A. Bezaubernde Eva

[155] In deinem Lächeln spiegelt sich dein Herz, und Charme ist dein wertvollstes Gut. Sie sind dein Grundkapital. Es trägt täglich erneut Zinsen, ist unmateriell und kann im Gegensatz zu anderen irdischen Gütern kaum je verlorengehen. Nicht einmal, wenn du das Herz verlierst, was mit einiger Wahrscheinlichkeit eines Tages der Fall sein wird, oder dich für den 60. Geburtstag rüstest.

Du trachtest nach einer Schönheit, die mehr ist als bloßes Ebenmaß. Du bist nicht eitel – du hast nur den natürlichen Hang, dein Äußeres den Gesetzen der Ästhetik unterzuordnen, so wie dein Inneres jenen der Harmonie gehorcht. Wenn die anderen dich ansehen, dann ruht ihr Blick wohlgefällig auf dir, auch wenn dein Bild noch nie das Titelblatt einer Illustrierten schmückte. Du willst keine Aufmerksamkeit erzwingen – dir genügt es, wenn dein Bild in die Umwelt paßt.


A. Bezaubernde Eva

Du steckst voller Geheimnisse. Sie sind nur klein, aber sie machen dich liebenswert, und du hütest sie gut. Allenfalls deine Masseuse, dein Friseur und deine beste Freundin kennen sie. Mit Wasser gehst du reichlich, mit Puder sparsam um. Du unterstreichst Unterstreichenswertes dezent und kaschierst Überflüssiges unauffällig. Und läßt alles dort, wohin es gehört – einschließlich der Augenbrauen. Wenn morgens der Wecker klingelt und dich aus unbeschwerten Träumen [155] in die arbeitsreiche Wirklichkeit ruft, dann hältst du es mit einer erwachenden Katze: Du dehnst dich behaglich, und wenn du ganz klug und nicht allzuspät schlafen gegangen bist, schnurrst du zufrieden vor dich hin. Gute Laune sei aller Tage Anfang! Gehöre zur Gemeinde jener Glücklichen, die lächeln können, auch wenn sie allein sind. Lächeln ist eine höchst gesunde morgendliche Gesichtsgymnastik, mit der sich ein Tag sehr wohl beginnen läßt. Dieser Kleingymnastik folgt zweckmäßigerweise die größere: 'raus aus den Federn (die viele nicht mögen – ich auch nicht), nächtliche Hüllen fallen, und vor dem offenen Fenster kreisen, schwingen, federn, wippen Arme, Beine und verschiedenes andere. Für diese fünf Minuten sollte es reichen. Die Müh' ist klein, der Spaß ist groß – ebenso der Gewinn.

Glaube übrigens nicht, bezaubernde Eva, daß der kluge Adam nicht gleiches täte!

Putzmunter und höchst gelockert geht es nun hinüber in Hygieias Reich, wo Zahnbürste und Wasserleitung harren, um Frische und Jugend zu spenden. Dabei ist es gleich, ob das Wasser aus chromblitzender Leitung oder bescheidenem Gartenschlauch fließt. Sauberkeit und Frische schenkt es in jedem Fall. Sparsam sind wir nicht – Katzenwäsche ist keineswegs unser Fall. Von Ludwig XV. wird berichtet, er habe nur einmal im Jahr gebadet. Wir sind königlicher als der König und baden täglich, wobei wir an die Stelle des Bades mit gleichem Erfolg auch eine lückenlose Ganzwäsche setzen können – vom Ohr bis zur Fußsohle. Zu Beginn der Prozedur kann das Wasser warm, gegen Ende sollte es kalt sein. Dieser morgendlichen gründlichen Wäsche sollte ein sehr kluger Slogan zugrunde liegen, der jüngst einem Werbefachmann eingefallen ist. Er heißt: Kennen Sie das erregende Gefühl, frisch gewaschen zu sein?

Dann kommen einige Minuten vor dem Spiegel. Du streichst nicht, sondern du unterstreichst nur – mit Maßen. Mit so bescheidenen Maßen, daß wir es nachher so gut wie gar nicht bemerken. Und ehe du dich frisierst, bürstest du die Haare – regelmäßig und nicht zu wenig. Seidenweicher, trockener Glanz bleibt nicht aus.


Zurück ins Schlafzimmer. Vor den Kleiderschrank und die Frage: Was ziehe ich an?


»Frauen sollten durchaus mannigfaltig gekleidet gehen, jede nach eigener Art und Weise, damit eine jede fühlen lerne, was ihr eigentlich gut stehe und wohl zieme.«


Kommt uns bekannt vor? Richtig – wie in den meisten Fällen, Goethe stimmt auch hier. Diesmal sind es »Die Wahlverwandtschaften«.

[156] »Wir dürfen uns zunächst einmal erkundigen: Wer bist du? Eine Hausfrau und junge Mutter vielleicht, die Kinder betreuen, den Haushalt erledigen, Besorgungen machen muß und trotzdem nett aussehen will?

