I. Der Vater. Jugend bis zum Eintritt in die orientalische Akademie.

12. September 1841.


Schon vor zehn Jahren, nach Erscheinen des letzten Bandes meiner Osmanischen Geschichte, forderte mich meine selige Freundin, die letzte Gräfin Purgstall, auf, nunmehr, da ich das historische Werk meines Lebens beendet hätte, an meine Biographie Hand anzulegen; ich entgegnete ihr, daß dies in künftigen Jahren, wenn sie Gott verliehe, geschehen solle, daß vorderhand aber die Biographien der großen Geister des Islams mir weit näher lägen als meine eigene. Ähnliches antwortete ich anderen Freunden, die mir zu verschiedenen Malen dasselbe ansannen. In der Tat schien es mir Pflicht, solange es mir weder an Stoff noch an Kraft gebrach, meine für Studien und schriftstellerische Beschäftigung reichlich zugemessene Zeit orientalischen und historischen Arbeiten zu weihen, die ich durch Besitz und Erwerb der nötigen Hilfsmittel vollständiger als andere zustande zu bringen hoffen durfte.

Als nach dem Tode meiner edlen Freundin – sie vorzugsweise so zu nennen gebietet mir die reinste Dankbarkeit – sich mir die glückliche Aussicht eröffnete, fern von allen Geschäften und orientalischen Hilfsmitteln alljährlich wenigstens sechs Wochen in abgeschiedener Ruhe des Landes zu Hainfeld zuzubringen, war ich auch entschlossen, diese mir vom Himmel begünstigte Zeit keineswegs, wie in Wien, im Winter in der Stadt, im Sommer zu Döbling, der Gesellschaft und den Studien, sondern in vollster Muße ländlicher Erholung, archivalischer Forschung steiermärkischer Geschichte und dankbarer Erinnerung zu leben. Im ersten Herbste, den ich im Jahre 1836 zur Besitzergreifung des mir als Fideikommiß vererbten und als solches von der Regierung zugesprochenen großen Schlosses und kleinen Gutes[1] in Hainfeld zubrachte, gingen die Morgenstunden vor dem Frühstück, die einzigen, in denen ich hier am Schreibtisch sitze, bloß in Sichtung der Familienpapiere der Purgstall und in Ordnung des erheblichen Wustes auf.

Bei dem Reichtum von Briefen und Urkunden, die ich über die Gallerin von Riegersburg, eine der geschichtlich merkwürdigsten Frauen der Steiermark vorfand, drängte sich auch hier vor allen anderen Beschäftigungen der Gedanke auf, durch Sondern, Ordnen und Verbinden der Urkunden mittels biographischen Fadens ein gutes Beispiel der Benützung von Familienarchiven zu hinterlassen. Diese Arbeit füllte die ersten fünf meiner zu Hainfeld verbrachten Herbstferien aus, indem ich im ersten Jahre die Urkunden sonderte und ordnete, in den drei folgenden die drei an dieselben sich anschließenden Teile der ›Gallerin auf der Riegersburg‹ schrieb und im fünften dieselben noch einmal durchging. Nun, da ich auch diesem Pflichtgefühle der Geschichtsliebe und Freundschaft genuggetan, mag ich mir gestatten, den öfters geäußerten Wunsch der Freunde in der herbstlichen Muße meines Landaufenthaltes und Alters durch die Aufzeichnung der Erinnerungen aus meinem Leben zu erfüllen. Ich lege um so lieber Hand ans Werk, als mich die Gebrechen des hohen Alters dringend mahnen, daß hierzu die höchste Zeit; um so lieber, als schon bei meinem Leben mehrere mich betreffende biographische Artikel erschienen, die weder vollständig noch ganz richtig, und als nach meinem Tode auch andere erscheinen könnten, die ich zu berichtigen nicht mehr imstande wäre. Mein Freund J.G. Flügel hat sich aus eigenem Antriebe mir zu meinem Biographen als Orientalist angeboten, und ich habe sein Anerbieten dankbar angenommen, da niemand besser als er mit meinen orientalischen Studien und Arbeiten, besonders in den letzten Jahren aus meinen Briefen, vertraut ist.

Ich kann es mir daher ersparen, mich über Gegenstände, die nur den Orientalisten interessieren, zu verbreiten. Meine Werke orientalischer Philologie und Geschichte liegen ohnedies der Welt vor, und die Kritik, welche dieselben bei meinem Leben angefeindet, wird vielleicht nach meinem Tode nachsichtiger darüber urteilen. Einiges von der Veranlassung[2] derselben und den Hilfsmitteln, die mir zu Gebote standen, von dem Gange meiner Erziehung und Bildung, wodurch ich zum Orientalisten geworden, von meinen Freundschaften und den feindlichen Berichtigern meines literarischen Strebens zu sagen, ist unvermeidlich.

Endlich lege ich um so lieber Hand an die Aufzeichnung meiner Erlebnisse, als dieselben nicht bei meinem Leben erscheinen, unter keiner Rücksicht auf Lebende geschrieben und keiner österreichischen Zensur unterliegen, sich um so freier bewegen können. Die engherzigen und kurzsichtigen Beschränkungen der Zensur können keinem Manne von literarischer Ehre die Notwendigkeit aufzwingen, in einem anderen Sinne, als er denkt, zu schreiben, aber sie erlauben keineswegs die freie und unumwundene Äußerung des Gedankens und legen erzwungenes Stillschweigen über die wichtigsten Gegenstände des geistigen Lebens auf.

Bei meinen Ahnen brauche ich nicht lange zu verweilen, weil ich dieselben nicht kenne. Der Ausdruck: er hat keine Ahnen, ist ganz und gar unrichtig, Ahnen hat ein Mensch wie der andere. Allen ist der Adel gemein, durch den die Vernunft den Menschen über das Tier erhebt; Geist und Gefühl, Stärke und Schönheit, Genius und Tugend sind die angeborenen, Erziehung und Bildung die erworbenen Grade des wahren Adels. Ahnen haben der Adelige und der Nichtadelige, nur zählt sie der erste, weil einer von ihnen ausgezeichnet worden. Manche des zweiten mögen es auch verdient haben, ausgezeichnet zu werden, aber weil ihnen kein Diplom ward, weil sie keine Kunde ihrer Taten hinterließen, weil kein Gesetzgeber sie genannt, bleiben ihre Namen in Vergessenheit begraben.

