Die Frauenzimmer haben immer Recht.

[72] Dieser Fehler entsteht bei ihnen fast immer nur durch Nachsicht der Männer, selten liegt er im weiblichen Character. Weil nun aber der Mann gewöhnlich wirklich Recht hat, so ist et großmüthig genug, dem schwächern Theile Recht zu geben, indem er im edlen Selbstbewußtsein gern den Schein hingiebt, um theils Ruhe vor spitziger Zunge zu haben, theils höflich und galant zu seyn oder auch zu scheinen.

Einem jungen Manne ist zu rathen, bei Kleinigkeiten gern nachzugeben, um nicht den Vorwurf von Rechthaberei auf sich zu laden – bei einem Streite aber,[72] der nur irgend einen moralischen Grundsatz antasten, nur irgend Jemandes Ehre unschuldig lästern oder sonst ein anderes unedles Motiv zum Grunde haben sollte, mit Ruhe und Ernst das Recht zu behaupten, ohne jedoch die Regeln der Artigkeit zu verletzen.

Ruhe und Gelassenheit ist das einzige Mittel, gegen rechthaberische Damen in manchen Fällen auszukommen, indem sie, gestützt auf die Macht ihrer Reize, oder ihrer Ueberredungsgabe, es für eine Unehre halten, nachzugeben, und dem, der ihnen entgegenspricht, sehr lange zürnen.

Obgleich nun dieser Fehler sehr natürlich und leider gar allgemein ist, so läßt es sich doch auch mit Frauenzimmern, die ihn haben, umgehen, wenn man nur erst ihren Character kennt. Sind sie außerdem gut, verständig und billig, so läßt sich ein solcher Flecken leicht übersehen und[73] das Beste dabei ist, daß sie ihn nach jeder Streitigkeit, in der sie Unrecht hatten, selbst einsehen, und dann den Nachgiebigen durch zuvorkommende Güte und Sanftmuth wieder besänftigen. Ist hingegen dieß nicht der Fall, vereint sich mit Rechthaberei auch Falschheit und Bosheit – dann zeige man getrost die ernste Seite, und imponire ihnen durch Kälte und Festigkeit in der geschehenen Willensmeinung. Dieß hilft allein und führt zur Besserung, oder macht sie doch aufmerksam auf sich selbst und billiger.

Jedenfalls prüfe man aber genau, ob die Rechthaberei aus Laune, aus momentanem Einfalle oder aus Bosheit und bei jeder Gelegenheit gezeigt wird, um darnach das Betragen – nachsichtig oder kalt – ernst oder freundlich – einrichten zu können.

Ist die Dame schön, wird ihr von Allen geschmeichelt, giebt sie den Ton an –[74] dann ist alles Widerstreben vergeblich; da muß man entweder mit dem Strome schwimmen, mit lächelnder Miene den größten Unsinn für enormen Verstand, Albernheit für Naivetät, geistloses Geschwätz für geniales Wesen anpreisen, oder – die Schöne rümpft das Näschen, und der Aufrichtige heißt ein Tölpel, der nicht weiß, was schön, herrlich, göttlich ist!

So ist Rechthaberei die Schwester von


Quelle:
Hoffmann, Karl August Heinrich: Unentbehrliches Galanterie-Büchlein für angehende Elegants. Mannheim 2[1827], S. 72-75.
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