Dann stehst du vor den mehr oder minder zahlreichen Kleiderbügeln und suchst nach einem


Vormittagskleid: Es ist eher einfach und praktisch als betont elegant. Du gehst Einkäufe machen – wie sähe es aus, wenn du im Schneiderkleid und schwarzen Nachmittagsmantel, mit Hut und Schleier, dein Jüngstes an der einen Hand, ein Einkaufsnetz mit drei Paketen Waschpulver, zwei Pfund Orangen und einem Blumenkohlkopf in der anderen Hand durch die Straßen zögest. Nein, du bist nicht so unklug, spöttische Blicke herauszufordern, du gehst betont sportlich. Wenn die Sonne lacht, wählst du helle, frisch und appetitlich anzusehende gestreifte oder gemusterte Baumwollstoffe. Der Schnitt ist keineswegs kompliziert, aber er darf einen Pfiff haben. Es gibt auch noch anderes als die dunkelblaue, weiß getupfte Kleiderschürze. Schau dir einmal an, was die amerikanischen Teenager (die bekanntlich nicht am Tee nagen, sondern Mädchen ab vierzehn sind) mit ihrer Cottonmode für reizende Schnitte haben. Du kennst bei diesen Einkaufsgängen mit Kind natürlich den Trick, auf keinen Fall Wildlederschuhe zu tragen, die erfahrungsgemäß nicht lange ansehnlich bleiben, weil die Kleinen darauf herumsteigen. Und wenn du sehr schlank bist, darfst du vormittags getrost eine freche enge lange Hose tragen – natürlich mit flachen Schuhen und möglichst nicht im Stadtzentrum.


Anders ist es, wenn du allein, sehr selbständig bist und einen Beruf hast. Das Kleid der Berufstätigen muß den dienstlichen Aufgaben gerecht werden. Du fragst dich also: Was bin ich? Welche Position habe ich? Wie alt bin ich? Grundsätzlich wirst du Berufskleidung von guter Qualität tragen. Sie braucht deshalb keineswegs aufdringlich zu sein – weder in der Farbe noch im Schnitt. Auch dezentes Äußeres kann sehr wohl Stil und Eleganz verraten. Und wenn dich dein morgendlicher Weg an Schreibmaschine und Stenoblock führt, sind Kombinationen von Rock, Bluse, Pullover, Twinset immer geeignet. Auf wieviel entzückende Ideen kommt, wenn du selbst schon keine Zeit hast, deine Schneiderin, sobald sie knitterfreies Leinen oder Baumwolle in Händen hat. Aus diesem Material zaubert sie aparte Verwandlungskleider, in denen sich Sitz, Tragbarkeit und ein Schuß Eleganz vereinen. Du brauchst keineswegs mehrere Schränke voller Kleidung. Immerhin empfiehlt es sich, täglich zu wechseln und immer blütenfrisch auszusehen, sich selbst und anderen zur Freude.

Vielleicht mußt du täglich repräsentieren – auch als Verkäuferin bist du Repräsentantin deines Geschäftes –, und dann heißt das oberste Gebot: Zurückhaltung. Mit solidem Schwarz, durch einen kleinen Farbfleck oder etwas Schmuck [157] aufgelockert, kann man nichts falsch machen. Vielleicht mußt du auch »empfangen«. Wie wäre es mit Schwarz-Weiß oder Dunkelblau-Weiß? Es eignet sich für den Empfang ebenso wie für eine gehobene Bürostelle.

Einen Tip vielleicht noch für Eva, die vorwiegend weibliche Kunden zu bedienen hat: doppelte Vorsicht mit der Kleidung! Eine Kundin muß immer das Gefühl haben, die Anspruchsvollere zu sein. Du verkaufst nicht dich, sondern die Ware! Du hast für weibliche Kaufinteressenten ebenso wie für deren begleitende Ehemänner ein Neutrum zu sein! Vergiß nie, daß du nichts gewinnst, wenn eine Kundin jedem Blick ihres Mannes folgt, der wie absichtslos über deinen Pullover irrt. Über einen Pullover, den du aus 22 vorgelegten Modellen auswähltest, weil der listige Verkäufer ihn dir mit den Worten anpries: »Ich glaube, gnädiges Fräulein, der ist eng genug ...« Eng ist die Welt, doch der Pullover weit – dann stoßen sich die Sachen nicht so hart im Raum. Herrn Wallensteins Vater möge diese Anlehnung verzeihen.

Darauf also, bezaubernde Eva, verzichtest du – genau wie auf scheppernde Armbänder.


Im Straßenkleid zeigst du dich der Umwelt schon von einer nicht mehr zweckgebundenen Seite. Da kann man das sportlich-elegante Complet, das Kostüm oder – eben ein Kleid mit passendem Mantel wählen. Vielleicht entschließt du dich für ein flottes Kostüm aus Fresko, ein reizvolles Nachmittagscomplet aus Satin oder etwa ein Stück aus der unendlichen Reihe der »deux pièces«. Natürlich kann auch ein leichtes Wollkleid, das trotz sportlicher Eleganz im Schnitt dezent bleibt, für nachmittägliche Zwecke ausreichen, vorausgesetzt, daß du bei der Kombination mit Hut, Tasche und Handschuhen Geschmack und Vorsicht walten läßt.


Das Nachmittagskleid könnte uns zu einem Seufzer verleiten, denn es erinnert daran, daß wir keine Gelegenheit haben, es zu tragen. Wir sind ja berufstätig, bis in den späten Nachmittag hinein. Ältere Jahrgänge und solche, denen Fortuna freundlich zulächelte, werden sich vielleicht darüber Gedanken machen. Sie können dann immer noch das gleiche wählen, was früher richtig war und auch heute noch stimmt: das wertvolle Seidenkleid, von einem Schnitt, der getrost schon raffiniert sein darf. Farblich wird man Extravaganzen vermeiden und statt ihrer gedeckte Töne oder kleine Muster bevorzugen. Solche Modelle, deren Reiz in der Unauffälligkeit ihrer Eleganz liegt, bieten sich an für dezente Pelz- oder Schmuckkombinationen.


