Schmollens;

[91] ein Zustand, der entweder hieraus oder aus leicht gekränkter Empfindlichkeit entsteht, und durch zu gelindes Nachgeben zur Gewohnheit wird.

Es giebt ein Schmollen, dem man durchaus nicht gram seyn kann – es ist das Schmollen, das zugleich Gutmüthigkeit und naive Kindlichkeit in sich faßt. Ein junges, freundliches[91] Mädchen, dessen Gesicht von dem Zauber der Unschuld strahlt, dessen Wange Gesundheit und dessen Auge Heiterkeit glüht – ein solches Mädchen schmollend mit dem feinen Zuge von Schelmerei auf den Lippen ist unwiderstehlich. Ein eigner Reiz liegt in dem Contraste, welchen das jetzt gesenkte Köpfchen, die niedergeschlagenen Augen und der halb verschluckte Ton der Stimme der Schmollenden mit der sonst heitern Miene, den leuchtenden freundlichen Sternen, und der tönenden Bruststimme bildet.

Das schöne Kind weiß dieß auch, ist aber schon fein genug, dieß Mittel selten anzuwenden, wo es dann auch nie seine Wirkung verfehlt; es gereicht dem artigen jungen Mann auch keineswegs zur Schande, hier nachzugeben – er wird im Nachgeben eine sehr heitere Empfindung fühlen, und das Mädchen wird ihm, hat sie ihren Zweck erreicht, um so herziger begegnen.[92]

Der Mann, wenn er ein Mann ist, schmollt nie, weil er um seinen Willen durchzusetzen Kraft hat – die Frau der es an Energie gebricht, nimmt zuweilen zu dieser Waffe der List ihre Zuflucht.

Arge Rede die nur die Furcht zurückhält, auf der spitzen Zunge, stumm für Bitten, Ermahnungen trotzend, freundliche Worte durch stachlichte erwiedernd, zieht sie sich, hat sie Widerspruch erfahren, in ihr Schmollwinkelchen (ein reizendes Plätzchen im zauberischen Helldunkel) zurück, indem sie kaum die Thränen des Zorns zurück halten kann. Sie verbirgt die Augen hinter das Taschentuch, blinzt aber doch zuweilen hervor, um zu sehen, ob das starre Herz des Herrn noch nicht erweicht sey, ob er noch nicht zu ihren Füßen sein Unrecht abzubitten gedenke. Gewöhnlich, denn wer kann weinen sehen, wen man liebt? erreichen solche Damen leider ihr Ziel – der neue[93] Shawl oder der Venetianerhut wird endlich trotz dem unmuthigen Widerstreben des Gemahls doch gekauft, die Spazierfahrt wird doch abgekämpft, die Erlaubniß zum Theater-Abonnement doch glücklich errungen.

Einmal darf sich der Mann dieß schon gefallen lassen, er darf indeß nicht ermangeln, ihr das Ungebührliche ihres Benehmens zu zeigen –; geschieht es aber öfter, trotzt die Dame gleichsam auf den ersten Triumph, will sie die Gefälligkeit zum Rechte erheben – dann eile ja der Mann, den Pantoffel kräftig mit der guten Klinge des hausherrlichen Willens zu pariren – dann schmollt auch künftig die Dame gewiß selten, weßhalb sollte sie sich auch um Nichts Mühe geben? Ist der Mann also gescheut, so gewinnt er Ruhe, ist er schwach, so wird er lebenslänglich die Zügel der Regierung entbehren, und der Pantoffel wird[94] mit Macht und Gewalt auf immer dominiren.

Ein eigenes Verhältniß ist es, wenn ein junger Mann in einem Hause eingeführt ist, wo eine schmollende Frau den Gatten beherrscht. Er muß da alle Feinheit aufbieten, um erstere nicht zu versetzen, letzteren durch Vernachlässigung nicht zu kränken. Schwer ist es, die Neutralität zu behaupten, und sich Beider Wohlwollen zu erhalten.

Er versuche nicht etwa gar, den Mann zu trösten – er würde entweder Spott oder unzarte Reden zum Lohne haben; er wolle die Frau nur nicht von ihrem Unrecht überzeugen – dieß würde nur ihren Haß zur Folge haben. Er mische sich so wenig als möglich in die Verhältnisse des Eheleute gegen einander, halte sein Urtheil zurück, und wird es von einem Theile geradezu gefordert, so spreche er es mit[95] der größten Besonnenheit und Bescheidenheit so aus, daß er das unangenehme Verhältniß gar nicht zu bemerken scheint, oder doch mit Mäßigung seine schroffen Seiten mildert.

Ueber den unverschämten Tadler würden beide Theile mit gleicher Gewalt herfallen, und ihm nie verzeihen, daß er ihnen die Augen geöffnet hat.

Ueberhaupt ist ja niemand dazu berufen, sie zu bessern, – ein junger Mann, dessen Erfahrung noch nicht gereift ist, am allerwenigsten!


Quelle:
Hoffmann, Karl August Heinrich: Unentbehrliches Galanterie-Büchlein für angehende Elegants. Mannheim 2[1827], S. 91-96.
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