnowska betreffenden Briefen gefunden hatte. Die Tarnowska bestritt, daß diese Briefe von ihr geschrieben seien, Prilukow dagegen behauptete es auf das bestimmteste. Die Briefe wurden darauf, obwohl die Verteidigung der Tarnowska sich widersetzte, dem früheren Bureauvorsteher Prilukows, Wassili Schmajewsky gezeigt. Dieser erkannte alle als von der Tarnowska herrührend; sie waren alle durch seine Hand gegangen, und er hatte sie zum Teil mit Nummern versehen. Schmajewsky bestätigte die Aussage Mankowskys: sobald Prilukow mit der Tarnowska in Beziehungen trat, ging es mit ihm abwärts. Als er einmal Prilukow telephonisch ersuchte, er solle eilig ins Bureau kommen, antwortete eine weibliche Stimme: »Ich lasse ihn nicht fort!« (Heiterkeit.)

Ein früherer Schreiber des Angeklagten Prilukow bekundete, als ihm die 28 Briefe der Tarnowska vorgelegt wurden: Er erkenne sie bestimmt wieder; er habe sie persönlich registriert, sie seien unzweifelhaft von der Tarnowska geschrieben.

Ein fernerer Zeuge war Advokat Naum Alperi (Petersburg): Er kenne Prilukow seit zwölf Jahren, seitdem sich dieser an ihn wandte wegen der Vertretung bei der Führung der Prozesse in Petersburg, die ihm in Moskau übertragen wurden. Er könne Prilukow das Zeugnis eines ernsten, gewissenhaften und intelligenten Mannes ausstellen, der in den ersten Jahren ungeachtet seiner großen Einkünfte bescheidene Lebensgewohnheiten gehabt habe. Als er aber 1906 wieder nach Petersburg gekommen sei, habe er, statt[49] wie sonst in einem einfachen Gasthause, in einem der ersten Hotels Wohnung genommen und mit einer Dame (der Angeklagten Tarnowska) mehrere elegante Salons bewohnt. Der Zeuge bestätigte, daß von den 65000 Rubel Depositen, die sich der Angeklagte angeeignet, 35000 von ihm, dem Zeugen, herrührten. Weitere 25000 Rubel seien Eigentum des Generals Rhil gewesen. Aber weder er selbst, noch der General Rhil hätten Strafanzeige erstattet. Falls Prilukow gewollt hätte, würde es ihm ein leichtes gewesen sein, sich sehr bedeutend höhere Summen anzueignen.

Eines Nachmittags wurde wegen Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Auch die Vertreter der Presse mußten den Saal verlassen. Dem Vernehmen nach hatte die Tarnowska in der nichtöffentlichen Sitzung behauptet: sie habe mit Prilukow, Naumow und dem Grafen Komarowski rowski nicht intim verkehrt; sie hätte Abscheu vor solchem Verkehr empfunden. Prilukow und Naumow bemerkten jedoch mit großer Entschiedenheit: es habe sehr häufig zwischen ihnen und der Tarnowska intimer Verkehr stattgefunden. Naumow bemerkte: Er habe sich oftmals vor dem Liebesgirren der Tarnowska gar nicht retten können. Die Aufforderung zum intimen Verkehr sei fast immer von der Tarnowska ausgegangen.

Vors.: Angeklagte Tarnowska, die gesamten Umstände sprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, daß Prilukow und Naumow in dieser Beziehung die volle Wahrheit sagen? Die Angeklagte schlug die Augen zur Erde und schwieg. Die weiteren Erörterungen über diesen Punkt waren derartig, daß sie nicht einmal angedeutet werden können.

Einige Pflegeschwestern bekundeten: Eine so hochgradige Hysterie, wie bei der Gräfin Tarnowska, hätten sie noch bei keiner Gefangenen beobachtet. Ein kleines Erdbeben, das im Anfang 1909 in Venedig verspürt wurde, verursachte ihr einen heillosen Schrecken.

Es wurde alsdann ein in der Hinterlassenschaft des ermordeten Komarowski gefundener Brief verlesen. In diesem bezeichnete sich die Tarnowska als seine »keusche Braut«.

Auf Befragen des Vorsitzenden gab die Tarnowska zu, daß zwischen ihr, Naumow und dem ermordeten Komarowski einige Male Unterhaltungen über[50] Sadismus stattgefunden haben.

Professor Dr. Trajon: Die Tarnowska werde ganz besonders während ihrer monatlichen Perioden von nervösen Störungen befallen. Gewisse Schmerzerscheinungen lassen auch auf innere Verletzungen schließen. Die Zeugen Dr. Tommasini und Dr. Degni stellten bei der Angeklagten ein häufiges Vorkommen von Schlägen im Gehirn (tonfi al cervello) fest. Zur Kur haben sie Eisenpräparate und Elektrizität angewendet, aber mit geringem Erfolge. Der Gemütszustand der Angeklagten sei sehr schwankend, bald äußerst niedergedrückt, bald heftig. Der Zeuge Prof. Giordano bestätigte diese Mitteilungen und fügte hinzu, daß er zur Kur einen chirurgischen Eingriff für nötig halte. Die Krankenschwester Priorin Elena Conta berichtete von schweren Nervenkrisen der Angeklagten. Bei einer solchen sei sie einmal kalt und steif geworden und habe eine Viertelstunde lang mit offenen Augen und Mund dagelegen, so daß man sie für tot gehalten habe. Auf die Frage des Staatsanwaltes, ob derartige Krisen auch bei anderen Gefangenen vorkämen, antwortete die Zeugin: »Ja!« Der Sachverständige Prof. Rossi rief dazwischen: »Was will das bedeuten? Es beweist nur, daß man hysterische Frauen verurteilt hat!« Schwester Bonisola bezeugte, daß die Tarnowska in den Pausen während des Prozesses Nervenkrisen hatte, wobei auch einmal ein Arzt gerufen werden mußte. Die Zeugin gab ferner nicht wiederzugebende Einzelheiten über die nervösen Anfälle der Angeklagten, die so eigentümlich und schwer waren, wie sie ihr bisher unter den Gefangenen noch niemals vorgekommen seien. Während der Verhandlung halte sie sich gewaltsam aufrecht, breche dann aber in der Zelle vollständig zusammen. Ihre Willenskraft sei äußerst schwankend, bald sei sie fest und energisch und bald schwach und lenksam wie ein gutes Kind. Unter den Sachverständigen entspann sich darauf eine Erörterung über die Suggestionierbarkeit der Tarnowska und über ihre Kraft, andere zu suggestionieren. Auf Befragen erklärte Prof. Tommasini: Der Angeklagten sei von ihrem Selbstmordversuch mit Kokain die Nachwirkung geblieben, daß sie, wenn sie nur von Kokain reden höre, aufgeregt und von Unwohlsein befallen werde. Die Sachverständigen gingen[51] hierauf mit ihren Fragestellungen zum intimen Verkehr der Angeklagten mit ihren beiden Mitangeklagten über. Die Tarnowska wiederholte und erläuterte ausführlich, wie sie sich immer, aus natürlichem Widerwillen und angeborener Kälte und auch wegen physischer Störungen ihren Liebhabern verweigert habe. Die physische Liebe habe ihr immer nur Widerwillen, Schmerz und Ekel verursacht. Demgegenüber genüber blieb der Angeklagte Naumow unter einigem Zögern dabei, mit der Angeklagten sehr häufig intimen Umgang gepflogen zu haben, und Prilukow erklärte mit dem Tone des in solchen Dingen vielerfahrenen Mannes, daß die Gräfin im Gegenteil eine in der physischen Liebe leidenschaftliche Frau sei. Auf die Frage nach dem von ihr erwähnten Gespräch über Masochismus erklärte die Tarnowska: Eines Tages haben Naumow, Komarowski und ein masochistischer Dichter in ihrer Wohnung über Masochismus gesprochen. Naumow habe ihr Gedichte zum Lesen gegeben und gesagt, der Mann müsse die Frau bis zu seinem Tode lieben und jede Art physischer und moralischer Schmerzen für sie zu leiden bereit sein. Komarowski habe aber Naumow wegen dieser Ansichten verhöhnt. Der Angeklagte Naumow erhob sich hierauf und erklärte, daß jener Dichter Masochist im physischen Sinne sei, er selbst sei es aber nur im geistigen. Er habe auch masochistische Gedichte verfaßt. Die Tarnowska wurde hierauf gefragt über den Sinn der Unterschrift in ihrem Briefe an Komarowski: »Deine keusche Braut«, sowie über den Widerspruch, der darin liegt, daß sie behauptet, niemals intimen Verkehr mit Komarowski gehabt zu haben, während dieser in einem Briefe an sie geschrieben hat: »Seit dem Augenblick, da ich Dich besessen habe, bist Du meine Frau vor Gott!« Die Angeklagte entgegnete: Die Worte Komarowskis haben keine Bedeutung. Ich kann nur wiederholen, daß mein Verkehr mit Komarowski, ebenso wie mit Naumow, nur äußerlich gewesen ist.