Unerschüttert von allen Schwankungen steht das Schneiderkostüm wie ein Fels in der Brandung modischer Stürme. Es kann entweder klassisch im Schnitt sein oder aber leicht abgewandelt werden. Alle leichten Herrenstoffe eignen sich für seine Herstellung. Seine wesentlichen Merkmale: enger Rock, erstklassiges [158] Material und ebensolche Verarbeitung! Es ist wohl das nützlichste Kleidungsstück für jede Frau, mag sie nun im Haushalt wirken oder im Berufsleben stehen. Denn es ist zeitlos und kann deshalb sehr lange getragen werden – unter der Voraussetzung natürlich, daß eine unglückliche Vorliebe für Schlagsahne und Pralinen nicht dauernd figürliche Schwankungen mit sich bringt.

Am Tage paßt es immer, und wenn es schwarz ist, stimmt es auch noch abends. Mit Schuhen, Schals, Taschen, Hüten, Kappen, Mützchen, Handschuhen und Pelzwerk läßt es sich unendlich mannigfaltig kombinieren.

Und nur eines muß Eva sich merken: Die Jacke wird grundsätzlich nicht ausgezogen, deshalb pflegt man Blusen oder Pullover bei diesem Kleidungsstück auch fortzulassen und statt ihrer den Hals mit einer dezenten goldenen Kette oder ähnlichem zu schmücken.


Das Phantasiekostüm, auch als französisches Kostüm bekannt, ist zumeist eine Art Jackenkleid. Es kann bestimmt aus Wolle oder Seide, nicht dagegen aus duftigen Stoffen oder Baumwolle gearbeitet sein. Getragen wird es als Kleid. Und wenn es aus Seide ist, macht es sich auf sommerlicher Großstadtstraße nachmittags recht gut.


Das Cocktailkleid erfreut sich bereits allgemeiner Beliebtheit. Man versteht darunter häufig Verwandlungskleider, die möglicherweise allerlei Raffinesse offenbaren. Ihren Namen – nun, sie wurden erdacht für die »heure bleue«, für die blaue Stunde, die Stunde zwischen Sonne und Mond, da es für den Tee zu spät und das Dinner zu früh ist – zu dem die Gäste nach Möglichkeit ohnehin gegangen sein sollen. Praktisch kann man das Cocktailkleid aus jedem Material arbeiten. Entscheidend ist lediglich: Wer trägt es wo? Und falls Eva nun glauben sollte, zur blauen Stunde mit Cocktails und Geplauder im Stehen müsse sie ein Cocktailkleid haben, dann irrt sie. Ebenso korrekt als Cocktailanzug ist nach wie vor das schwarze Kostüm aus Wolle, Smokingstoff, Seide oder Samt. Dann kann Eva, mit dem Glas in der Hand von Gruppe zu Gruppe schlendernd, den Kopf immer oben behalten – wohlgemerkt: Hütchen auf demselben!


Das Abendkleid, von dem du träumst, Eva, wirst du dir vermutlich nie leisten können. Es ist so sündhaft teuer, daß du dir für gleiches Geld eine ganze Menge anderer Garderobe kaufen kannst, wenn du klug bist und kein Filmstar, der hoch im Kurs steht. Diese Erkenntnis braucht dich keine stillen Tränen zu kosten, denn auch mit bescheidenen Mitteln kannst und wirst du bezaubernd aussehen. Schick und Charme ersetzen echte Perlen und das im Futter eingenähte Schild des internationalen Salons. Dein Einfallsreichtum steckt den deiner Schneiderin an, dein graziöser Gang und deine ebenmäßige Figur tragen dir, wenn du das große Fest betrittst, mehr bewundernde Blicke ein als deinem Mann lieb sind. [159] Wie du das machst, bleibt dein Geheimnis. Vielleicht brauchst du gar kein »großes Abendkleid« und kommst mit einem hübschen »kleinen« aus, das heute nur mehr dreiviertellang zu sein braucht, bezaubernd aussehen kann und weniger Stoff benötigt. Vielleicht begnügt sich auch dein Mann mit einem Smoking, und dann paßt ihr, wie immer, zueinander.

Du kennst natürlich all die reizenden Stoffe, die dein Herz höher schlagen lassen. Bei der Vorstellung, daß Dutzende von Metern kostbaren Brokates oder hauchiger Spitze dich umschmeicheln könnten, seufzst du schon ein bißchen. Dir fällt nicht schwer, dir auszumalen, wie gut dir schwarzer Samt stünde, wenn der passende Mantel von weißem Fuchs gesäumt wäre. Du wüßtest mit weißer Duchesse schon etwas anzufangen, nicht wahr? Und würdest keinen Augenblick zögern, acht Tage später auf einem anderen großen Fest in Taft oder Tüll, Chiffon oder Organza zu erscheinen.

Wer weiß – vielleicht lächelt dir das Glück schon bald, dann werden Träume wahr, und du kannst die ebenmäßigen Schultern, die vorerst noch wirkungsvollster Bestandteil der abendlich festlichen Garderobe sein müssen, verhüllen – mit einem traumhaften Cape aus einem jener wertvollen Pelze, die schrägäugige Mannequins mit so unnachahmlicher Grandezza hinter sich herzuschleifen verstehen, wenn sie über den Laufsteg wandeln.


Mäntel wählst du mit Bedacht. Betont sportlich begleiten sie dich am Vormittag, sportlich-elegant dienen sie dir für deinen Beruf, wenn er dich zu strenger Auswahl zwingt. Nachmittäglich modische Kleiderambitionen zwingen dich zur Anschaffung eines entsprechenden Mantelstückes, denn Kleid und Mantel müssen zueinander passen. Das elegante Tailormade-Kostüm wird durch einen sonst durchaus schicken und zweckmäßigen Trenchcoat sehr unvollkommen ergänzt.