Meine Voreltern kenne ich nicht weiter als bis auf den Großvater zurück. Im Zedlerschen Universal-Lexikon erscheinen zwar sieben gelehrte Hammer; ihr erster ist Christoph Hammer aus Hildburghausen, geboren in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, er war Magister und Professor der orientalischen Sprachen, schrieb eine Abhandlung über den Ursprung, die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit der orientalischen Sprachen und einen Lehrkursus des Hebräischen, Chaldäischen, Syrischen, Arabischen, Äthiopischen[3] und Armenischen. Mein Vater führte diese sieben Gelehrten in seinem Adelsgesuche vor nun fünfzig Jahren zwar an, machte aber keinen Versuch, irgendeine Verwandtschaft nachzuweisen. Die übrigen sechs bei Zedler angeführten Hammer waren zwei Theologen, zwei Juristen, ein scholastischer Philosoph und ein Magister. Dieser letztere schrieb über die Visionen und Wunderzeichen, welche der Schlacht bei Lützen 1632 vorhergingen. Eine geistige Verwandtschaft mit dem Orientalisten Hammer kann mir wohl nicht bestritten werden. Sie hatte aber keinerlei Einfluß auf meinen Eintritt in die orientalische Akademie, denn mein Vater machte die Bekanntschaft dieses und der übrigen sechs Hammer erst im Jahre 1789 auf der Hofbibliothek zu Wien.

Außer dieser geistigen Verwandtschaft vermag ich also in der Kunde meines Geschlechtes nicht weiter hinaufzusteigen als bis zu meinen väterlichen und mütterlichen Großvätern.

Mein Großvater väterlicher Seite war Gärtner, der mütterliche Landschaftsbote. Jener diente dem Prinzen Eugen im Belvedere zu Wien, und ein dem ›ehrbar und kunstliebenden Johann Hammer aus Heiligenkreuz in Steiermark‹ auf Pergament in schöner Fraktur- und Kanzleischrift geschriebenes, oben mit dem Wappen des Prinzen Eugen, unten mit der Ansicht der Stadt Wien geziertes, ›Am Rennweg in Prinz Eugen's Lustgarten auf den dritten Martii 1725‹ gegebenes, mit dem Siegel des Hof- und Lustgärtners Staudinger versehenes Zeugnis erteilt ihm das Testimonium seines Wohlverhaltens als Kunst- und Blumengärtnergesellen.1

Mein Vater war am 3. Juli 1738, nicht, wie ich selbst lange irrig geglaubt, zu Graz, sondern zu Katzelsdorf in Österreich geboren. Da mein Vater, Sohn eines Steiermärkers, zwar in Österreich geboren, von seinem sechsten Jahre an in Graz erzogen, hier erst die Philosophie, dann Humaniora studierte und sein ganzes Leben zu Graz verbrachte, so gehört er mehr der Steiermark als Österreich an[4] und sein Nekrolog steht mit gutem Fug unter den von dem würdigen, um die steiermärkische Geschichte verdienten Dechanten Wincklern herausgegebenen biographischen Notizen ausgezeichneter Steiermärker. Da mein Vater, am 3. Juli 1738 geboren, erst im Jahre 1760 seinen philosophischen und erst 1764 seinen juridischen Kurs beendet hat, so erhellt, daß er nicht vor seinem siebzehnten Jahre zu studieren begonnen, drei Jahre Philosophie und vier Jahre Jus gehört. Von seinen Mitschülern überlebte ihn der gelehrte van Swieten, der Präfekt der Hofbibliothek unter Kaiser Josef, und der im Studienfache vielbetraute Abbé Bruck, ehemals Jesuit, dann Präfekt am Gymnasium zu St. Anna.

Seit dem Jahre 1767 war mein Vater beim Gubernium als überzähliger Akzessist angestellt (Dekret vom 1. September 1767). Da er als solcher keine Besoldung hatte, war ihm auf seine Bittschrift das Stipendium von 120 Gulden, das er als Jurist genossen, als Beihilfe bis zu seinem Eintritt als Besoldung bewilligt worden. Diese Besoldung erhielt er im folgenden Jahre, als er als bestellter Akzessist beeidigt wurde (Dekret vom 1. März 1768). Bis 1770 war er von einigen Kanzleistunden dispensiert, um die Vorlesungen über Polizei- und Kameralwissenschaften, und bis 1773 an drei Tagen der Woche von bestimmten Kanzleistunden, um die Vorlesungen über die doppelte Buchhaltung hören zu können. Seine Zeugnisse darüber sind glänzend; am 5. September 1772 wurde er über Polizei- und Kameralwissenschaften geprüft und erbrachte ›ausnehmendste Beweise seiner Fähigkeit, seines vorzüglichen Fleißes und seiner ganz besonders gründlichen Einsicht in diese Wissenschaften‹. Mein Vater praktizierte noch bei Dr. Bruck, als eines Tages in der Kanzlei ein 14jähriges Mädchen erschien, dessen Gesichtsbildung, schöner Wuchs und aufgeweckter Geist den damals 28jährigen Sollizitator so entzückten, daß er sogleich den Entschluß faßte, wenn er einmal imstande sein sollte, zu heiraten, dieser und keiner anderen die Hand zu geben. Die Möglichkeit einer ehelichen Verbindung war erst im Jahre 1773 gegeben, als mein Vater die Erlaubnis erhielt, neben seinem Kanzleiamte die Agentie der landesfürstlichen[5] Städte und Märkte zu übernehmen. Als im Monat August die Braut von einer Reise nach Graz zurückkehrte, fand am 5. September dieses Jahres die Vermählung statt. Genau einen Monat später wurde die Aufhebung der Jesuiten in der ganzen österreichischen Monarchie kundgemacht, ein nicht nur für das künftige Schicksal der Monarchie, sondern auch für meinen Vater höchst folgewichtiges Ereignis.

Auf die Empfehlung des zum Administrator der Jesuitengüter ernannten Gubernialrates Grafen Josef von Bethgen, welchem mein Vater als Kanzlist zugeteilt gewesen zu sein scheint, wurde dieser mit Gubernialdekret vom 1. Oktober 1774 zum Aktuar dieser Administration mit 400 Gulden ernannt. Eine erfreuliche Beisteuer ins Haus, welches neun Monate nach der Vermählung, am 9. Juni 1774, durch die Erstgeburt, die mich zu Tage förderte, erfreut worden war. Im dritten Stock des damals 421, heute 392 numerierten Hauses im ›Kälbernen Viertel‹ um Viertel auf sieben Uhr, erblickte ich das Licht. Die zweimal sieben Jahre der glücklichen Ehe meiner Eltern waren fast jedes Jahr mit einem Kinde gesegnet und mit immer neuen Beweisen von hoher und höchster Zufriedenheit durch Belobung, Beförderung oder Belohnung mit Geld ausgezeichnet.