In der Sitzung am 5. April 1910 teilte der Vertreter der Nebenkläger mit, daß die Mutter des Ermordeten, die alte Gräfin Komarowski, als Zeugin erschienen sei. Der Vorsitzende ordnete ihre sofortige Vernehmung an. Unter großer allgemeiner Spannung erschien[52] hierauf die 63 Jahre alte, sehr vornehm, aber ungemein vergrämt aussehende Dame. Sie war vollständig in Trauer gekleidet. Ein dichter schwarzer Schleier fiel ihr bis auf die Schultern. In leisem, ruhigem Tone bekundete sie in fließendem Italienisch: Als sie die telegraphische Nachricht von der Verwundung ihres Sohnes erhielt, hatte sie keine Ahnung von deren Ursache. Sie reiste sofort ab, fuhr 3 Tage und Nächte hindurch, traf ihren Sohn aber schon tot an, und die Ärzte verwehrten ihr die Ansicht des Leichnams. Mit größter Verwunderung vernahm sie die Verhaftung der Gräfin Tarnowska. Sie kenne Naumow und sei der festen Überzeugung, daß dieser ihren Sohn nur unter der suggestiven Einwirkung der Tarnowska ermordet habe. Alle Blicke richteten sich auf die Angeklagte, aber diese blieb unbeweglich. Im Zuhörerraum hörte man das Schluchzen des Vaters Naumows. Der Vater der Angeklagten, Adelsmarschall O'Rurch, sah beunruhigt ruhigt um sich, denn obgleich er kein Wort Italienisch verstand, wußte er doch, daß etwas Außergewöhnliches vor sich ging. Die Zeugin weinte heftig. Auf weiteres Befragen erklärte sie, daß sie die Tarnowska seit etwa sechs oder sieben Jahre kenne. Im Juni 1907 schrieb ihr ihr Sohn von seiner Absicht, die Tarnowska zu heiraten, und bat um ihren Segen. Sie antwortete: Ich will Deinem Glück nicht entgegenstehen, aber bist Du, mein Sohn, wirklich überzeugt, daß diese schöne Frau mit ihrer stürmischen Vergangenheit bereit sein wird, ein neues Leben zu beginnen und sich Dir und Deinem Sohne zu widmen? Wenn sie dazu imstande ist, so möge Gott mit Dir sein; ich werde nicht dagegen sein. Aber ich fürchte außer dem übrigen, daß die Gesellschaft von Orlow sie, und folglich auch Dich, ausschließen wird. Verstehe mich wohl; ihr trauriges Vorleben, der Prozeß ihres Mannes haben so viel Gerede verursacht, daß es leicht unangenehme Folgen für sie haben kann. Nehmen wir aber an, daß sie mit soviel gesundem Menschenverstande und Taktgefühl ausgerüstet ist, um zu begreifen, wie sie sich zu benehmen hat, um die Leute für sich zu gewinnen, dann ist ja alles gut. Wenn nur Du und Granja (der kleine Sohn des Ermordeten) glücklich seid. Ein weiterer[53] Brief der Zeugin gelangte zur Verlesung, in dem sie die jetzige Angeklagte und damalige Braut ihres Sohnes in mütterlich herzlichen Worten zu sich aufs Landgut einlud, zur selben Zeit, als schon der Plan zur Ermordung ihres Sohnes gefaßt war. Die Tarnowska, so etwa fuhr die Zeugin fort, besitze nach ihrer Überzeugung eine außerordentliche Macht über andere. So habe sie über den Sohn ihres Sohnes eine Macht besessen, daß der Knabe bald nach dem Tode seiner heißgeliebten Mutter diese vergessen und nur noch von der Tarnowska gesprochen habe. Auch in ihrer Abwesenheit habe er überall ihre Augen auf sich gerichtet gesehen. Er betete sie an. Als er dann erfuhr, daß sie die Ursache des Todes seines Vaters wäre, erschütterte eine furchtbare Krise das kindliche Gemüt. Er warf alle Geschenke der Tarnowska ins Feuer und wollte nie mehr ihren Namen hören, er, der bis dahin tagtäglich mit Enthusiasmus von ihr gesprochen hatte. »Und denken zu müssen«, sagte weinend die alte Dame, »daß, während das Kind die Tarnowska umarmte und küßte, diese daran dachte, ihm den Vater zu töten!« (Große, anhaltende Bewegung, Ausrufe der Entrüstung.) Auf Befragen erklärte die Zeugin weiter: Es sei richtig, daß Naumow sich von ihrer Tochter 1500 Rubel geliehen habe, die er angeblich zur Tilgung einer Ehrenschuld benötigte; sie selbst habe dazu 1000 Rubel beigesteuert. Nachdem die Zeugin nochmals feierlichst wiederholt hatte, daß ihre feste Überzeugung und diejenige aller ihrer Familienmitglieder dahingehe, daß nur die Suggestion der Tarnowska nowska Naumow zum Mörder gemacht habe, wurde sie entlassen.

Auf Antrag des Verteidigers, Rechtsanwalts Diena, wurden einige im Bureau des Prilukow gefundene Briefe verlesen, die die Tarnowska an Prilukow gerichtet hatte. Es hieß in den Briefen: Ihr Mann sei schwach, und man könne durch suggestive Einwirkung ihn im Prozeß Borgewski aussagen und handeln lassen, wie man wolle. In einem anderen Briefe redete sie davon, daß sie von ihrer Mutter 20000 Rubel verlangt habe, um ihre Schulden in den Geschäften zu bezahlen. Bekomme sie diese Summe nicht, so müsse sie ihre Gläubiger zusammenrufen lassen. An einer[54] anderen Stelle erwähnte sie, daß Stahl gesagt habe, man müsse das schlechte Subjekt von ihrem Manne ertränken. Endlich fand sich in einem Briefe vom 28. Dezember 1904 ihre Liebeserklärung an Prilukow. Dieser letzte Befund bestätigte die von Prilukow in seinem Verhör gemachte Angabe. Der kommissarisch vernommene Gouverneur von Orel hatte bekundet: die Eltern Naumows haben geglaubt, ihr Sohn habe denselben Geist wie sein großer Verwandter Turgeniew.

Die kommissarisch vernommene Frau Prilukow hatte bekundet: Ihr Mann sei, ehe er die Tarnowska kennenlernte, ein guter Familienvater, leidenschaftsloser Mann und fleißiger Arbeiter gewesen. Er habe wiederholt den Versuch gemacht, sich dem Zauber der Tarnowska zu entziehen. Einmal blieb er ihr trotz aller telegraphischen Aufforderungen zwei Monate fern und gab vor, an Lungenentzündung erkrankt zu sein. Die Tarnowska kostete ihrem Mann, der früher bescheiden gelebt hatte, ungeheures Geld. Sie (Zeugin) habe Diner-Rechnungen gesehen, die sich auf 600 Rubel per Abend beliefen. Nach einem Selbstmordversuch verlor ihr Gatte auch seine letzte Widerstandskraft gegen die Tarnowska. Staatsrat Samentzow (Kiew) hatte bei seiner kommissarischen Vernehmung bekundet: Er habe es getadelt, daß die Tarnowska mit Vorliebe französische Bücher gelesen habe und häufig zu wissenschaftlichen Vorträgen und Konzerten ging, augenscheinlich nur, um sich zu zeigen.

In einem amtlichen Schreiben wurde bezeugt, daß Maria Nikolajewna Mura Tarnowska im Adelsregister von Poltawa eingetragen sei.