Überhaupt: Ergänzung. Hier liegt deine große Kunst. Hast du Mäntel zu Hauf' im Schrank hängen? Kaum. Und deshalb wirst du nicht so unklug sein, dich in einen erregend grünen Diesbezüglichen zu verlieben und ihn stracks zu erstehen – denn zu Hause mußt du plötzlich feststellen, daß kaum eines deiner Kleider zu ihm paßt.

Das tust du also nicht. Außer dem sportlichen Mantel – an dessen Stelle auch der jugendlich freche Hänger mit Dufflecoateinschlag treten kann – für sportliche und Alltagszwecke hast du dir für den Nachmittag den eleganteren Gedecktfarbigen angeschafft, als Hänger oder Redingote. Dann kannst du mit ziemlich allem kombinieren, was man untertags trägt.

Gegen Abend wird es nicht nur draußen, sondern auch bei den Mänteln dunkler. Grau, schwarz, schwarz-weiß oder sonstwie sehr gedeckt – möglicherweise mit Pelzapplikation. Wobei Schwarz den Vorzug hat, bis in die Nacht hinein zu passen.


[160] Vielleicht aber besitzt du einen oder gar mehrere Pelze, dann bist du natürlich aller Sorgen um abendliche Mantelgarderobe enthoben. Vorausgesetzt, daß der Pelz nicht sportlichen Charakter trägt wie etwa ein Ozelot oder Leopard. Pelze gibt es ja genügend. Sie können sündhaft teuer oder auch erschwinglich sein. So sie viel Geld gekostet haben, pflegt man sie als echt zu bezeichnen. Nun, ein biederes Kaninchen ist ebenfalls echt, hält warm und kann nett aussehen, wenn, ja wenn es nicht den hoffnungslosen Versuch macht, als Nerz aufzutreten. Dann allerdings fällt der Ausdruck »unecht« – mit sarkastischem Lächeln einer- und Recht andererseits.

Dem setzt du dich, kluge Eva, nicht aus. Wer über dich lächelt, weil du »nur eine Katze« trägst, ist dumm und verkennt, daß du einem sehr gesunden Grundsatz gehorchst: Du willst nicht mehr scheinen als sein. Du willst nicht als Imitation eines Hollywoodstars auftreten, sondern als Mädchen oder Frau, die sich zwar nur eine Katze leisten kann, diesen Mangel an Wohlstand aber durch Reichtum an Charme und Herz vollauf ausgleicht.

Dennoch darfst du von edlen Pelzen schwärmen, und jeder Mann, auch dein eigener, wird Verständnis dafür haben, wenn du dir in Gedanken irgendein erlesenes Stück um die Schultern legst. Denn – du kennst natürlich die Skala schöner Pelze von A bis Z. Du weißt,


daß Astrachan südrussische Schafslämmer sind,


daß der Biberpelz nicht nur ein Lustspiel von Gerhart Hauptmann, sondern auch ein sehr dauerhafter und noch dazu schöner Pelz ist, der nicht zuletzt deshalb einiges Geld kostet, weil der Biber in Deutschland unter Naturschutz steht und nur in Kanada in freier Wildbahn vorkommt,


daß Bisam eine Rattenart ist, deren schönste Exemplare jenseits des Ozeans zu Hause sind,


daß Breitschwanz aus den Fellen frühgeborener Karakulschaflämmer gewonnen wird und ebenso schön wie teuer und empfindlich ist,


daß Chinchilla von einer Wollmausart stammt, unendlich weich, unendlich zart und unendlich teuer ist, denn die echte Chinchilla ist nahezu ausgestorben. Irgendwo wurde kürzlich berichtet, daß in der gesamten Welt nur neun Frauen einen echten Chinchilla besitzen.


daß Feh ein sibirisches graues Eichhörnchen ist, mit dessen Fellen man bereits zur Zeit der Hanse Ost-West-Handel trieb,


daß Fohlen erschwinglich sind und in ihren schönsten Exemplaren auf den klingenden Namen Breitschwanzfohlen hören,


daß der Hamster ein beliebtes Innenfutter abgibt,


daß Hermelin ein russisches Wiesel ist, dessen Fell sich im Winter weiß färbt [161] und einst königlicher Pelz war, heute aber auch von begüterten Sterblichen getragen wird,


daß der Iltis, eine Marderart, Felle liefert, die sich sehr schön zu Kolliers verarbeiten lassen,


daß Indisch Lamm breitschwanzartigen Charakter hat, leichter als Persianer ist und zumeist in den Farben Schwarz, Braun und Grau verarbeitet wird,


daß Marder (Stein- und Baummarder) gewisse Ähnlichkeit mit dem Zobel haben und für Kolliers und Stolen Verwendung finden,


daß der Nerz, ebenfalls eine Marderart, einstmals besonders an der Eskimo-Bai auf freier Wildbahn gejagt wurde, heute vorwiegend auf Farmen gezüchtet wird und teuer, edel und begehrt ist – seinen Preis kann man sich denken, wenn man berücksichtigt, daß für einen Mantel etwa 100 Felle nötig sind,


daß Nutria der in Südamerika lebende Sumpfbiber ist, den man neuerdings auch auf Farmen züchtet, ohne daß er deshalb erschwinglicher würde,


daß das Opossum im australischen Busch zu Hause ist und einen sehr dunklen, schwarz-grauen Pelz hat, den man vorwiegend zu Besätzen verarbeitet,


daß der Otterpelz unverwüstlich ist und von Herren bevorzugt wird, die für ihren Gehpelz einen kleidsamen Kragen benötigen,


daß der Ozelot, eine aus Mexiko und Südamerika stammende Leopardenart mit kurzhaarigem, geflecktem Fell, einen beliebten Sportpelz liefert,


daß Persianer elegant ist, eine hohe Lebensdauer hat, von den wenige Tage alten Lämmern des Karakulschafes stammt und um so wertvoller ist, je kleiner seine Locke ist. Sein Name geht auf jene Zeit zurück, da die alten Handelswege für dieses Pelzwerk Persien berührten.