Im Jahre 1776 hatte mein Vater eine Besoldungszulage von 100 Gulden, im folgenden Jahre ›in Anbetracht seiner durch Exzellenz Grafen Josef von Bethgen angerühmten besonderen Fähigkeiten und tätigsten Verwendung‹ den Titel eines Sekretärs erhalten (Intimat des Guberniums vom 16. Juli 1777). Ein Jahr später wurde er als Inspektor der Kameralgüter aufgestellt (Intimat vom 20. Februar 1778). ›In Anbetracht seiner eifrigen und nützlichen Dienste‹ ward ihm für das Jahr 1778 eine Belohnung von 300 Gulden (Intimat vom 26. März 1779), im folgenden Jahre ›für sein zu Millstatt vollführtes Operat in betreff der künftigen Regulierung und besseren Benützung der Herrschaft‹ eine Remuneration von 100 Dukaten (Intimat vom 3. Juni 1780) und im selben Jahre ›in Anbetracht seiner in Verwaltung der steirischen Exjesuitengüter leistenden, ersprießlichen Dienste und hierbei bestätigten so eifrigen als nützlichen Verwendung der k.k. Ratstitel unentgeltlich verliehen‹[6] (Intimat vom 28. Oktober 1780). Im nächsten Jahre ward ihm abermals die besondere Zufriedenheit der Hofkammer für die vorteilhafte Veräußerung der um Graz liegenden Jesuitenrealitäten zu erkennen gegeben (Intimat vom 9. Dezember 1781).

Im Jahre 1783 ward ihm ›in Anbetracht seiner erprobten Einsicht, Anstelligkeit und mit vielem Diensteifer verbundenen Rechtschaffenheit‹ das zufolge Allerhöchsten Befehles binnen Jahresfrist vom 10. Hornung einzuführende Robotabolitionssystem auf allen in Steiermark, Kärnten und Krain einzurichtenden kameralistischen, städtischen, Exjesuiten-, geistlichen und Findel-Landgütern als Hofkommissär anvertraut (Intimat vom 22. Juli 1783). Einen Monat später ward er zum Oberadministrator der Güteradministration für sämtliche Kameralgüter in den vereinigten Provinzen Steiermark, Kärnten und Krain ernannt (Intimat vom 20. August 1783). Im folgenden Jahre, als ich am Lyzeum meinen lateinischen Studien oblag, wurde meinem Vater ›die gänzliche Zufriedenheit einer hohen Hofstelle in Rücksicht seiner durch die im Robotabolitionsgeschäfte entworfenen Instruktion und getroffenen Einteilung an den Tag gelegten Einsicht und Tätigkeit‹ zu erkennen gegeben (Intimat vom 5. März 1784).

Meiner seligen Mutter erinnere ich mich leider nur dunkel als einer hohen, im Vergleiche mit meinem Vater, der von kleiner Statur, edlen Gestalt, deren Muttersorge unter ihren acht lebenden Kindern geteilt war. Sie starb im Kindbett des neunten, zwei andere hatte sie in der Wiege verloren. Obwohl ich schon im dreizehnten Jahre, als sie ihrem Gatten und ihren unmündigen Kindern entrissen wurde, vermag ich doch nur wenig von ihr in mein Gedächtnis zurückzurufen, und dies fällt schmerzlich auf mein Herz.

Ich nehme den Faden der politischen Laufbahn meines Vaters dort wieder auf, wo ich ihn im Jahre 1784 verließ. Im folgenden Jahre wurde mein Vater zugleich mit dem Gubernialrate Grafen von Gaisruck zur Leitung des Steuerregulierungsgeschäftes in Steiermark, Kärnten und Krain ernannt (Hofkommissionsdekret vom 15. April 1785). Er vereinte[7] nun die oberste Aufsicht dreier der wichtigsten Zweige der Kameralverwaltung, indem er Administrator der Kameralgüter, Hofkommissär der Robotabolition und nun auch der Steuerregulierung. Einen neuen Beweis der höchsten Zufriedenheit mit den bisher geleisteten Diensten und des höchsten Vertrauens brachte das nächste Jahr, indem er eine Erhöhung seiner Besoldung von 1500 auf 2000 Gulden und als wirklicher Gubernialrat Sitz und Stimme erhielt (Hofdekret vom 14. Januar 1786). Er hatte in den verflossenen Jahren seiner Dienstleistung seine Geschicklichkeit und seinen Eifer durch zahlreiche Aufsätze im kameralistischen und ökonomischen Fache betätigt, wie durch die allen Güterbeamten zugefertigten Amtsinstruktionen, Rechnungsvorschriften, Kanzlei- und Registratursordnung, die Vorschriften zur Liquidierung, Sicherstellung und Einbringung der unter dem Besitze der Stifte und Klöster seit dreißig und mehr Jahren sich herschreibenden Außenstände, die Weisungen zur vorteilhaftesten Verschleißart der Gütererzeugnisse, zur Verpachtung der infixierten Nutzungsrubriken, den Unterricht über die Gebarung mit Wäldern und Gebäuden, über Verpflegung der Armen, über Landschulen, über Kaufrechtmachung der Mietgründe, Verteilung der Gemeindeweiden und so weiter.

Nach angeordnetem Verkauf der Exjesuitenrealitäten hatte der Administrator denselben mit solchem Eifer und solcher Umsicht gefördert, daß er kleine, zerstreute, selbständige Güterparzellen im Werte von vierthalbhunderttausend Gulden nicht nur zum größten Vorteile des Fonds, sondern auch ohne daß je daraus der geringste Streit erwachsen wäre, zustande gebracht hatte. Hierüber war ihm durch ein Hofdekret die besondere Zufriedenheit der Hofkammer zu erkennen gegeben worden (Hofdekret vom 27. November und Gubernialintimation vom 9. Dezember 1781). Gleiche Zufriedenheit wie im Geschäfte der Güterverwaltung erwarb er sich auch in dem der Robotabolition und der Steuerregulierung. Es wurde ihm ›mit Rücksicht seiner durch die im Robotabolitionsgeschäfte entworfenen Instruktionen und getroffenen Einleitungen an den Tag gelegten Einsicht und Tätigkeit die gänzliche Zufriedenheit einer[8] hohen Hofstelle zu erkennen gegeben‹ (Intimat des Hofdekretes vom 5. März 1784).