Es gelangte ferner ein Brief zur Vorlesung, in dem Von Son an seinen Schwager Komarowski schrieb. »Ich habe Deine wunderschöne Braut (die Tarnowska) gesehen. Du wirst glücklich sein, wie ein Fisch im Wasser, mit einer solchen Lebensgefährtin, wie sie Deine zukünftige Frau ist.« Der Brief ist datiert vom 30. August 1907, sechs Tage vor dem tragischen Tode Komarowskis. Über die finanziellen Verhältnisse der Tarnowska hatte der Adelsmarschall Zimbalistof stof von Kiew bekundet. Ihr Vater, Graf O'Rurch, gab ihr ein Monatsgeld von 300 Rubeln, und beim Tode der Mutter erbte sie zusammen mit der Schwester[55] ein Landgut, das ihr eine Jahresrente von 4 bis 5000 Rubeln abwarf. Die Mutter der Tarnowska war gebildet und religiös, und ihre Tochter erhielt von ihr den ersten Unterricht. Letztere war von gutem Charakter und gefälligem Wesen und liebte es, als Kind reicher Eltern, ohne Beschränkung zu leben. Aus mehreren Zeugnissen ging hervor, daß verschiedene Familienmitglieder der Tarnowska mütterlicherseits im Irrenhause leben. Alsdann wurde Kinderfräulein Mathilde Skopin aus Kiew vernommen: Sie sei Kinderfräulein bei der Gräfin Tarnowska gewesen. Diese sei eine vorbildliche Mutter gewesen und habe ihr Personal sehr gut behandelt, so daß sie sehr geliebt wurde. Die Tarnowska hielt auch nach dem Streit mit ihrem Mann ihre Kinder an, für ihn zu beten. Auch diese Zeugin hat nervöse Krisen bei der Tarnowska während der Schwangerschaft beobachtet.

Der Student Zolotariew, der Hauslehrer bei den Kindern der Tarnowska war, bestritt energisch, daß er ein Geliebter der Tarnowska gewesen sei.

Frau Orerowsky, eine entfernte Verwandte der Tarnowska, schilderte diese als eine gute und anhängliche, aber launenhafte Person. Manchmal habe sie viel Energie entfaltet, und dann sei sie wieder ganz willenlos los gewesen. Auch diese Zeugin führte die neuropathische Anlage der Tarnowska auf ihre Abstammung zurück.

Eine englische Lehrerin, die gleichfalls im Hause der Tarnowska tätig war, bestätigte die Aussagen von Fräulein Skopin und sagte, es sei rührend gewesen, wie die Kinder jeden Morgen und jeden Abend das Bild ihres Vaters küßten.

Ingenieur Toburno bekundete als Zeuge: Als seinerzeit der Geliebte der Gräfin, Graf Borgewski, von dem Grafen Tarnowski erschossen wurde, berichteten die Zeitungen, die Gräfin habe ihren Mann zu der Mordtat angestiftet, damit dieser nach Sibirien verschickt und sie dadurch von dem verhaßten Gatten befreit würde; die Gräfin sei damals von den Zeitungen als eine Kurtisane geschildert worden. Später seien noch andere der Gräfin ungünstige Gerüchte im Umlauf gewesen, darunter die Behauptung, daß die Gattin des Grafen Komarowski von ihr vergiftet worden sei.

Es folgte die Aussage eines früheren Kammerdieners der[56] Gräfin Tarnowska, Eulampio. Dieser schilderte die Gräfin als eine stets gütige Herrin und als ein Opfer der Schlechtigkeit ihres Gatten. Er wußte, daß sie Borgewski liebte. Von anderen Liebesverhältnissen der Gräfin hatte er nichts bemerkt. Prilukow sei ihm wohl bekannt, aber er habe ihn stets nur als juristischen Berater der Gräfin angesehen. Er wisse auch, daß Prilukow oftmals Geld von der Gräfin erhalten habe. Der Graf Wassili Tarnowski habe nach der Trennung von seiner Gemahlin ein regelloses Leben geführt, das ihn schnell vollständig ruinierte, die Gräfin aber sei von ihrem Vater, der sehr reich sei, stets ausgiebig mit Mitteln versehen worden.

Es wurde sodann das amtliche Leichenschauprotokoll verlesen, das sogleich nach dem Tode des Grafen Komarowski im Krankenhause aufgenommen wurde. In diesem hieß es, der Graf sei an einer durch die Schüsse verursachten Bauchfellentzündung gestorben; von einem Einfluß der Behandlung auf das Ableben des Grafen war nicht die Rede. Während der Verlesung dieses Aktenstückes bemächtigte sich des Angeklagten Naumow große Niedergeschlagenheit.

Tatjana Natschenka, eine Kammerzofe bei der Mutter der Gräfin, war voll Lobes über die Tarnowska. Diese habe ihre Leute stets aufs humanste behandelt. Sie bestätigte dann, daß Prilukow alle Augenblicke ins Haus kam oder jemanden schickte, um sich von der Gräfin Geld geben zu lassen.

Vors.: Kam Ihnen die beständige Anwesenheit Prilukows am Tische der Gräfin nicht seltsam vor?

Zeugin: Nicht im geringsten; ich glaubte, der Herr wäre bei der Gräfin in Pension. (Heiterkeit.)

Vors.: Aber Prilukow schlief doch auch im Hause der Gräfin Tarnowska?

Zeugin: Ja, weil die Gräfin Angst hatte, man könnte ihr ihren Sohn rauben!

Vors.: Kannten Sie den jungen Bruder des Grafen Tarnowski, der sich das Leben nahm?

Zeugin: Es war ein Schüler, der trotz seiner großen Jugend sich amüsierte wie die großen Leute und übermäßig trank.

Vors.: Warum beging er Selbstmord?

Zeugin: Weil er Examenzeugnisse gefälscht hatte.

Vors.: Hörten Sie, daß die Tarnowska diesen jungen Mann verführt oder zu verführen versucht habe?

Zeugin (mit großem Pathos): Niemals! Frau Gräfin wäre dazu[57] nicht imstande gewesen!

Es wurden alsdann die medizinischen Sachverständigen vernommen. Professor Dr. Biardin faßte sein Gutachten über Naumow dahin zusammen: Er halte Naumow als absolut unverantwortlich für das von ihm begangene Verbrechen, weil er es als Neurastheniker unter gänzlich aufgehobener Willensfreiheit und bei stark vermindertem Bewußtsein begangen habe.

Ein bekannter Frauenarzt Professor Dr. Bossi (Genua) äußerte sich über die kriminelle Verantwortlichkeit der Tarnowska: Die Angeklagte leidet an einer schweren Krankheit der Gebärmutter, die sie sich durch zu frühe Verheiratung, im 17. Jahre, als ihre Menstruation noch nicht eingetreten war, zugezogen hat. Die Tarnowska stellt einen typischen Fall von Frauenkrankheit dar, bei dem das Strafrecht ebenso für die Frauen, wie bei der Trunksucht für die Männer einen Strafmilderungsgrund in Anrechnung bringen sollte. Die näheren Ausführungen, die der Gutachter durch Zeichnungen auf einer großen Tafel erläuterte, können aus Schicklichkeitsgründen nicht einmal angedeutet werden.

Alsdann nahm der Psychiater Prof. Morselli aus Genua das Wort, der zunächst den physischen und psychischen Krankheitszustand der Tarnowska schilderte. Ihre neurotische Veranlagung wurde durch die frühe Verheiratung, aus dem Kloster hinweg, und die unvermittelte Einführung durch ihren Ehemann in ein ausschweifendes Leben schwer verstärkt. Die örtliche Erkrankung der Gebärmutter brachte Blutvergiftungserscheinungen und Nervenerkrankungen mit sich, an denen die Angeklagte chronisch leidet. Überdies hat die Tarnowska eine Wanderniere, die sehr ungünstig ihre Gehirn – und Nerventätigkeit beeinflußt. Dazu kommt noch der zeitweise starke Gebrauch von Arzneigiften, wie Äther, Morphium, Kokain usw., ihre sehr schwere Erkrankung an Typhus und die Folgen des Bisses eines tollen Hundes. Die Tarnowska ist neuro-hysterisch von Geburt, und ihre Krankheit wurde verschlimmert durch ihre Umgebung und ihre Lebensschicksale. Von einer bewußten Beeinflussung dritter Personen könne bei ihrem Zustande keine Rede sein. Ihre Intelligenz ist kaum mittelmäßig, dafür zeugt schon ihre gänzlich verfehlte, kindische Verteidigung.[58] In Betracht zu ziehen ist auch das besondere russische Milieu und die Liebe zum Alkohol, die dort in den höheren Klassen allgemein ist. In dem Käfig sehen wir hier drei Kranke, denn auch Prilukow ist krank, aus Überarbeitung und Trunksucht. Nach den italienischen Gesetzen müsse unbedingt der Paragraph 47 des Strafgesetzbuches für die Tarnowska in Anwendung kommen, der eine Strafminderung wegen physischer und geistiger Schwäche vorsieht.