daß Seal, das schwarze, innen dunkelbraune Fell der Bärenrobbe, ziemlich teuer ist,


daß der Silberfuchs nicht nur in freier Natur vorkommt und in Norwegen besonders schön ist, sondern seit etwa 50 Jahren auch auf Farmen gezüchtet wird,


daß der Waschbär einen sehr strapazierfähigen Sportpelz liefert


und der Zobel, eine Marderart, zu den seltensten Pelzsorten gehört. Als Kronzobel bezeichnete man die wertvollsten Felle, die an den russischen Hof geliefert wurden. Und deshalb wirst du, Eva, wenn du als Märchenprinzessin in einem besonders schönen Traum besonders liebreizend aussehen willst, dir bei deinem Traumkürschner vermutlich einen sibirischen Zobelpelz bestellen. Wenn du dann erwachst und die Wirklichkeit dich zwingt, mit deinem Ozelot vorliebzunehmen, dann mag dich die Tatsache [162] trösten, daß gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Preis für ein Paar Zobelfelle annähernd 200 Rubel betrug, so daß ein Zobelpelz runde 20 000 Rubel kostete ...


Sportliche Bekleidung stellst du nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit zusammen, dennoch kannst du dabei nett und apart aussehen. Modische Extravaganzen leistest du dir, so wie wir dich kennen und lieben, nur dann, wenn sie einerseits geschmackvoll bleiben und du auf der anderen Seite durch außergewöhnliche Leistungen ein moralisches Alibi hast, das dich berechtigt, die Aufmerksamkeit auf dich zu lenken.

Beim Tennis etwa trägst du Shorts nur dann, wenn sehr schlanke Hüften und wohlgeformte Beine dich in dieser Aufmachung zu einem jugendlich adretten Anblick machen. Ein sehr knappes Röckchen mit Spitzenhöschen darunter wirst du sicherlich nicht wählen, es sei denn, du machtest jeden deiner Aufschläge zu einem As, jeder Halbflugball wäre dir sicher und du erliefest auch den härtest geschmetterten Across. Wenn du aber lediglich Gebrauchstennis spielst, bei dem der erste Aufschlag ziemlich sicher im Netz landet, und du dich im großen und ganzen auf erholsames Grundlinienspiel beschränkst, dann paßt du deine Kleidung diesem Spiel an. Ein blütenweißer, gut knielanger Faltenrock aus Leinen, eine ebensolche Hemdbluse, weiße Strümpfe und Tennisschuhe – so wird man dich in deinem Club kennen. Und niemand erwartet von dir erregende Longdrives in Wimbledon-Härte.

Ähnlich dezent kleidest du dich beim Skilaufen. Hast du einmal die Mitglieder aus der Zunft der »Zünftigen« beobachtet? Ihre Eleganz liegt in der Zünftigkeit. Sie tragen eine dunkle, blaue oder schwarze Keilhose, einen gleichfarbigen, praktischen Anorak, der auf modische Spielereien weitgehend verzichtet und statt ihrer bei Wind, Wetter und Stürzen vor Schnee und Kälte schützt – und laufen wie kleine Skigötter. Wenn sie elegant bergab tanzen, schaut man ihnen wohlgefällig nach, und so mancher murmelt: »Donnerwetter, beinahe wie die Ossi!« Je eleganter aber die modisch-betonte Aufmachung, desto unsicherer im allgemeinen der Stand – der Stand auf den Brettern nämlich. Knallig leuchtende Skikleidung mag sich an der Eisbar von St. Moritz farblich hübsch ausmachen, und dort ist auch nichts gegen sie einzuwenden, weil sie dort ja – keine Sportbekleidung mehr ist. Am Hang aber sind Laufenkönnen und zünftiger Skidreß empfehlenswert.

Und diese Zünftigkeit empfiehlt sich für fast alle Sportarten. Und nur bei einem Sport, liebe Eva, hast du vorzüglich Gelegenheit, der Kleidung einen Schuß modischer Eleganz zu geben, ohne aufzufallen – beim Golf, von dem nur Unwissende behaupten, daß er teuer und snobistisch sei. Da sieht es sogar recht nett aus, wenn du etwa zu einem hübschen Schottenrock sportlich gesteppte Golfschuhe, [163] einen einfarbigen Pulli mit Halstuch und ein freches Ledermützchen trägst. Berufsgolferin bist du ja nicht, dir kommt es nur darauf an, ein paar Stunden gesunder Konzentration in frischer Luft zu verbringen. Dir ist es egal, ob du 120 Drives statt der 57 eines Meisters brauchst, ehe dir der letzte »Put«, das letzte »Einlochen«, gelingt.


Hosen – vormittags zu Hause, warum nicht? Auf dem Lande, im Garten, an der See, auf dem Boot – gern. Vielleicht auch, das sagten wir schon, zum »Einkauf um die Ecke«, wenn es nicht gerade ein Geschäft in der Paradestraße einer Großstadt ist. Und lang müssen sie natürlich sein. Ruhig mit dem sportlich eleganten Pfiff, der sich augenblicklich in knapper Weite und ziemlich breitem Umschlag präsentiert. Da gibt es reizvolle Anzüge mit der ärmellosen Weste aus gleichem Stoff und der sauberen Bluse darunter, mit der man dann sehr adrett aussieht. Voraussetzung ist – die knabenhafte Figur! Ohne eine solche geht es nicht!