Bei der Steuerregulierungs-Hofkommission wurde die Einhebung des Betrages der Waldungen nach dem Antrage meines Vaters reguliert, und in der darüber erflossenen Verordnung der Steuerregulierungs-Hofkommission heißt es: ›Das Gutachten der übrigen Steuerregulierungs-Oberkommissionen, welche über die eingelegten Anmerkungen des Herrn Hofkommissärs und Kameralgüteradministrators Hammer in betreff des Ertrages der Waldungen vorgenommen worden sind, ist in der Hauptsache nach der Meinung des gedachten Herrn Hofkommissärs ausgefallen; so wird demnach denselben hiermit ein ordentlich Beispiel gegeben‹ (Verordnung der Steuerregulierungs-Hofkommission an die Steuerregulierungs-Oberkommission in Innsbruck, 27. Juli 1785).

Besonders hatten sich die Geschäfte der Güteradministration mit jedem Jahre auf eine Weise gemehrt, daß denselben mit den in nicht hinlänglicher Anzahl bewilligten Unterbeamten kaum genügt werden konnte. Bis zum Jahre 1781 waren nur 12 Jesuitengüter zu verwalten; diese Zahl wuchs im folgenden Jahre durch die Aufhebung von Stiften und Klöstern auf 26, im Jahre 1783 auf 64, im Jahre 1785 auf 84, im Jahre 1786 mit Einschluß der Kameralgüter auf 123 und im Jahre 1787 auf 125, mit Zurechnung der kleinen auf 130 Güter, deren Ertrag 410.000, deren Kapital 10,050.000 Gulden betrug, die zerstreuten Realitäten der Bruderschaften und die Waldungen noch bestehender Stifte und Klöster nicht gerechnet.

Als Administrator dieser Güter ordnete mein Vater die mit denselben übernommenen uralten Untertans-, Urbarial- und anderen Außenstände, deren manche sich bis zu fünfzig Jahren herschrieben, mit vieler Mühe und brachte von diesen während seiner Verwendung 80.000 Gulden ein; die aus dem Verkaufe der mit dem Hauptkomplex eines Gutes nicht verbundenen Realitäten eingebrachte Summe betrug mehr als vierthalbtausend Gulden. Der Ertrag der innerösterreichischen Staatsgüter war um mehr als jährlich 2000 Gulden verbessert und ihre Renten an die betreffenden Kassen abgeführt worden. Als Robotabolitionskommissär[9] hatte mein Vater die Robotabolition bei 590 Staatsgütern eingeleitet und bei 494 anderen geistlichen Gütern und Realitäten zustande gebracht. Als Steuerregulierungskommissär betätigte er seine Einsicht und seinen Eifer durch geistreiche Referate und Abhandlungen über die mannigfaltigsten landwirtschaftlichen Gegenstände, als: ›Über die notwendige Beibehaltung des natürlichen Wirtschaftsdienstes bei der Erhebung des Grundertrages‹, ›Über die Eigenschaft und Nutzberechnung der Raumrechte und anderer Wechselgründe‹, ›Über die notwendige Fatierung der bezüglichen Nebenfrüchte und des Gewässers‹, ›Über den Kulturaufwand überhaupt, besonders aber über die Verschiedenheit der Ansaatmenge und notwendigen Abrechnung des einen und des anderen‹, ›Über die oftmalige Unentbehrlichkeit der Brachen und die notwendige Fatierung des Brachfutters‹, ›Über die Purifikation‹ und so weiter. Mit außerordentlicher Mühe wurde die Grundvermessung und Fruchterhebung als die Grundlage der bezweckten Steuerausgleichung mit Anfang des Jahres 1787 vollendet, und über die im Februar 1788 für Steiermark, Kärnten und Krain überreichten Landessummarien wurde auch durch ein Handbillett vom 28. Februar 1788 den gesamten, damals in Wien versammelten Steuerregulierungskommissären das Allerhöchste Wohlgefallen mit dem Zusatze zugesichert, ›daß es auch in der Folge und nach zustande gebrachtem ganzem Geschäfte besonders angenehm sein wird, jedem aus ihnen höchste Merkmale Meiner Gewogenheit für sie zuwenden zu lassen‹. In dem meinem Vater am folgenden Tage mit Anschluß des Handbilletts zugestellten Hofkommissionsdekrete heißt es: ›Solches wird dem Herrn Hofkommissär mittels des in Abschrift beigeschlossenen höchsten Handschreibens bekanntgemacht, damit sich derselbe einerseits der besonderen höchsten Zufriedenheit über dessen bisherige unausgesetzte eifrige Verwendung und der bei gänzlicher Beendigung der noch bevorstehenden Bearbeitung zu gewärtigen habe, der höchsten Merkmale des gnädigsten Wohlwollens versichert halten möge.‹

›Bis hieher‹, sagt mein Vater in seiner ersten, vergebens um Gerechtigkeit flehenden Bittschrift, ›reicht das[10] Wachstum meiner glücklichen Tage.‹ Dies ist in bezug auf seine politische Laufbahn wörtlich wahr, in betreff seines häuslichen Glückes muß es um ein volles Jahr zurückdatiert werden, da dasselbe durch den Blitzstrahl aus heiterem Himmel, den Tod seiner geliebten Genossin, am 12. Januar 1787 für immer vernichtet wurde. Von dem Todestage meiner Mutter datierte der Sturz des häuslichen Glückes meines Vaters, dem im folgenden Jahre die Untergrabung seiner politischen Laufbahn folgte.

Zwanzig Jahre lang hatte mein Vater nun dem Staate gedient, und jedes Jahr hatte ihm Belohnung, Beförderung oder wenigstens Belobung gebracht. Seine ihm von allen seinen Vorgesetzten und oberen Behörden bezeugten ausgezeichneten Eigenschaften hatten ihm in dieser Zeit das hohe und höchste Vertrauen und die schnelle Beförderung zu seinen drei so wichtigen Posten verschafft. In seiner Eigenschaft als Steuerregulierungskommissär war er mit seinen Kollegen Ende des Jahres 1787 nach Wien berufen worden, um dort Besprechungen unter dem Vorsitze des Rechnungskammerpräsidenten Grafen von Zinzendorf mit aus allen Ländern versammelten Steuerregulierungskommissären beizuwohnen. Nach dem von der Hofkommission vorgelegten Abschlusse der Ausmessungs- und Fatierungsoperationen wurden dieselben durch das Handbillett vom 28. Februar aufgelöst, zugleich durch ein zweites Handbillett eine neue, selbständige Hofkommission unter dem Vorsitze des Staatsrates von Egger aufgestellt und die Ausführung des Steuerregulierungsgeschäftes der vereinigten Hofkanzlei übergeben. Die Oberleitung war aus den Händen des Grafen Zinzendorf in die des Grafen Chotek übergegangen.

