§. [96] 45.

Nein, stets und überall vernichten sich zwei, der Art nach40 zwar verschiedene, aber in ihren Aeußerungen und Wirkungen wie durch die, von jeder derselben verursachten Leiden und Symptomen einander sehr ähnliche Krankheiten, sobald sie in Organism zusammentreffen, nämlich die stärkere Krankheit die schwächere, und zwar aus der nicht schwer zu errathenden Ursache, weil die stärkere hinzukommende Krankheitspotenz, ihrer Wirkungs-Aehnlichkeit wegen, dieselben Theile im Organism, und zwar vorzugsweise in Anspruch nimmt, die von dem schwächern Krankheits-Reize bisher afficirt waren, welcher folglich[96] nun nicht mehr einwirken kann, sondern erlischt41, oder mit andern Worten, weil, sobald die neue ähnliche, aber stärkere Krankheitspotenz sich des Gefühls des Kranken bemeistert, das Lebensprincip, seiner Einheit wegen, die schwächere ähnliche nicht mehr fühlen kann; sie ist erloschen, sie existirt nicht mehr, denn sie ist nie etwas Materielles, sondern nur eine dynamische, (geistartige) Affection. Nur von der neuen, ähnlichen aber stärkeren Krankheitspotenz des Arzneimittels bleibt nun das Lebensprincip afficirt, doch nur überhingehend.


40

Siehe oben §. 26, in der Anmerkung.

41

Gleichwie von dem stärkeren, in unsere Augen fallenden Sonnenstrahle, das Bild einer Lampenflamme im Sehnerven schnell überstimmt und verwischt wird.

Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, Ulm 1958, S. 96-97.
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Organon der Heilkunst - Aude sapere. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, herausgegeben und mit einem Vorwort von Richard Haehl.
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