§. [146] 95.

Die Erforschung der obgedachten und aller übrigen Krankheitszeichen, muß deßhalb bei chronischen Krankheiten so sorgfältig und umständlich als möglich geschehen und bis in die kleinsten Einzelheiten gehen, theils weil sie bei diesen Krankheiten am sonderlichsten sind, denen in den schnell vorübergehenden Krankheiten am wenigsten gleichen, und bei der Heilung, wenn sie gelingen soll, nicht genau genug genommen werden können; theils weil die Kranken der langen Leiden so gewohnt werden, daß sie auf die kleinern, oft sehr bezeichnungsvollen (charakteristischen), bei Aufsuchung des Heilmittels viel entscheidenden Nebenzufälle wenig oder gar nicht mehr achten und sie fast für einen Theil ihres natürlichen Zustandes, fast für Gesundheit ansehen, deren wahres Gefühl sie bei der, oft fünfzehn-, zwanzigjährigen Dauer ihrer Leiden ziemlich vergessen haben, es ihnen auch kaum einfällt, zu glauben, daß diese Nebensymptome, diese übrigen, kleinern oder größern Abweichungen vom gesunden Zustande, mit ihrem Hauptübel im Zusammenhange stehen könnten.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, Ulm 1958, S. 146.
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