Vier Tage hernach erging im Namen des Präsidiums der neuen Kommission an alle Hofkommissäre die Aufforderung, ›daß es ihnen belieben möge, die ihnen aus Gelegenheit der von Seiner Majestät herabgegebenen Grundsätze vorkommenden, auf die Ausführungsart sich beziehenden Umstände spezifisch anzuzeigen und zu entwickeln, zugleich aber die anwendbarsten Mittel zu deren Behebung vorzuschlagen, damit die weitere Überlegung von der Hofkommission gepflogen und ehestens ein alleruntertänigster Vortrag[11] an Seine Majestät erstattet werden könne‹ (Intimat der Steuerregulierungs-Hofkommission vom 5. März 1788). Schon in den Sitzungen der ersten Hofkommission waren die Umstände und Schwierigkeiten, welche sich der Ausführung der Steuerregulierung nach den vom Kaiser herabgegebenen Grundsätzen entgegenstellten, mündlich verhandelt worden, und mein Vater hatte sich darüber mit der ehrerbietigsten Freimütigkeit geäußert.

In demselben Geiste war seine auf die obige Aufforderung abgegebene schriftliche Äußerung abgefaßt. Sein Antrag bestand darin, ›daß, wenn den Güterbesitzern ihre bisherigen Forderungen nicht beglichen werden sollten, ihnen durchgehends zwanzig Prozent pro Urbario ersetzt werden möchten‹. Diese Freimütigkeit mißfiel, weil dieselbe nicht im Einklange mit dem absoluten Willen des Kaisers, und sechs Wochen danach wurde der Gubernialrat und Steuerregulierungs-Hofkommissär Hammer von der neuen Steuerregulierungs-Hofkommission dahin verständigt, ›daß derselbe von dem Einflusse bei der bisher gemeinsam mit dem Herrn Gubernialrate Grafen Gaisruck geführten Oberleitung des Steuerregulierungsgeschäftes nach Entschließung Seiner Majestät zu entheben sei, und zugleich angewiesen, mit obenerwähntem Herrn Grafen bei seiner Rückkehr nach Graz, welcher nun nichts im Wege stehe, der Reise- und Zehrungsgelder gegen ordentliche Abrechnung zu pflegen‹. (Wien, am 16. Mai 1788. Gezeichnet Egger und Leopold von Haan.)

Zugleich mit dieser Verständigung kam das zwei Tage früher datierte Hofdekret des Inhaltes, ›daß Seine Majestät aus eigener höchster Bewegung allerhöchst zu resolvieren befunden haben, daß der Herr Staatsgüteradministrator als wirklicher Gubernialrat und Referent bei dem innerösterreichischen Landesgubernium mit seinem dermaligen Gehalte angestellt, die von demselben bekleidete Staatsgüter-Administratorstelle dem Freiherrn von Schwitzen übergeben werden solle‹. (Hofdekret vom 15. Mai 1788. Unterzeichnet Graf Chotek und Ugarte.) Diesem doppelten Schlage folgte achtzehn Monate später ein noch ärgerer.

Den Verlust der Reise- und Zehrgelder und des freien Quartiers, welches der Staatsgüteradministrator in dem[12] Hause auf dem Fliegenplatze genoß, abgerechnet, war doch wenigstens das bisherige Gehalt des Gubernialrates nicht gemindert und insoweit keine Ungerechtigkeit begangen worden.

Um den Schlüssel zu der ebenso ungerechten als aufsässigen Verfolgung zu haben, deren Opfer mein Vater wurde, genügt zu wissen, daß er kein Mitglied des damals so übermächtigen und alle seine Brüder begünstigenden Freimaurerbundes gewesen ist, welchem seine Gegner, die Hofräte Waidmannsdorf und Dornfeld, und der zu seinem Nachfolger als Staatsgüteradministrator ernannte Freiherr von Schwitzen angehörten.

Mein Vater war nicht nur nicht Maurer, sondern, wiewohl mit seiner Geradheit und Offenheit zwar nicht von jesuitischem Sinne, aber dennoch ein erklärter Freund der Jesuiten, an deren staatsgefährlichen Einfluß er nie glaubte. Den Gegnern des Ordens und persönlichen Feinden war es ein leichtes, den Administrator der Jesuitengüter als einen Anhänger dieser zu verdächtigen und seinen Platz einem andersgesinnten Mitgliede des Bundes zuzuwenden. Die Ungnade des Kaisers, die sich mein Vater durch seine freimütige Äußerung zugezogen, erleichterte seine Entfernung. Schon im Jahre 1785, als mein Vater Inspektor von nur 86 Gütern, bereiste Gubernialrat Freiherr von Waidmannsdorf Steiermark, Kärnten und Krain als Hofkommissär zur Untersuchung der Administration der Staatsgüter. Nur bei sechs Gütern fand die Hofkommission einige Ausstellungen zu machen. Die Relation des Freiherrn von Waidmannsdorf schob die Schuld an diesen Verwaltungsgebrechen auf die doppelte Dienstleistung des Administrators, der zugleich Agent der landesfürstlichen Städte und Märkte war, und beantragte seine Enthebung von dem einen oder dem anderen Amte. Durch eine Hofverordnung wurde mein Vater zur Ablegung der Agentenstelle angehalten (Gubernialintimat vom 5. Juli 1785).

Zugleich wurde dem Inspektor aufgetragen, sich über die bei sechs Gütern ausgestellten Verwaltungsmängel zu verantworten. Diese von dem Gubernium mit Bezeugung des Diensteifers einbegleitete Rechtfertigung fiel so siegreich[13] aus, daß der Dienstkreis nicht beschränkt, sondern erweitert wurde, indem ihm die Verwaltung sämtlicher Bankalgüter aufgetragen und er durch zwei am selben Tage erlassene Hofdekrete mit erhöhtem Gehalt zum Oberadministrator der Staatsgüter und zum wirklichen Gubernialrat ernannt wurde (14. Januar 1786).