Während dieses Vortrages wurde die Angeklagte wiederholt von Unwohlsein befallen.

Professor Dr. Cappeletti, Direktor des Irrenhauses zu Venedig, führte aus: Der Körperbau Naumows weist zwar äußerlich keine Anomalien auf, aber seine innere physiologische und psychologische Struktur ist unregelmäßig. Am meisten waren die Anomalien in den Funktionen des Gefühls und der Bewegung nachzuweisen. Wir haben festgestellt, daß Naumow eine ausgesprochene krankhafte psychische Anlage hat. Die freiwillige Aufmerksamkeit ist mangelhaft und wenig widerstandsfähig; seine Phantasie ist so lebhaft, daß er als Kind Geschichten erfand und als Jüngling sich an phantastischen Bildern ergötzte. Sein Gedächtnis ist gut und zeigt nur Lücken für die Zeit, wo er in die Tarnowska verliebt war, weil damals seine ganze Seele in diesem Leidenschaftsfeuer polarisiert wurde. Er ist durchaus moralisch und kein geborener Verbrecher. Sein Wille ist schwach, was ein Zeichen der Entartung ist und abulisch (willensschwach) in der wissenschaftlichen Bedeutung des Wortes. Naumow hat ein starkes Gefühl für seine persönliche Würde, das ihn in der Verhandlung und im Verkehr mit den ärztlichen Sachverständigen bei all seiner Nachgiebigkeit nie verlassen hat. Und diese Würde opferte er den Frauen, die er liebte, und zuletzt der Tarnowska. Im Mangel an Gleichgewicht haben wir die bedeutendsten Stigmata seines Charakters zu finden. Es handelt sich nicht um eine leichte Disharmonie, wie man sie auch bei normalen Menschen findet, sondern um schreiende Widersprüche, die sein Betragen unsicher und kontrastisch machen. Naumow ist ein überempfindlicher, aus dem Gleichgewicht gekommener abulischer Mensch, ein von der[59] Wissenschaft erkannter krankhafter Typus. Zu seiner nervösen Anlage kommen noch die beiden Kopfwunden, die er beim Stoß gegen ein Floß in der Wolga und beim Sprung vom Billard erhalten hat. Naumow hat zunächst eine Anlage zu verminderter Zurechnungsfähigkeit gehabt, die dann voll entwickelt wurde, als er die Tarnowska kennenlernte und dadurch ganz aus dem Gleichgewicht kam. Die Zeugenaussagen lassen keinen Zweifel darüber, daß er suggestiven Einwirkungen schon unter normalen Umständen stark unterworfen war. Ob die Tarnowska eine außerordentliche Suggestionskraft besaß, ist gleichgültig, da es einer solchen gar nicht bedurft hätte, um den Naumow eine Tollheit begehen zu lassen. Naumow war gegenüber der Tarnowska immer Sklave; es ist klar, daß die Tarnowska ihm das Verbrechen erst einredete und es ihm dann befahl. Dies beweisen das gefälschte beleidigende Telegramm, die Reden der Tarnowska bei dem Gange zum Grabe Stahls und die Depeschen, die sie dem Naumow auf der Reise schickte. Naumow hat nicht aus Eifersucht gehandelt und das Verbrechen nur unter der Herrschaft eines fremden Willens vollbracht. Dieser Schluß wird auch durch die Aussage der Mutter des Ermordeten bestätigt.

Prof. Belmondo, Direktor der Klinik für Geisteskrankheiten an der Universität Padua, ergänzte diese Ausführungen gleichzeitig im Namen des Professors Borri dahin, daß Naumow ein konstitutioneller Neurastheniker und Masochist sei. Die Masochisten haben immer einen schwachen und willenlosen Charakter. Naumow habe in einem Zustand gehandelt, der seine Verantwortlichkeit zwar nicht ausschließe, aber sie doch stark einschränke.

Prof. Dr. Bianchi von der Universität Neapel, einer der bedeutendsten Psychiater Italiens und ehemaliger Unterrichtsminister, führte aus: Naumow hat keinen Charakter und ein ganz exzentrisches Gemüt. Seine organischen Funktionen erfolgen ungleich und mit Unterbrechungen, besonders sind Herzklopfen, Sprünge in der Blutzirkulation und Blutandrang nach dem Kopf festzuhalten. Seine Liebeserlebnisse beweisen, bis zu welchem Grade seine Erregbarkeit geht. Alle aus dem psychischen Trauma hervorgehenden Folgen,[60] darunter der Alkoholgenuß, sind an Naumow festzustellen. Er hat nicht die Seele eines Verbrechers, der Gedanke zum Verbrechen ist von außen in sein Hirn eingeführt worden. Eine nicht verbrecherische Anlage braucht sich im hypnotischen Zustande gegen den Gedanken des Verbrechens nicht aufzulehnen. Die Suggestion hat eine ungeheure Macht. Es ist leicht einzusehen, welche Revolutionen im Gefühl Naumows durch die lakonischen Telegramme der Tarnowska »Teurer!« und »Du bist mein!« hervorgerufen wurden. Die Tarnowska bediente sich der indirekten Suggestion, die, wie die Versuche beweisen, viel wirksamer ist als die direkte. Die Hysteriker zerfallen in zwei Gruppen, in die der Sklaven, zu der Naumow gehört, und in die der Herrschenden und Erobernden, zu der die Tarnowska zählt. In dem von der Revolution heimgesuchten Rußland ist der Wert des Lebens gesunken, und es sind wirkliche Selbstmord-Epidemien en entstanden. Bei der Beurteilung des Verbrechens muß man den Kreis berücksichtigen, aus dem Naumow kommt.

Professor Dr. Borri, Gerichtsarzt in Florenz, schloß sich vollständig den Ausführungen des Prof. Morselli, soweit sie die klinische Beurteilung des Krankheitszustandes der Tarnowska betreffen, an. Auch für ihn ist die Tarnowska erblich hysterisch belastet, und ihr Zustand hat sich durch die späteren Umstände verschlimmert. Er geht sogar soweit, die Tarnowska eine geistig Kranke im Sinne des Gesetzes zu nennen. Die Handlungen, für die sie hier angeklagt ist, entbehren jedoch des spezifischen hysterischen Charakters, der einheitlichen, momentanen Betätigung. Sie sind vielmehr fortgesetzt und mit Überlegung ausgeführt, und es ist daher nicht der Artikel 47 anwendbar, der von einer bedeutenden Verminderung der Verantwortlichkeit spricht, sondern andere Artikel, die nur eine Verminderung der Verantwortlichkeit im allgemeinen zulassen.

Prof. Dr. Eugenio, Tanzi, Geisteskrankenarzt aus Florenz, begutachtete bezüglich der Tarnowska: Als unreifes, unerfahrenes Mädchen, 16 Jahre alt, aus dem Kloster weg geheiratet und durch einen ausschweifenden Ehemann in das Leben eingeführt, konnte sie sich nur ein Zerrbild vom Werte des Lebens, des Geldes usw.[61] machen. Ihre ganze Umgebung glich einer Gesellschaft sellschaft von Verrückten. Ihr Mann läßt sich von ihr in ihrem Bette mit dem Dienstmädchen überraschen, der Bruder ihres Mannes erhängt sich, Borgewski hält die Hand vor ihren Gewehrlauf und läßt sie sich zerschmettern, um ihr seine Liebe zu beweisen, Stahl tötet sich, weil sie ihn nicht erhören will. Alles dies mußte furchtbar auf ihren Nervenzustand und ihr Gemütsleben einwirken. Ihr Hysterismus wurde hierdurch verschärft und damit ihre Unfähigkeit, sich selber zu beherrschen. Der Hysterismus der Frauen ist auch der Grund ihrer Launenhaftigkeit, und aus dieser entspringen die Lügen. Mit einem solchen Fall pathologischer Launenhaftigkeit haben wir es bei der Tarnowska zu tun.