Halblang – so bis auf Wadenmitte – sieht auch bei schlankester Silhouette nicht vorteilhaft aus.

Und kurz – nur wenn wir allein oder beim Sport sind.


Hüte, Kappen und Mützchen – was wäre Eva ohne Hut! Wovon könnte sie schwärmen, wenn nicht von einem neuen »Gedicht«? Was täten die Fabrikanten, wenn Eva nicht in regelmäßigen Abständen vor den Spiegel träte und sich mit einem neuen Hut in eine andere verwandelte? Denn Hüte machen neue und andere Gesichter. Ein anderer Hut, und schon wird aus der sportbetonten Berufstätigen – die distinguierte Frau. Die nüchtern wägende Amtsgerichtsrätin wird zur kapriziösen Salondame, und die schlichte Hausfrau offenbart plötzlich Züge von reizvoller Koketterie.

Doch – wo Hüte locken, lauert die Gefahr, zum Gespött der anderen zu werden. Auf einem Hutständer mag der launische Einfall einer begabten Modistin geradezu hinreißend hübsch aussehen – auf den Kopf gesetzt, kann er plötzlich hinreißend komisch sein. Er kann kräftige Backenknochen, deren Härte man mildern sollte, unterstreichen – er kann ein langes Gesicht noch spitzer machen, er kann Rundlichkeit, die gestreckt werden muß, betonen – er kann fliehende Stirnen noch schräger machen, statt sie zu begradigen – er kann überhaupt, auf dem falschen Kopf getragen, viel Unheil stiften. Und deshalb: Hüte in Ruhe einkaufen, den Spiegel sehr kritisch befragen, und, falls die eigene Sicherheit nicht ausreicht, guten Rat einholen, aber nur bei einer wirklichen Freundin und nicht bei einer solchen, die hier eine willkommene Gelegenheit sucht, aus höchst eigennützigen Motiven schlechte Dienste zu erweisen.


A. Bezaubernde Eva

Nicht anders ist es mit Kappen und Mützchen, deren Verwendungsmöglichkeit vom reinen Gebrauchszweck bis zur frech-originellen Dekoration reicht.

[164] Die Gefahr, etwas Falsches zu wählen, liegt nicht so sehr in der Schwierigkeit, die dem Typ entsprechende Kopfbedeckung zu finden, als vielmehr in dem Reichtum des Angebotes, das die vielseitige Frau Mode für die Eva bereit hält – und darunter sind natürlich nicht wenige Modelle, die eigens geschaffen zu sein scheinen als Beweis für die Richtigkeit des alten Spruches: Eines schickt sich nicht für alle.


Die Dessous: Bitte nicht die Stirne runzeln! Natürlich sind dem Gesprächspartner Grenzen gesetzt, die Diskretion und guter Geschmack vorschreiben. Und deshalb über jene hauchig-zarten Gebilde nur ein Wort: Auch das Unsichtbare muß, um der Vollkommenheit der ganzen Erscheinung willen, von jener Makellosigkeit sein, die dein Äußeres ergänzt – ähnlich einer Blume, deren Schönheit sich nicht im Glanz ihrer Blütenblätter erschöpft ...


[165] Schuhe, liebe Eva, zählen vermutlich auch zu deinen modischen Leidenschaften. Doch du bist vernünftig genug, deinem Fuße zu geben, was deines Fußes ist: einen passenden Schuh. Passend einmal zur übrigen Kleidung, passend aber auch zu deinem Fuß. Über die Zeiten, da Frauen bereit waren, unter Schmerzen zu kleine Schuhe zu tragen, um einen winzigen Fuß vorzutäuschen, sind wir hinaus. Wir kennen sehr genau die möglicherweise katastrophalen Auswirkungen zu engen oder unsachgemäßen Schuhwerkes auf den gesamten Gesundheitszustand. Die Orthopäden haben längst erkannt, daß die Ursachen von Müdigkeit, Kreuzschmerzen, Fußbeschwerden, Zehenmißbildungen, Platt-, Senk- und Spreizfüßen sehr häufig auf ungeeignetes Schuhwerk zurückgehen. Deshalb soll bei der Schuhwahl stets die Vernunft über die Eitelkeit siegen. Zudem macht es die Schuhindustrie leicht, Bequemlichkeit, richtigen Sitz und modischen Charme zu vereinen. Selbst der »orthopädische Schuh« ist heute als solcher äußerlich nicht mehr zu erkennen. Es wäre völlig falsch, anzunehmen, Schuhwerk mit orthopädischem Charakter müsse plump und unelegant sein. Einlagen zum Beispiel, auf die man aus Gründen der Eitelkeit verzichtete, sind heute, dem Auge unsichtbar, eingearbeitet.

Ein paar Binsenweisheiten sollte man sich stets vergegenwärtigen: Große Füße werden keineswegs dadurch kleiner und eleganter, daß man sie in winzige Schuhe steckt. Was dann im Schuh keinen Platz findet, quillt notgedrungen über – und das Gegenteil ist erreicht. Ebenso vergröbernd wirken wuchtige Sporthalbschuhe, womöglich mit dicker Kreppsohle.

Wenn Eva von der Natur mit einem ihrer Figur nicht entsprechenden, großen Fuß bedacht wurde, wird sie kein wuchtiges Schuhwerk wählen, das diese Disharmonie unterstreicht. Die Vielzahl der internationalen Formen – Hochfrontpumps und California-Slipper, Schnürjeunesse und Caty-Corner-Form, Zugpumps und Jeunesse-Slipper, Schlupfschuh und Ballerina – bietet für jeden Fuß den passenden Schuh und ermöglicht es, kleine anatomische Mängel geschickt zu kaschieren.