Nicht so siegreich und glücklich wurde der von seinen Gegnern im Jahre 1789 wider meinen Vater erneute Angriff abgeschlagen. Sie hatten um so leichteres Spiel, als mein Vater durch die Ungnade Kaiser Josefs bereits der Hofkommissärs- und Administratorsstelle enthoben und bloß als Referent beim Gubernium belassen worden war. Auch hier stand ihnen seine Rechtlichkeit und Wahrheitsliebe im Wege. Freiherr von Schwitzen und Hofrat von Dornfeld bereisten neuerdings die Staatsgüter, und unter dem Ministerium des Grafen Chotek gelang es ihnen, meinen Vater auf die kränkendste und ungerechteste Weise Knall und Fall von der Geschäftstätigkeit zu entfernen und ihm durch Pensionierung mit einem Drittel seines bisherigen Gehaltes den empfindlichsten Schaden an Ehre und Gut zuzufügen (14. Dezember 1789).

Die schreiende Ungerechtigkeit solcher Behandlung wurde bald erkannt und schon im nächsten Jahre durch die Erhöhung der Pension von einem Drittel auf die Hälfte, durch die versicherte Hoffnung nächsten Wiedereintrittes in vollste Dienstleistung und durch die Erhebung in den Adelsstand zur Belohnung so vieler treu und eifrig geleisteter Dienste gutgemacht und gesühnt.

Die am zwölften Tage nach dem harten Intimate um Einsetzung in den vorigen Stand eingereichte Bittschrift wurde einen Monat später abgewiesen. Sie enthielt als Beilagen alle zwanzig Belobungs-, Beförderungs- und Belohnungsintimate. Eine Bittschrift um einen Beitrag zur Erziehung seiner Kinder wurde ebenfalls abgelehnt; in ihr sagt mein Vater: ›Da ich ein Mann ohne adelige Geburt, ohne ererbtes Vermögen, ohne nächste Verwandtschaft bin, so glaube ich die Schlußfolge hieraus ziehen zu dürfen, daß nur Fähigkeit, Fleiß, Rechtschaffenheit mir hierzu den Weg gebahnt haben.‹[14]

Auf die beiden angehobenen Beweggründe der harten und ungerechten Jubilation antwortete mein Vater in seiner Bittschrift, daß ihm diesmal nicht wie bei der ersten Güterbereisung die allenfalls aufgefundenen Verwaltungsgebrechen zur Kenntnis gebracht wurden, so daß er nicht einmal wisse, weshalb er ungerecht und unschuldig verdammt worden sei. Es sei auch zu erwähnen, daß die meisten der Stifts- und Klostergüter ohne Rechnungskanzlei, ohne Registratursordnung mit einer ungeheuren Menge uralter, nicht liquidierter Forderungen in verworrenster Lage übernommen worden sind und daß die in wiederholten Vorstellungen verlangte Vermehrung des zur Verwaltung nötigen Personals weder im Jahre 1783 noch im Jahre 1786 bewilligt wurde. Der Vorwurf, daß er als Steuerregulierungskommissär nicht zu brauchen gewesen, weil er die der Ausführung der vorgeschriebenen Grundsätze sich entgegenstellenden Schwierigkeiten auseinandergesetzt und zwanzig Prozent zur Entschädigung der Gutsbesitzer beantragt, erhalte seine Rechtfertigung durch die Allerhöchste Entschließung, durch welche achtzehn Prozent geschenkt worden sind. ›Jedem Grundbesitzer sollen von dem im Durchschnitt aller Grundgattungen erhobenen Ernteertrage siebzig Prozent frei bleiben, von den noch übrigen dreißig Prozent sollen zwölf Prozent als landesfürstliche Grundsteuer zu entrichten und höchstens achtzehn Prozent, wenn der Grund zehentschuldig oder mit anderen derlei Gaben belehnt ist, an den Gutsherrn, Zehentherrn, für alle ihre Ansprüche, wie sie immer Namen haben mögen, abgegeben werden, worüber sich diese ausgleichen mögen und begnügen müssen‹ (Patent der Josefinischen Steuerverordnung vom 20. April 1785).

Diese so schlagende Ablehnung der beiden Jubilierungsgründe würde bei denen, die sie bewirkt, wohl wenig Eingang gefunden haben, wenn von ihnen allein die Aberkennung guten Rechtes und die Entschädigung für begangenes Unrecht abgehangen hätte. Glücklicherweise fand damals unter der Regierung Kaiser Leopolds sowie später unter der Kaiser Franz' die Möglichkeit statt, wider zugefügtes Unrecht von Behörden oder Ministerien in der Person des Monarchen Schutz und Recht zu finden.[15]

Die Fürsprecher meines Vaters, der Gouverneur der Steiermark Graf Khevenhüller und der Staatsminister Graf Zinzendorf, wovon jener die Rechtschaffenheit und Tätigkeit meines Vaters als Staatsgüteradministrator, dieser die Redlichkeit und Tüchtigkeit als Steuerregulierungskommissär bezeugten, fanden am Thron Gehör.

Auf diese Vorstellungen hin wurde meinem Vater die Wiedereinstellung versprochen und indessen das bisherige Drittel des Gehaltes auf die Hälfte erhöht. Da indessen diese Genugtuung vorderhand nur eine halbe, so suchte er auf Anraten seiner Gönner, deren erster und wärmster sein ehemaliger Vorgesetzter, der Vizepräsident der Hofkammer Graf Josef von Bethgen, als ein Merkmal der Anerkennung seiner Verdienste um den Adel an, welcher ihm mit Nachsicht der Hälfte der Taxen gewährt und verliehen wurde.

Ein Jahr nachdem die erste von meinem Vater eingereichte Bittschrift um Wiedereinsetzung in seinen vorigen Stand abgewiesen worden, hatte mein Vater durch ein der ›Grazer Zeitung‹ beigelegtes Blatt, seine Dienste in rechtlichen, politischen, kameralistischen, landwirtschaftlichen und Güterverwaltungsgegenständen als Agent oder Gewaltträger zu übernehmen, sich öffentlich angeboten, um den Ausfall des Gehaltes wenn möglich hereinzubringen. Er erhielt alsbald mit der Güteraufsicht die Verwaltung des durch üble Gebarung sehr herabgekommenen Vermögens des noch unmündigen Grafen Zeno von Saurau, des letzten Sprossen dieses alten steiermärkischen Geschlechtes. Nach der mit dem besten Erfolge stattgefundenen Reinigung des Vermögens von der Schuldenlast und Wiederherstellung der Güter in besseren Zustand erhielt er die Agentur des Stiftes Admont unter dem genialen Prälaten Kuglmayr.