Der Gutachter mußte hier abbrechen, da die Tarnowska unwohl geworden war. Sie wurde hinausgeführt. Die Ärzte bemühten sich um sie und stellten 150 Pulsschläge in der Minute sowie vollständige Unempfindlichkeit fest. Nach etwa einer halben Stunde war die Angeklagte wieder imstande, ihren Platz einzunehmen. Prof. Tanzi beendigte sein Gutachten, indem er für die Tarnowska die Anwendung des Artikels 47 des Strafgesetzbuches, starke Verminderung der Verantwortlichkeit, forderte.

Es wurden alsdann die medizinischen Sachverständigen über die Ursachen des Todes des Grafen Komarowski vernommen: Dr. Menini vom Hospital in Venedig begutachtete: Die schwerste der Wunden Komarowskis war die am Unterleib. Das Geschoß hatte die Eingeweide gerade an einer Windung getroffen und dadurch acht Löcher geschlagen. Ich glaubte, daß ein Teil der Gedärme nur tangential getroffen worden war. Das Geschoß fand ich dann in einem Muskel. Ich machte eine: dreifache Naht und ließ auf alle Fälle noch einen Zapfen darin. Während der Operation unterhielt sich Komarowski mit dem russischen Konsul und dem Untersuchungsrichter, die anwesend waren. Die Operation wurde ohne Narkose vorgenommen, und der Patient verlangte sogar eine Zigarette. Der zweite Tag verlief recht gut, am dritten wurde die erste Medikation vorgenommen und dem Primarius der günstige Verlauf gemeldet. Am vierten Tag kam der Primarius Professor Cavazzani. Als der Zapfen weggenommen[62] wurde, stellte man einen Erguß fest, und befürchtete eine Bauchfellentzündung. Auf Anordnung des Primarius trennte ich die Naht auf und pumpte dem Patienten den Magen aus, da er an Blähungen litt. Darauf trat eine auffallende Verschlimmerung ein, und der Kranke bekam das Delirium. Auf die Frage eines Verteidigers gab Dr. Menini zu, daß die Krankenwärter während der Medikation bemerkten, wie die Eingeweide überall heraussprangen und sie sie nicht mehr zurückhalten konnten. Als der Vorsitzende dem Dr. Menini mit den Karabinieri drohte, wenn er mit dem Aussagen zurückhalte, gab er zu, daß nach seiner Ansicht die Auspumpung des Magens erst den Austritt der Gedärme verursacht habe. Nach diesem Austritt und der Wiedereinordnung der Därme sei es offenbar gewesen, daß Komarowski verloren war. Er habe auch die ganze Operation beklagt.

Dr. Facta, ein anderer Hospitalarzt, bestätigte diese Aussage. Soweit er sich erinnerte, sagten ihm seine Kollegen, der Tod Komarowskis sei infolge der Auspumpung des Magens eingetreten. Wenn er selbst die Operation hätte vornehmen müssen, so hätte er die durchlöcherten Teile des Darms entfernt, die beiden Enden zusammengenäht und so eine statt acht Wunden gehabt. Aber als untergeordneter Arzt habe er geschwiegen.

Einen höchst eigentümlichen Eindruck machte Professor Cavezzani, der Primarius, der die verhängnisvolle Operation angeordnet hat. Er wollte sich an gar nichts mehr erinnern, nicht einmal daran, überhaupt den Komarowski behandelt oder auch nur je gesehen zu haben. Eine Reihe von Krankenwärtern und Schwestern wurden telephonisch berufen und bestätigten, was die anderen Ärzte schon ausgesagt hatten, nämlich daß Cavezzani nicht nur bei der Operation anwesend war, sondern auch die Auftrennung der Naht und die Auspumpung des Magens angeordnet hatte. Cavezzani sagte darauf: Er bestreite die Aussagen gen aller dieser Zeugen gar nicht, nur habe er selbst die Erinnerung an den Vorgang absolut verloren, da er bei einem Zwischenfall während einer Operation sich ein Leiden zugezogen habe. Sein Gedächtnis habe sich seitdem geschwächt, und seit dem November 1909 habe er sich[63] deshalb von der Praxis zurückgezogen. Ein Krankenwärter, der darüber befragt wurde, hat jedoch nie etwas von dieser Gedächtnisschwäche bemerkt.

Professor Dr. Trevisan kam zu dem Schluß, daß die Wunde tödlich und die ärztliche Behandlung im allgemeinen richtig war. Der operative Eingriff sei unbedingt nötig gewesen, da der Darminhalt auslief. Die Aussage der behandelnden Ärzte, daß sich Komarowski vor der Operation wohlbefand, sei zu unbestimmt. Dr. Coccon hatte erklärt, und auch Dr. Menini hat zugegeben, daß Komarowski Brechreiz empfand. Das beweise, daß Bauchfellentzündung im Anzuge war. Im besonderen verteidigte dann der Sachverständige die vom Professor Cavezzani angewandte Operationsmethode; Cavezzani ließ die Naht auftrennen, damit die giftigen Stoffe leichter aus der erweiterten Wunde austreten konnten. Bei dem vorhandenen Brechreiz sei die Auspumpung des Magens nötig gewesen, und es habe durchaus nicht gegen die Regeln der Heilkunde verstoßen, daß diese Operation bei offenem Bauch vorgenommen wurde. Der anatomische Befund habe keinen Anhalt für die Annahme ergeben, daß Komarowski an einem bei der Operation erlittenen Nervenschlag gestorben sei. Man solle die Unvollkommenheiten der Chirurgie nicht dem Chirurgen zur Last legen. Nur an der von Naumow ihm beigebrachten Wunde sei Komarowski gestorben.

Prof. Dr. Borri schloß sich diesem Gutachten im wesentlichen an. Er ist zwar der Meinung, es wäre besser gewesen, die Bauchnaht vor der Auspumpung nicht aufzutrennen. Doch wäre es ein Irrtum, anzunehmen, diese Unkorrektheit in der Operationsmethode habe den Tod Komarowskis herbeigeführt. Prof. Dr. Giordano, Primärarzt am Hospital von Venedig: Bauchwunden verlaufen meistens tödlich, wenn man operiert, dagegen beweisen die Erfahrungen des Russisch-Japanischen Krieges, wie leicht man den Verwundeten durch einfache Unbeweglichkeit heilt. Im Transvaalkriege erhielt man vernichtende Ergebnisse, als man bei Unterleibswunden die Laparotomie anwandte. Professor Cavezzani war an dem Tage, wo er die Operation vornahm, nicht bei Sinnen. Es sei nicht von so großer Bedeutung, daß bei[64] der Operation nach der Versicherung eines Krankenwärters Cavezzanis Hand zitterte. Nicht die unsichere Hand, sondern der unsichere Kopf eines Chirurgen führen zu Unheil. Nicht eine von selbst entstandene Peritonitis führte Komarowski zum Tode, sondern die angewandte Prozedur: zedur: das gewaltsame Einfüllen der Gedärme mit vielleicht nicht allzu reinen Händen habe die Peritonitis erzeugt. Nicht an einem Nervenschlag sei Komarowski gestorben, sondern schlimmer: die chirurgische Behandlung war mehr als die Nebenursache, sie war die eigentliche Ursache zum Tode Komarowskis. Er persönlich glaube, daß Komarowski ohne die begangenen Fehler gerettet worden wäre, denn sein Zustand (Temperatur, Besinnung und Stimmung) ließen das Beste erhoffen.

