Mensch

[84] Mensch (Homo). Die Arzneien sind offenbar mehr um des Menschen willen da, als daß er selbst den Stoff zu Arzneien herzugeben geschaffen seyn sollte. Sein thierischer Theil liefert keine Substanz, die man nicht eben so gut von unedlern Thieren entlehnen könnte. Dieser ganz natürlichen Betrachtung uneingedenk hat man ehedem das aus den Haaren destillirte (Ammoniaklaugen-) Salz gegen Nervenzufalle, das Oel zum Wachsthum der Haare, und die Asche gegen Gelbsucht, die Fingernägel als ein Purgirmittel, das Ohrenschmalz in Nagelgeschwüren und gegen Gesichtsschwäche, den Speichel als ein Wundmittel, das frische noch warme Blut (zuweilen mit Lebensgefahr) gegen Fallsucht, den Harn in Bleichsucht, Wassersucht, Gicht und Hypochondrie innerlich, so wie äußerlich gegen Gichtschmerzen und Kopfausschläge gebraucht. Die nützlichere Destillation des faulenden Urins zur Salmiakbereitung und seine Anwendung zum Phosphor war ihnen kaum bekannt. Einen eben so ekelhaften Gebrauch hat man in ältern Zeiten vom Kothe äußerlich auf Pestbeulen, von dem daraus destillirten Wasser als einem Schönheitsmittel, und dem daraus destillirten Oele gegen Hautausschläge, von der Nachgeburt gegen Flecken und Warzen des Gesichts und dem Pulver davon gegen Fallsucht, Bärmutterunthätigkeit und Kolik, vom Fette als einem schmerzstillenden, erweichenden zertheilenden Mittel äußerlich, und innerlich gegen Atrophie und Blutspeien, und von der Hirnschale (vorzüglich gewaltsam Getödeter) gegen Fallsucht gemacht. Solche Geistesverirrungen verdienen aber keine Kritik.

Die vor etlichen tausend Jahren in Egypten durch eine nicht völlig bekannte Einbalsamirung erhaltenen Leichen, die Mumien (Mumia), sind ein hartes, trocknes, glänzend schwarzes Fleisch von nicht unangenehmen Geruche und bitterlichem Geschmacke, welches von unsern Voreltern zur Zertheilung der Ekchymosen und Geschwülste, als ein angeblich eröffnendes Mittel des Gehirns und der Bärmutter, und gegen weißen Fluß gebraucht worden ist.[84]

Das zu unsrer ersten Nahrung so unentbehrliche Produkt des mütterlichen Körpers, die Frauenmilch muß sehr dünn, durchscheinend, von etwas bläulichter Farbe, und sehr süßem Geschmacke seyn und schnell einen leicht zertheilbaren Rahm oben absetzen. Bei Fleischnahrung gerinnt sie nie vor sich, auch bei dem thierischen Wärmegrade selbst von keiner bekannten Säure nicht, selbst nicht vom Kälbermagensafte, und enthält, etwa in zwei Pfunden, sechs Quentchen Butter, ein Loth Käse und zwei Loth Milchzucker. Sie giebt die natürlichste und vorzüglichste Nahrung für neugeborne Kinder und ist auch bei Erwachsenen in verschiednen Arten von Entkräftung mit Nutzen angewendet worden; nur daß ältern Personen das Saugen so schwer fällt.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 84-85.
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