Durch diese Privatanstellung als Agent der Graf Saurauschen Güter und des Stiftes Admont zu Graz stand mein Vater besser, als er als Gubernialrat mit der bloßen Besoldung von 2000 Gulden gestanden wäre, und für das Freiquartier entschädigte ihn zuerst eine Wohnung in dem Graf Saurauschen Majoratshause, später und bis zu seinem Tode das Freiquartier im Admonterhof.[16]

Zwölf Jahre waren in dieser Privattätigkeit verflossen, als im dreizehnten (1803) dem quieszierten Gubernialrate und Güteradministrator das Intimat eines Hofdekretes zugefertigt ward, wonach dieser bei der notwendig befundenen neuen Regulierung der Staatsgüteradministrationen verwendet und zuerst mit der Bereisung und Untersuchung der Güter beauftragt werden sollte (Intimat vom 18. August 1803). Obwohl ihm nichts Schmeichelhafteres als diese Rückberufung hätte begegnen können, so mußte mein Vater diese doch ablehnen, da er, abgesehen von dem vorgerückten Alter von 66 Jahren, an einem chronischen Steinübel litt, welches ihn hinderte, sich so mühevollen Bereisungen zu unterziehen; außerdem würde diese neue Verwendung, mit der Führung von Privatgeschäften unvereinbar, ohne erhöhtes Gehalt seine Lage verschlimmert haben. Mein Vater wandte sich daher mit der Bitte, solcher Verwendung enthoben und in seinem bisherigen Zustande belassen zu werden, an seinen Chef, den Gouverneur Grafen Welsperg, dann an seine Gönner in Wien, den Staatsminister Grafen Inzaghi und den Grafen Josef von Bethgen.

Der letzte antwortete ihm mit gewohnter Offenheit und praktischer Hilfeleistung: ›Da Euer Hochwohlgeboren an meiner freundschaftlichen Gesinnung und derselben Beharrlichkeit nicht zweifeln, so gehe ich lediglich zu der Hauptsache. Ich habe mit dem Grafen Zichy, dem Kammerpräsidenten, gesprochen, mußte aus dem Gange deren Sachen und der Gegnerschaft aus jenen Zeiten zurückkehren, wo er unter meinem Präsidio stund, zeigte ihm nach der Hand, auf was Art Sie von der Administration, nachdem ich schon vom Brett weg war, weggekommen, nach der Hand aber gelegentlich öfter Dikasterialänderungen in Ruhestand ohne Ursache, ohne Leibes- oder Seelenschwäche gesetzt worden, um, wie es oft geschieht, einen anderen hineinzuschieben. Zu meiner Verwunderung war seine Antwort, daß er nicht wüßte, jemals derlei erlassen zu haben. Was derlei nämlich wegen Verwendung bei der Staatsgüterverwaltung, als Bereisung deren Güter. Er bat mich, daß ich ihm ein derlei Gesuch an ihn zukommen mache, welches Sie mir, an ihn lautend, lediglich einzuschicken hätten. Er würde zu helfen[17] trachten. Nun, das sind zwar in einer Antwort nach meiner Auslegung zwei Widersprüche, er hat nichts erlassen und doch wird er zu helfen trachten. Ich sagte ihm ferner, wie es unrichtig ist, daß es vor der Aufklärung deren Sachen nötig wäre, daß man Ihnen selbsten spreche. Seine Antwort war: daß anfänglich genug sein würde, wenn Sie mir Ihre Bittschrift an ihn einsenden würden, und daß Sie sich keine Reiseauslagen machen. Ich erwarte demnach von Euerer Hochwohlgeboren diese Bittschrift und muß Ihnen im voraus sagen, daß jeder Mensch sein Steckenpferd hat, er ist im Grade Hofkammer- und Bankpräsident, weil aber einstens Saurau dies nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Französisch war, nämlich Finanzminister hieß, so hält er auf diesen Titel ungemein. Sie kennen meine Art, die gerade ist‹ und so weiter. Wien, 1. September 1803. Diesen guten Rat befolgend, wendete sich mein Vater an den Grafen Zichy als Finanzminister, und seine Bitte ward mit umgehender Post bewilligt. Mit 24. September 1803 wurde mein Vater von der Enthebung durch ein Intimat verständigt.

Fünfzehn Jahre waren seit der ungerechten Jubilierung meines Vaters verflossen, fünfzehn Jahre hatte er noch nach diesem letzten, glücklich abgeschlagenen Angriff auf seinen Quieszentenstand, bis er kurz vor seinem am 8. Oktober 1818 erfolgten Tode die Agentie des Stiftes Admont und mit derselben sein tätiges Geschäftsleben aufgab. Auf seinem Grabe steht die Inschrift: ›Eines gerechten Mannes Asche umschließt dieses Grab, ihm von den Kindern erhöht.‹

Die warme Liebe, mit der ich immer an meinem Vater und er an mir gehangen, hat mir nicht gestattet, in der Aufzeichnung der Erinnerungen meines Lebens fortzufahren, ehe ich durch diesen Umriß des seinen der Pflicht kindlicher Pietät und den Gefühlen meines Herzens Genüge geleistet. Ich fahre nun in der Erzählung der Erlebnisse meiner Jugend fort. In meinem vierzehnten Jahre, nach Vollendung der vierten Klasse der Humaniora, erhielt mein Vater auf seine Bittschrift kurz nacheinander drei Stipendien: am 28. März eines von 25, statt dieses am 4. November eines von 50 und am 7. November statt des letzten ein Theresianisches[18] von 200 Gulden, welches zur Hörung der Lehrmeister an dem damals an die Stelle des aufgehobenen Theresianums getretenen Löwenburgschen Stifte verpflichtete.

In der Hälfte desselben Jahres hatte mein Vater, durch seinen Gönner, den Grafen Bethgen, ermuntert und von demselben beim damaligen Vizestaatskanzler Grafen Philipp Cobenzl bestens empfohlen, bei der Staatskanzlei eine Bittschrift um meine Aufnahme als Zögling in die orientalische Akademie eingereicht (15. Juli 1787).

In der orientalischen Akademie, welche damals unter der Oberleitung des Hofrates von Jenisch und der Direktion des Exjesuiten Franz Hoeck der Staatskanzlei untergeben war, hatte vor drei Jahren Graf Philipp Cobenzl die zweckmäßige Einrichtung getroffen, daß die Plätze der Stiftlinge nicht wie bisher und leider seitdem bloß nach Willkür und Gunst und höchstens als eine Belohnung der von den Vätern geleisteten Dienste gegeben, sondern durch Konkurs nach vorhergegangenem Unterrichte eines Jahres in der sogenannten Präparandenschule und gut bestandener Prüfung nach Maßgabe ihrer Anlagen und Verwendung und vorzüglich des Sprachtalentes nur den Würdigsten verliehen werden sollten.