Natürlich dürfen dabei nicht die Gesetze des guten Geschmacks verletzt werden. Und man muß sich darüber klar sein, daß zum Phantasiekostüm kein niedriger Sportschuh, sondern ein Pumps oder hochhackiger Schnürschuh englischen Charakters gehört, dessen Louis–XV.–Absatz die elegante Oberkleidung harmonisch ergänzt. Man muß wissen, daß eine zierliche Sandalette mit sehr hohem Pfennigabsatz wirklich nur tragen darf, wer ein schön geformtes, schlankes Bein hat. Und man darf nicht vergessen, daß auch die eleganteste lange Hose unter keinen Umständen einen Schuh mit hohen Absätzen verträgt, sondern gebieterisch einen Slipper oder anderen flachen Schuh verlangt.

Schließlich aber täte Eva gut daran, sehr sachlich zu prüfen, ob sie einen graziösen [166] Gang hat, wenn die Vorliebe für hohe Absätze nicht unglücklich enden soll – im Kreuzfeuer spöttischer Blicke, die das auf hohen Schuhen ohnehin nicht sehr sichere Schreiten noch unsicherer machen.


Handschuhe sind einfach immer vonnöten, wenn Eva aus dem Hause geht. Sie gehören zur sportlichen Vormittagskleidung, zu Rock, Bluse oder Pullover und Trench- oder Dufflecoat ebenso wie zur eleganten Nachmittagsaufmachung und zur kleinen bis großen Abendtoilette. Nur ihr Material und zum Teil auch die Formen wechseln.

Die betont sportliche Vormittags-Zweckkleidung verlangt fast gebieterisch den robusten Schweinslederhandschuh, der im Winter mollig gefüttert, im Sommer auf der Außenseite gestrickt sein wird. An seine Stelle kann auch derbes Wildleder treten.

Nachmittags verschwindet das Sportliche. Aus dem Schweinsleder wird weiches Wild-, modefarbenes Schweden- oder Glacéleder.

Und am Abend kommen mit der Größe des Abendkleides auch die langen Schweden- oder Glacélederhandschuhe zu ihrem Recht.

Daß Eva die Handschuhe, unabhängig von ihrer Länge, nicht auszieht, wenn ein galanter Adam sie begrüßt, weiß sie natürlich – denn Eva ist eine Dame.


Große Taschen – kleine Täschchen: Irgendwann warst du, liebe Eva, im Zoo. Allein vielleicht – oder mit deinem dir rechtmäßig angetrauten Gatten. Und ich möchte wetten, daß du in einer Abteilung besonders lange stehengeblieben bist, obwohl inmitten der üppigen tropischen Pflanzen eine feuchte, stickige Atmosphäre herrschte. Aber die Ungeheuer, die reglos mit weitgeöffnetem Rachen dalagen und nur von Zeit zu Zeit mit einem Auge schläfrig blinzelten, haben dir keine Furcht eingeflößt. Im Gegenteil – du hast vermutlich im Geiste überschlagen, wieviel repräsentative Handtaschen aller Formate, Größen und Farben sich wohl aus ihren schmutzig schillernden Panzern für dich fertigen ließen. Denn die Panzerechsen – die unter dem Namen Krokodil Frauen und Männer gleichermaßen aufhorchen lassen, wenn auch mit recht geteilter Begeisterung – liefern ein vorzügliches Leder für Handtaschen, Koffer und Schuhe.

Nun gehört ja zur vollendeten Nachmittagsgarderobe eine Handtasche. Aber, Eva – es muß nicht »echt Kroko« sein. Glatt- oder Wildleder, in einer der Kleidung entsprechenden Farbe, tut es auch, wenn der Geldbeutel modische Ausflüge nach Afrika, dem tropischen Amerika, Südasien und Australien nicht gestattet. Natürlich macht sich zum sportlich-eleganten Kostüm so ein Gebilde, das die Augen anderer Frauen magisch anzieht, recht hübsch. Und wenn man seine zuweilen recht umfangreichen Reiseutensilien in einer Handtasche aus Kaiman-, Alligator- oder Gavialleder verstauen darf, so mag sich die Trägerin [167] wohl arriviert fühlen. Aber Krokodiltaschen haben etwas Eigenartiges an sich: sie verlocken zur Überdimensionierung. Besonders im Alltag, auf der Straße und dann, wenn das Geld keine allzu große Rolle spielt. Was für die Reise Berechtigung haben mag, gilt noch keineswegs für den Gang durch die Stadt. Zudem sind es doch im allgemeinen nur wenig Sachen, die du nachmittags bei dir hast, wenn du irgendwohin zum Tee gehst oder mit deiner Freundin durch die Straßen bummelst. Du wirst also mit fortschreitender Tageszeit eine kleinere Tasche wählen – von der zweckmäßigen Großformatigen beim Vormittagseinkauf über die kleine Wildledertasche am Nachmittag bis zum Brokat- oder Straßtäschchen am Abend.

Die Größe ist weniger bedeutend als vielmehr die Harmonie, mit der sich Taschenform und -farbe dem Kleid anpassen.


Schirme sind hübsch und können, graziös geformt und ebenso getragen, das elegante Erscheinungsbild vorzüglich abrunden. Schirmchen dagegen sind, finde ich, nur praktisch. Sie nehmen, zusammengelegt, nicht allzuviel Platz weg. Man sollte sie jedoch, solange man sie nicht braucht, in der großen Tasche eines sportlichen Mantels verschwinden lassen können, denn schön sehen sie ... Hast du Phantasie, Eva? Dann stell dir dich einmal vor: in sportlichem Kostüm, in flottem Mantel, mit keckem Hütchen – und dann baumelt an einem deiner Handgelenke so ein stummeliges Etwas herum ... Wie gesagt, sie sind praktisch, und man mag sie benutzen, wenn man gegen den ausgewachsenen Schirm eine Aversion hat – aber in der Hand tragen sollte man sie besser nicht.