Professor Dr. Maselli begutachtete noch: Das Abenteurerleben hat die neurotische Anlage der Tarnowska bis zur Störung der Seelenvorgänge gesteigert. Es trat die moralische Anästhesie ein, die sie zum Verbrechen führte. Die Tarnowska leidet an Idiosynkrasie. Ihre Bildung ist von leichtem Gewicht wie gewöhnlich die der Weltdamen. Obwohl die Tarnowska von Natur gutmütig war, wie sie durch ihr Betragen gegen ihre Eltern, ihre Kinder und niedriger Stehende bewies, so hatte doch die Neurose bei ihr die höhere ethische und moralische Sphäre verletzt. Wie alle neuropathischen Frauen, hat auch die Tarnowska eine erotische Psyche und hat nach der Trennung von ihrem Mann, vielleicht unter dem Einfluß romantischer Lektüre, ihr »Ideal« gesucht. Eine Herrscherin war die Tarnowska nur für die, die sich beherrschen ließen, und vielleicht hat der Neid auf die imponierende Erscheinung viele Urteile über sie pessimistisch gefärbt. Jedenfalls sehen wir auf der Anklagebank nicht etwa eine Bändigerin neben zwei gezähmten Löwen, sondern die Männer haben sich zu verteidigen verstanden, die Frau aber nicht. Die Lebensschicksale haben die Neurose der Tarnowska noch erhöht und ihr Gemüt verändert. Jahrelang spricht man um sie herum von nichts anderem als von Tollheit, Selbstmorden, Morden, Duellen, erotischen Ausschweifungen, Ehebrüchen, Ehescheidungen und Kindesentführungen. Diese ganze slawische Welt um die Tarnowska herum[65] scheint ein Irrenhaus: alles ist im Exzeß. Die Angeklagte hat von der Hysterie alle Erscheinungen: die paroxystischen und die interparoxystischen auf physischem und psychischem Gebiete. Die Liebesabenteuer haben den Lebenslauf der Tarnowska schwer gestört; aber das ist nicht zu wichtig, denn das ist auch der Fall bei vielen Damen, die heute geachtet und geehrt die Salons beleben. Der erste Geliebte, Borgewski, hat der Tarnowska mit seinem Blute eine ganz außerordentliche Liebesprobe gegeben, ihre anderen Liebesabenteurer aber haben nichts Außerordentliches an sich. Die Tarnowska ist keine vollkommen Irrsinnige, sondern sie ist in hohem Grade mit partieller moralischer Anästhesie behaftet. Bei dem pathologischen Zustand Prilukows und der Tarnowska, bei ihrer Jagd nach Zerstreuungen mußte der Plan zum Verbrechen von selbst entstehen, ohne daß irgend jemand bewußt die Initiative dazu ergriffen hat. Hysterie und Verbrechertum hängen eng zusammen, und diese Ansicht der positiven italienischen Schule wird auch von den Geschworenen in Rußland geachtet. Die Tarnowska hat eine Gemütskrakheit, die ihr Bewußtsein und ihre Willensfreiheit einschränkt. Deshalb muß § 47 des italienischen Strafgesetzbuchs (beschränkte Verantwortlichkeit) angewandt werden.

Dr. Coceon vom Hospital in Venedig: Er habe die Überzeugung, daß Komarowski gerettet werden konnte. Er habe noch nie gehört, daß ein Magen bei geöffnetem Unterleib ausgepumpt worden sei.

Professor Dr. Giordano bemerkte noch: Die Krankenwärter haben, als sie in augenblicklicher Abwesenheit des Arztes die Gedärme wieder einfüllten, wahrscheinlich mehr Kraft als erforderlich war, angewendet.

Es folgten die Plädoyers. Es nahm zunächst das Wort der Vertreter der Nebenkläger, Rechtsanwalt Dr. Feder: Die Angeklagten haben durchaus die charakteristischen Linien, mit denen sich das Strafgesetzbuch beschäftigt. Die Psychologen haben ihr Gutachten auf phantastische Erzählungen und schlecht begriffene Tatsachen gegründet. Diese Psychologie eignet sich für das Laboratorium, aber nicht für das Schwurgericht. Zur Entlastung der Tarnowska ist sogar ihr Negativismus herangezogen worden;[66] nach dieser Methode müßten alle Angeklagten, die leugnen, als am Negativismus erkrankte betrachtet werden. Man hat das Verbrechen auch als »slawisch« entschuldigen wollen, aber dabei nicht bedacht, daß auf dem italienischen Thron eine Slawin sitzt. Der Vertreter der Nebenkläger gab dann ein langes Exposé über den Lebenslauf der Tarnowska und die Geschichte des Verbrechens. Der Tatbestand sei klar und lasse keinen Zweifel, daß alle Angeklagten schuldig seien und vorsätzlich gehandelt hätten. Die durch die sieben Schußwunden hervorgerufene Bauchfellentzündung allein habe den Tod Komarowskis hervorgerufen. Naumow hätte ohne den von der Tarnowska erhaltenen Antrieb nicht gehandelt, Prilukow sei kein Komplize, aber mitschuldig, da er Naumow nicht zurückhielt, als dieser in Komarowskis Haus ging, und die Tat geschehen ließ. Er glaube nicht an die lange Krankheitsgeschichte der Tarnowska; diese Angeklagte sei immer gereist, aber nicht, um Heilbäder aufzusuchen, sondern nach den Orten, wo Neuropathen sich zerstreuen können. Während für den Leumund Prilukows angesehene Zeugen wie der Präsident Pisarew, der Ingenieur Toburno und der Advokat Manowsky eingetreten sind, habe die Tarnowska Entlastungszeugen nur unter ihren Verwandten und Dienern nern gefunden, obwohl sie 20000 Franken für die Kosten der Zeugenvernehmung hinterlegte. Schließlich wandte sich Rechtsanwalt Dr. Feder noch heftig gegen die Perier, die der Tarnowska jedweden Dienst geleistet habe, ohne auch solche Leistungen zu verweigern, denen sich eine Frau mit auch nur einer Spur von Moralität entzogen hätte. Der Lebensversicherungsantrag war das Todesurteil des Grafen. Die Tarnowska hat daraufhin alles in Bewegung gesetzt, um den Mordplan zu beschleunigen. Diese dämonische Frau suchte erst die Männer physisch zu vernichten, um sie willenlos zu machen, und wenn sie dann keinen Widerstand mehr leisten konnten, bediente sie sich ihrer für die eigenen Zwecke. Der Vertreter der Nebenkläger verlas hierauf die zwischen der Tarnowska und Prilukow gewechselten Telegramme, in denen die ersten Fäden des Verbrechens zu finden seien. Er erinnerte an die Details der Zusammenkunft der vier[67] Angeklagten in Wien, bei der die letzten Vorbereitungen zum Mordplan ausgearbeitet wurden. Naumow wollte, als Frau v. Tarnowska ihm die apokryphe beleidigende Depesche vorzeigte, nach Venedig eilen, um den Grafen Komarowski zum Duell zu fordern. Sie überredete ihn jedoch, den Grafen nicht zu fordern, sondern ihn zu ermorden, da sie befürchtete, daß Naumow in dem Duell hätte getötet werden können, worauf ihr Plan, die Lebensversicherungsprämie mie zu erhalten, zu Wasser geworden wäre. Die Tarnowska spielte ein teuflisches Doppelspiel. Sie reiste mit Naumow nach Rußland, um sich ihm hinzugeben, spielte die durch den Grafen Beleidigte und stachelte seine Eifersucht auf, um ihn auf jede mögliche Weise zum Morde zu treiben. Währenddessen schickte sie dem Grafen die zärtlichsten Liebesdepeschen. Die Tarnowska ist also wohl überlegt und mit einer nie dagewesenen zynischen Ruhe bei der Vorbereitung zum Verbrechen vorgegangen. Sie und Prilukow hatten auch vereinbart, daß Naumow nach verübter Tat aus dem Wege geräumt werden solle. Prilukow hat in Wien zwei Detektivs angeworben, um ihn verhaften zu lassen. Die Tarnowska hat auch den Naumow ersucht, jeden Verdacht von ihrer Person fernzuhalten. Dieser Mordplan wurde in Anwesenheit und unter Teilnahme der Perier beraten und vorbereitet.

Die Vertreter der Perier protestierten hier gegen die Behauptungen des Dr. Feder, daß die Perier an dem Morde beteiligt sei. Zwischen Dr. Feder und den Verteidigern der Perier kam es zu einem lebhaften Wortwechsel, dem aber der Vorsitzende bald ein Ende machte. Dr. Feder besprach sodann alle Vorgänge am Vorabende des Verbrechens und das Telegramm der Tarnowska an Prilukow bezüglich der Waffe, deren sich Naumow bei Verübung der Tat bedienen sollte. Er erinnerte daran, daß die Tarnowska in Wien bereits ein Geständnis abgelegt habe, das sie auch hier nicht zurückziehen konnte. Die Geschworenen werden daher die Schuld der Tarnowska bejahen sowie auch bezüglich der anderen Angeklagten annehmen müssen, daß sie das Verbrechen in voller geistiger Klarheit und mit Vorbedacht begangen haben. Nur von Naumow könnte man sagen, daß er das[68] Verbrechen nicht begangen, wenn ihn die Tarnowska nicht dazu getrieben hätte. Man hat um die Tarnowska eine Legende gesponnen, man hat gesagt, sie bezaubere alle; aber wir haben sie jetzt hier über einen Monat vor uns, und sie hat niemand von uns bezaubert, sondern nur Ekel eingeflößt. Sie ist eine Hochstaplerin, voll von Lastern und ohne Skrupel. Dr. Feder kam sodann auf die Perier zu sprechen und sagte: Die Perier ist uns während der Verhandlung wie eine Schlange aus den Händen geglitten. Aber sie war es, welche die Geliebten der Tarnowska zuführte, sie war die Zuhälterin der Tarnowska.