Zu tadeln war, daß der Konkurs nicht öffentlich ausgeschrieben und der Zutritt nur solchen gestattet ward, deren Eltern hierzu bei der Staatskanzlei besonders empfohlen waren. So geschah es, daß ich und Alois Meiller, die zwei einzigen Kandidaten dieser Präparandenschule, dieselbe täglich zwei Stunden besuchten und der Aufnahme um so sicherer entgegensehen konnten, als zwei Plätze zu vergeben waren.

Bevor ich von meinem Eintritt in die Akademie spreche, will ich erst noch mit ein paar Worten meines Austrittes aus dem väterlichen Hause und aus dem Kreis meiner Brüder und Schwestern erwähnen. Die mir im Alter folgenden Brüder waren: Johann, der pensionierte Rittmeister; Alois, der als Leutnant in Italien starb; Cajetan, der als Admonter Professor der Mathematik und Direktor des Konviktes in Graz, als Administrator der Admontischen Herrschaft Mainhartsdorf in Obersteiermark gestorben; Wilhelm,[19] Doktor und Advokat der Rechte zu Graz; Franz, pensionierter Obristlieutenant, zu Prag lebend. Von den drei Schwestern, die ich damals als Knabe verließ, starb die jüngste als Gattin des Ritters Jelouscheg von Fichtenau, die beiden älteren, Anna und Fanny, blieben unvermählt, der Trost des seligen Vaters, dessen mit härtestem Leiden geschlagenem Greisenalter sie ihre besten Jahre mit kindlicher Liebe geopfert. Die bevorstehende Reise nach Wien erfüllte mich mit der größten Freude, weil ich sie nur für eine Lustreise von ein paar Wochen und für verlängerte Ferien hielt, von denen ich bald wieder in Graz zurück sein würde. Als aber mein Vater auf der Höhe des Semmerings mir den von ihm gefaßten Entschluß, mich in Wien zu lassen, ankündigte, ergriff mich der tiefste Schmerz der Trennung vom väterlichen Hause, der sich in Tränenströmen Luft machte.

Mein Vater stellte mich zu Wien dem Vizestaatskanzler, dem Grafen Philipp Cobenzl, dann Freiherrn van Swieten, in dessen Händen die oberste Leitung des Studienressorts, dem Hofrate von Jenisch als dem Referenten der orientalischen Akademie, dem Abbé Hoeck als dem Direktor und Lehrer der Präparandenschule an derselben vor. Von allen diesen Herren, von deren Gunst oder Ungunst mein künftiges Schicksal abhing, wurde ich auf das gütigste und geneigteste aufgenommen.

Mein Vater hatte mich zu Wien hauptsächlich der Aufsicht seines Schulkameraden und Freundes, des Abbé Bruck, empfohlen, des Präfekten des Gymnasiums bei St. Anna, der beim Freiherrn van Swieten in größtem Kredit stand.

Dieser Mentor und väterliche Freund war einer der freisinnigst denkenden, gelehrtesten und originellsten Köpfe, die mir in meinem Leben vorgekommen. Sein sonderbarstes theologisches Steckenpferd war der von ihm aufgestellte und mit der größten Wärme verfochtene Satz, daß alle Klassiker von den ersten Lehrern des Christentums verfälscht worden seien und daß die Stellen des Tacitus sowohl als die aller anderen römischen Schriftsteller, wo von dem Christentum die Rede, apokryph seien. Er hatte zum Behufe[20] der Beweisführung seiner Meinung Massen von Auszügen gemacht, die in ungeordneten Stößen in seinem Arbeitszimmer umherlagen. Was mit diesen Schriften nach seinem Tode geschah, habe ich trotz angestellter Nachfragen nie erfahren können.

Bruck, der im zweiten Stock des Gebäudes von St. Anna wohnte, hatte meinem Vater als Kostherrn für mich den Hausinspektor Peiserstöck empfohlen; er war ein geborener Bauer und stand mit seiner Frau auf niederster Stufe krassesten Bigottismus. Ihre Sorge für den ihnen anvertrauten Kostknaben bestand vorzüglich darin, das regelmäßige Messehören zu überwachen und ihm die Kirchen der Hauptstadt zu zeigen.

Die Stunden des Tages waren pünktlich eingeteilt. Um sieben Uhr Messe, dann Frühstück und fort ins Barbarastift, wo die Schule der Theresianischen Stipendisten war, am anderen Ende der Stadt. Um zehn Uhr endeten die Lehrstunden im Barbarastift, um elf Uhr begannen die des Türkischen in der Vorbereitungsklasse der orientalischen Akademie, so blieb eine Stunde übrig, die mit einer Messe bei den hart am Barbarastift gelegenen Dominikanern und mit vorbereitender Lesung in der orientalischen Akademie ausgefüllt wurde. Von da zum Mittagessen nach St. Anna, von zwei bis fünf die Stunden im Theresianum, von fünf bis sechs die Vorbereitungsklasse, dann nach Hause, wo der Abend zum Wiederholen und Vorlernen verwendet ward. In ein Theater kam ich nie, genoß auch keine anderen gesellschaftlichen Unterhaltungen.

Ich erinnere mich noch sehr gut des Abends des ersten Vermählungsfestes Kaiser Franz' am 6. Januar 1788, von dessen Zeremonien und öffentlichen Feierlichkeiten ich nichts sah und nichts hörte als das immerwährende dumpfe Rollen der Wagen, von dem die Fenster dröhnten und das mich, den Einsamen an meiner Studierlampe, mit großer Traurigkeit erfüllte. Mein Professor der Poesie im Theresianum, der Piarist Müller, war ein freundlicher, aber ernster Mann, welcher während seiner Lehrstunden den Mutwillen seiner höchst ausgelassenen Schüler zu zähmen verstand. Dieser brach um so zügelloser in den Stunden des[21] Griechischen unter dem als Philologen bekannten Pater Alber los; ein zum Lehrfache minder tauglicher Pedant hätte unmöglich aufgefunden werden können. Bei den vielen Lärmszenen, die in seinen Stunden stattfanden, kam manchmal der Direktor des Theresianums, Freiherr von Stillfried, ein alter, seelenguter, aber schwacher Mann, der seine Beruhigungsreden regelmäßig mit den Worten ›Soyez sages Messieurs‹ begann; von einer Strafe war nie die Rede.

1

Befindet sich im Archiv zu Hainfeld.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Josef von: Erinnerungen aus meinem Leben. 1774–1852. Wien und Leipzig 1940, S. 22.
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