Brillanten und Simili – man könnte auch sagen: Wünsche und Tatsachen. Denn die Träume von kostbarem Schmuck bleiben zunächst nur Träume – ohne daß Eva deshalb weniger bezaubernd auszusehen braucht. Die gestrenge Frau Mode hat sich trotz all ihrer Launen bereits seit geraumer Zeit entschlossen, auch unechten Schmuck als weibliches Zubehör zu gestatten. Wer könnte sich auch schon einen echten Brillanten im Gewicht von fünf Samenkörnern des Johannisfruchtbaumes leisten? Bist du, liebe Eva, über diesen Satz gestolpert? Nun – das Wort »Karat« kommt aus dem Griechischen und bedeutet eben dieses Samenkorn. Ein Karat sind rund 0,2 Gramm.

Ob echt oder unecht – du darfst dich schmücken. Dezent natürlich, mit viel Geschmack und getreu den ungeschriebenen Gesetzen, die auch hier Gültigkeit haben.

Vormittags paßt du den Schmuck der sportlichen Kleidung an. Du verzichtest auf alles Auffällige und beschränkst dich auf dezente Ohrclips, eine bescheidene Kette und ein schlichtes Armband.

Nachmittags wird es eleganter – aber noch immer in Grenzen. Abends dagegen darfst du zeigen, was sonst in deiner Schmuckschatulle ruht. Beileibe nicht alles [168] – lieber ein Stück weniger, und dafür in harmonischer Zusammenstellung.

Überhaupt – Auswahl und Kombination spielen eine gewichtige Rolle, wenn Schmuck wirklich schmücken soll. Und man tut gut daran, einige Grundregeln nicht zu übersehen.

Kurze Ketten eignen sich nicht für einen kurzen, dünne nicht für einen schlanken Hals.

Breite, runde Gesichter gestatten, wenn überhaupt, allerhöchstens ganz winzige Ohrringe, am besten sogenannte »Boutons«, in Form einer einzigen Perle.

Zu schmalen Gesichtern paßt hingegen ganz gut ein länglicher Ohrschmuck.


A. Bezaubernde Eva

Wer schwarze Haare und einen dunklen Teint hat, wird keine bunten Ohranhänger wählen – es sei denn, er wolle bewußt eine zigeunerhafte Note erzielen.

Schmuckringe sollten nur auf dem Ringfinger getragen werden. Ringe am Zeigefinger haben eine extravagante Note. Nur sehr schöne, schlanke Hände und ein außergewöhnlich schöner Ring rechtfertigen diese Extravaganz – am Zeigefinger der linken Hand.

Und dann natürlich, liebe Eva – alles zu seiner Zeit und passender Gelegenheit.


[169] Noch ein Wort über Trauerkleidung. Du wirst sie der Enge des Verhältnisses anpassen, das dich mit dem Verstorbenen verband. Ehefrauen tragen zur Beerdigung im allgemeinen den sogenannten Witwenschal; Töchter den schwarzen Hut mit langem schwarzem Schleier. Auch die übrige Kleidung – einschließlich der Schuhe, Strümpfe, Handtasche, Handschuhe und des Schals – ist schwarz. Der lange Schleier kann später weggelassen werden.

Entfernte Verwandte sowie Bekannte kleiden sich zur Beerdigung ebenfalls schwarz, verzichten jedoch auf Schleier.

Schmuck wird – mit Ausnahme des Eheringes – zur Beerdigung und bei tiefer Trauer grundsätzlich nicht getragen.


Und zu all dem, was wir jetzt besprochen haben, liebe Eva, steuerst du nun das Deine bei, das Wichtigste nämlich: deinen Geschmack, deinen sicheren Blick für Dinge, die zu dir passen, die dir stehen, die deinem Äußeren gerecht werden, Vorzüge unterstreichen und Mängel mildern. Glücklicherweise hat die gütige Natur dir in dieser Richtung viel Talent in die Wiege gelegt. Bist du dir dessen eigentlich bewußt? Wenn du nämlich den Mut zu eigener Entscheidung findest und mit dir und deinem angeborenen Gefühl für Harmonie sorgsam zu Rate gehst, wirst du gar bald dahinterkommen, daß es – unabhängig vom Geldbeutel – gar nicht schwer ist, sich der Umwelt als bezaubernde Eva zu präsentieren – mit jenem Schuß Noblesse, der dich vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein so reizvoll macht.

Und so wollen wir dieses Kapitel über dich, Eva, lächelnd beschließen – mit einem natürlich überflüssigen


... so bitte nicht!


Keine Schuhe mit hohen Absätzen zu langen Hosen.


Kein übertriebenes Dekolleté auf der Straße.


Kein Kopftuch zu einem französischen Kostüm.


Keine Brillanten am Vormittag.


Keinen Hut zur langen Hose.


Keinen Schleier zum Sportmantel.


Kein ärmelloses Kleid, wenn die Arme nicht hübsch sind.


Keine Riesenhandtasche zum eleganten Straßenkleid.


Keine Karos oder Querstreifen bei vollschlanker Figur.


Keine langen Stiefel zum kurzen Rock.

Quelle:
Graudenz, Karlheinz: Das Buch der Etikette. Marbach am Neckar 1956, S. 155-171.
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