§. [145] 72.

Was den ersten Punkt betrifft, so dient Folgendes zuvörderst als allgemeine Uebersicht. Die Krankheiten der Menschen sind theils schnelle Erkrankungs-Processe der innormal verstimmten Lebenskraft, welche ihren Verlauf in mässiger, mehr oder weniger kurzen Zeit zu beendigen geeignet sind – man nennt sie acute Krankheiten –; theils sind es solche Krankheiten, welche bei kleinen, oft unbemerkten Anfängen den lebenden Organism, jede auf ihre eigne Weise, dynamisch verstimmen und ihn allmälig so vom gesunden Zustande entfernen, dass die zur Erhaltung der Gesundheit bestimmte, automatische Lebens-Energie, Lebenskraft genannt, ihnen beim Anfange, wie bei ihrem Fortgange, nur unvollkommnen, unzweckmässigen, unnützen Widerstand entgegensetzen, sie aber, für sich, nicht selbst auslöschen kann, sondern unmächtig (sie fortwuchern und) sich selbst immer innormaler umstimmen[145] lassen muss, bis zur endlichen Zerstörung des Organism; man nennt sie chronische Krankheiten. Sie entstehen von Ansteckung mit einem chronischen Miasm.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Dresden, Leipzig 51833, S. 145-146.
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