Staatsanwalt Randi beantragte das Schuldig gegen alle vier Angeklagte. Es sind drei Barbaren in europäischer Kleidung, die Elisa Perier die Schmach der menschlichen Gattung. Nicht Laparotomie habe Komarowski ins Jenseits befördert, sondern die acht von Naumow erhaltenen Wunden. In drei Perioden zerfalle das Leben der Tarnowska: die erste gehe bis zum Tode des Borgewski, die zweite bis zum Tode der Gräfin Komarowski und die dritte bis zur Ermordung Komarowskis selbst. Drei Daten, drei Leichen! Wie könne man die Tarnowska als willensschwach bezeichnen, wo sie sich schon mit siebzehn Jahren gegen den Willen ihrer Eltern verheiratet habe! Der Staatsanwalt bezeichnete dann die Tarnowska als eine der Abenteuerinnen, wie man sie mit dem Ellbogen unter den Prokuratien anstoße, und wandte sich darauf scharf gegen Naumow. Dieser Jüngling habe Baudelaire übersetzt und sich literarisch betätigt, er sei sich also seiner Handlungen wohl bewußt gewesen. Er habe nicht in somnambulischem Zustand gehandelt und sei auch nicht hypnotisiert gewesen; er sei für seine Tat voll verantwortlich. Die Sachverständigen haben ihre Untersuchungen an einem durch den Kerker geschwächten Individuum vorgenommen. Auch die Frage der Vorsätzlichkeit sei für Naumow zu bejahen; nicht einmal der lange Zeitraum habe ihn von seiner Tat zurückgehalten. Die Tarnowska, so fuhr der Staatsanwalt fort, ist die moralische Anstifterin des Verbrechens; sie hat zuerst den Gedanken daran in Naumows Seele gelegt und ihm den Plan dazu bis zu allen Einzelheiten vorgezeichnet. Die Frauenkrankheit[69] der Tarnowska kann nicht als Entschuldigung gelten, da Tausende anderer Frauen dieselben Leiden haben, ohne zu Verbrecherinnen zu werden. Für Prilukow haben die Verteidiger keine Psychiater als Sachverständige herangezogen, und trotzdem wollen sie ihn für nicht zurechnungsfähig hinstellen. Es ist einerlei, ob Prilukow oder die Tarnowska zuerst den Gedanken an das Verbrechen gehabt hat; es genügt, daß sie gemeinsam Naumow dazu veranlaßt haben. Auch die Perier ist am Tode Komarowskis mitschuldig. Sie hat um alles gewußt, um die Liebesabenteuer der Tarnowska und um die Geldverlegenheiten; sie hat an dem Mahle teilgenommen, währenddessen Naumow zum Verbrechen gereizt wurde, wie sie schon vorher Prilukow zum Selbstmord reizen wollte. Deshalb ist auf Teilnahme am Verbrechen, wenn auch eine nicht notwendige Teilnahme, zu erkennen.

Verteidiger für Naumow, Rechtsanwalt Marigonda, erinnerte an die Aussage der Mutter des gemordeten Komarowski, daß Naumow das Verbrechen nicht begangen hätte, wenn es ihm nicht von der Tarnowska suggeriert worden wäre. Die Stimme der Toten (Borgewski und Stahl), die Stimme der Lebendigen und die Stimme der Wissenschaft, der Psychiater, sie alle bezeugen die suggestive Kraft der Tarnowska. Schließlich hob der Verteidiger noch hervor, daß auch die ärztlichen Sachverständigen Naumow für unverantwortlich erklärt haben.

Advokat Driussi: Naumow hat sich als zweiundzwanzigjähriger unerfahrener Jüngling, der schon Zeichen von anormaler Geistesverfassung gegeben hatte, in die Tarnowska verliebt. Als er das Verbrechen beging, hatte er nicht die geringste Ahnung davon, daß es nur des Geldes halber geplant worden war. Die Tarnowska beherrschte alle Männer, und selbst Komarowski erklärte sich in einem Briefe an sie bereit, für sie ein Verbrechen zu begehen. Dem ganzen Plan zum Verbrechen stand Naumow fern, ja, er war sogar abwesend, als der Plan gefaßt und ausgearbeitet wurde. Selbst als er aufs höchste gereizt worden war, dachte er nicht daran. Komarowski zu ermorden, sondern wollte ihn fordern. Erst als die Tarnowska ihn auf das Grab Stahls geführt und ihm die Ergebenheit Borgewskis[70] und Trubetzkoys vorgehalten hatte, war er zum Verbrechen bereit. Nach der Tat aber brach er sofort reuevoll zusammen.

Advokat Dr. Luzzatti suchte nachzuweisen, daß Prilukow nur infolge der Künste der Tarnowska gefallen sei. Ehe er sie kannte, war er ein ganz anderer Mensch. Nachdem er schon seine Familie und seine Praxis verloren hatte, wollte er wenigstens seine Ehre retten und machte einen Selbstmordversuch. Er wurde gerettet und kehrte zu seiner Familie zurück, aber die Tarnowska zog ihn wieder an sich und stieß ihn die schiefe Ebene hinunter. Der Verteidiger behauptete dann: 1. die Tarnowska hat den Plan allein ausgedacht und ihn vor Prilukow in der ersten Periode verborgen; 2. Naumow wurde von der Tarnowska zum Verbrechen vorbereitet, ohne daß es Prilukow wußte; 3. die Tarnowska veranlaßte ohne Wissen Prilukows den Komarowski, sich zu versichern und sein Testament zu machen, und 4. wollte die Tarnowska diesen Plan ausführen, auch wenn Prilukow stürbe; ja sie wollte sogar den Tod Prilukows. Die Tarnowska war die »Generalin«, Naumow, Prilukow und sogar Komarowski ihre gehorsamen Soldaten. Dann verlas Advokat Luzzatti den schon vom Advokaten Driussi erwähnten Brief Komarowskis an die Tarnowska: »Um Dich mein zu nennen, bin ich sogar zum Verbrechen bereit, Dein Gatte zu werden und dann ins Zuchthaus zu gehen.«

Rechtsanwalt Dr. Feder: Sagen Sie keine solchen Dummheiten.

Luzzatti: Die Dummheiten sagen Sie.

Man könne, fuhr der Verteidiger alsdann fort, Prilukow auch nicht damit belasten, daß er bei der Vollführung des Verbrechens anwesend war, denn das war nur die Folge davon, daß die Tarnowska Naumow sich zu Willen gemacht hatte. Prilukow sein ein Verrückter, der immer tausend Dinge androhe und nichts ausführe; er sei dem Willen der Tarnowska untertan und wisse bis zuletzt gar nicht genau, wieweit diese gehen wolle.

Rechtsanwalt Dr. Luzzatti erinnerte schließlich daran, daß der kleine Sohn Prilukows seinem Vater geschrieben habe: er bete täglich für ihn und sei überzeugt, daß die Geschworenen Milde üben werden, die die höchste Gerechtigkeit sei.

Der Angeklagte, Rechtsanwalt Dr. Prilukow, weinte bei diesen Ausführungen fürchterlich. Ein[71] Zug tiefster Bewegung ging durch den Saal.

Advokat Florian suchte nachzuweisen, daß Prilukow weder die Tarnowska noch Naumow zum Verbrechen veranlaßt habe. Das aufreizende Telegramm, das Prilukow mit der Unterschrift Komarowskis an Naumow sandte, habe diesen nach seiner eigenen Erklärung nicht zum Verbrechen veranlaßt. Die Hilfe, die Prilukow der Tarnowska zuteil werden ließ, indem er mit ein paar Detektivs Naumow überwachte, sei eine antipathische, aber keine strafbare Handlung. Die Tarnowska habe das Verbrechen ersonnen; das werde durch ihre Persönlichkeit und ihre Motive bewiesen. Der Verteidiger schloß: Es ist juristisch unmöglich, zu behaupten, daß Prilukow als Beauftragter der Tarnowska das Verbrechen der Anstiftung zum Morde begangen habe. Die Tarnowska, die diesen Auftrag erteilt, bleibt immer selbst die Person, welche die Anstiftung verübt hat. Es ist auch völlig falsch, daß Prilukow durch das gefälschte Telegramm Naumow dazu bestimmt habe, den Grafen Komarowski zu erschießen. Alle Schuld fällt vielmehr auf die Tarnowska zurück. Prilukow hat sich nicht einmal dadurch durch strafrechtlich verantwortlich gemacht, daß er keine Anzeige erstattete, nachdem er von dem beabsichtigten Verbrechen Kenntnis erhalten.

Die Tarnowska, die in den letzten Tagen ruhig schien, weinte bei dieser Rede des Verteidigers unaufhörlich.

Der Vertreter der Nebenkläger, Rechtsanwalt Dr. Carnelutti, wandte sich mit der allergrößten Schärfe gegen die Darstellung des Verteidigers Florian. Dieser habe behauptet, die Perier sei ehrenhaft und unschuldig. Prilukow müsse ebenfalls freigesprochen werden, denn er habe sich in der juristischen Lage eines Mannes befunden, der mit den Händen in den Taschen einer Hinrichtung beiwohnte und das Haupt des Verurteilten rollen sah. Die Tarnowska habe unter dem Einfluß Prilukows gestanden, sei hysterisch und schwachsinnig und habe keine Willensfreiheit. Auch Naumow sei ein Hysteriker und ein Instrument in den Händen anderer. Nach Florian sei der Mord einfach zufällig erfolgt! Wie schaue es aber in Wirklichkeit aus? Der Mord sei abzuleiten aus der moralischen Verkommenheit Prilukows und der Tarnowska. Diese wollte den Grafen[72] Komarowski mit Hilfe Prilukows ausbeuten. Die moralische Verkommenheit dieser beiden sei kaum noch nötig zu betonen. Prilukow habe zwar ein einwandfreies Vorleben; die Tarnowska habe aber auf ihrem Gewissen schon Ehebruch, den Tod ihres Geliebten Borgewski und den Selbstmord des Hauptmanns Stahl. Als die Gräfin Komarowska starb, fuhr der Anwalt fort, stand die Tarnowska, die das von Prilukow unterschlagene Geld in Händen hatte, als Diebin da. Die Heirat sollte ihr das Mittel sein, ihre frühere soziale Stellung wiederzugewinnen. Ihren Vorschlag, Prilukow solle dann als Haushofmeister bei dem gräflichen Paare bleiben, lehnte letzterer ab. Daraus entstand jener Konflikt, in dem der Ursprung der verbrecherischen Idee zu suchen ist, den Grafen zu ermorden. Prilukow wurde durch Eifersucht, die Tarnowska durch Geldgier zu der Mordtat getrieben. Wie zynisch und widerwärtig sie sich dabei verhielt, das zeigen die Worte, die sie ausrief, als sie die Todesnachricht empfing: »O wie unglücklich bin ich. Den Mann, den ich heiraten sollte, ermorden sie!« Das ist keine hysterische Lüge, sondern eine erdachte Lüge, die einen wohlberechneten Zweck hatte. Die Tarnowska und Prilukow haben beide in ihrer Abgefeimtheit wohl gewußt, daß sie ihr Weg zum scheußlichsten aller Verbrechen, dem Morde, führte.

Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Diena (für die Angeklagte Tarnowska): Ich bitte die Herren Geschworenen, sachlich und ohne Voreingenommenheit die Schuldfragen zu prüfen. Ich fühle mich um so mehr verpflichtet, diesen Appell an die Herren Geschworenen zu richten, da man bereits zur Legende Zuflucht genommen hat. Dadurch kam ein Milieu zustande, das einem gerechten Urteil wenig günstig war. Prilukow und Naumow erschienen als die Quellen der Wahrheit; man bedachte nicht, daß auch sie Angeklagte seien. Allerdings hat die Angeklagte, Gräfin Tarnowska, vielfach Dinge geleugnet, die sie besser zugegeben hätte. Sie kannte z.B. die Herkunft des von Prilukow gestohlenen Geldes, zum mindesten mußte sie die Herkunft vermuten. Sie hätte auch besser getan, unumwunden zuzugeben, daß sie die 28 Briefe an Prilukow geschrieben habe. Die Schuld am Verbrechen selbst hat aber Prilukow. Auffällig[73] ist es jedenfalls, daß in dem Zeugnis der Moskauer Rechtsanwaltskammer nichts über die Moralität und die finanziellen Verhältnisse Prilukows steht. Der Gedanke an das Testament und die Versicherung kann nimmermehr von einem Weibe gekommen sein, sondern nur von einem rechtskundigen Manne. Der Telegrammwechsel beweist, daß Prilukow der herrschende und nicht der beherrschte Teil war, und daß er das Verbrechen geleitet hat. Alsdann ging der Verteidiger zum zweiten Punkte seines Plädoyers über, nämlich daß die Tarnowska als nicht zurechnungsfähig angesehen werden müßte. Selbst die von der Staatsanwaltschaft berufenen psychiatrischen Sachverständigen haben auf verminderte Zurechnungsfähigkeit erkannt. Es gehe doch nicht an, daß der Staatsanwalt nachträglich noch seine eigenen Sachverständigen zurückweise, weil ihm ihre Schlüsse nicht passen. Die Tarnowska sei keineswegs die Medea, als die man sie habe hinstellen wollen; das beweisen auch die Aussagen der sechs Schwestern aus dem Gefängnis auf der Guidecca. Der Verteidiger schloß: Er habe die Geschworenen nicht milde stimmen, sondern sie überzeugen wollen, und verschmähe es deshalb, eine Aufforderung zu einem bestimmten Urteil an sie zu richten.

Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Alberto Musati führte für die Angeklagte Perier aus: In vierzig Bänden der Prozeßdokumente habe man keinen einzigen Schuldbeweis gegen die Perier finden können. Selbst die Staatsanwaltschaft habe den Rückzug antreten müssen, indem sie die Perier erst wegen notwendiger Teilnahme anklagte und dann ihre Verurteilung nur wegen nicht notwendiger Teilnahme beantragte. In Wien habe sich die Perier selbst belastet, um ihre Herrin zu entlasten. Was konnte sie von dem Verbrechen wissen, wo man nach zweiundeinemhalben Jahre noch nicht habe feststellen können, in wem der Gedanke zum Verbrechen zuerst aufgetaucht ist? Es war nicht nötig, daß die Perier als Verbindungsglied zwischen der Tarnowska und Prilukow diente, da diese beiden genug unter vier Augen zusammen waren. Der Verteidiger schloß mit der Bitte an die Geschworenen, die Schuldfragen bezüglich der Perier zu verneinen. nen. Nach längeren Repliken und Dupliken zogen sich[74] die Geschworenen zur Beratung zurück.

Nach vierstündiger Beratung verkündete der Obmann den Wahrspruch der Geschworenen: Danach wurde Naumow für schuldig des Mordes erachtet, ihm aber verminderte Zurechnungsfähigkeit zugebilligt. Die Tarnowska wurde der Teilnahme am Morde mit Vorbedacht für schuldig erachtet, ihr aber auch verminderte Zurechnungsfähigkeit zugebilligt. Prilukow wurde der Teilnahme am Morde mit Vorbedacht für schuldig erachtet. Die Schuldfragen bezüglich der Perier wurden von den Geschworenen verneint. Die Geschworenen bejahten außerdem die Frage, daß die klinische Behandlung mitschuldig an dem Tode des Grafen Komarowski gewesen sei.

Während der Obmann den Wahrspruch verkündete, drang von der vor dem Gerichtsgebäude postierten, nach vielen Tausenden zählenden Menschenmenge ein furchtbarer Lärm in den Saal. Die Fenster mußten deshalb geschlossen werden.

Der Staatsanwalt beantragte gegen Naumow 3 1/2, gegen Prilukow 10, gegen die Tarnowska 8 Jahre Zuchthaus.

Der Gerichtshof verurteilte Naumow zu 3 1/2, die Tarnowska zu 8 1/2, Prilukow zu 10 Jahren Zuchthaus.

Von der nahen Kirche Santi Apostoli ertönte das Ave-Maria-Geläute in den Saal, als der Vorsitzende das Urteil verkündete. Die Angeklagten nahmen das Urteil ziemlich gefaßt auf. Die Tarnowska reichte Naumow zur Versöhnung die Hand! Alsdann wurden die Angeklagten von den Karabinieri einzeln abgeführt.[75]

Quelle:
Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung. 1911-1921, Band 3, S. 9-76.
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