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[18] Was man vom gewöhnlichen Strohhut nicht behaupten kann. Der Kopf darf nicht zu hoch, die Krempe nicht zu schmal sein. Doppelte Krempen sind in Verruf. Die verschiedenen Stroharten sind weniger wichtig als die Form. Das Band ist schwarz. Er sieht, trotzdem er jeder Physiognomie entbehrt, auf jedem Kopf anders aus.
Der Hut spielt in Deutschland keine große Rolle. Man trennt sich oft und gern von ihm, nimmt ihn ab, wenn man einen geschlossenen Raum betritt, in dem sich Leute befinden, trägt ihn im Sommer in der Hand, gibt ihn überall ab.
In Paris nimmt man den Hut ins Parkett jedes Theaters mit – behält ihn auf, selbst wenn man mit Damen spricht, die keinen aufhaben, und trennt sich selbst bei offiziellen Festlichkeiten nur auf die Dauer des Essens von ihm.
Der Engländer hält ein vernünftiges Mittelmaß – es kommt vor, daß er Sonntags ohne jede Kopfbedeckung an die Themse hinunterfährt. –
Zu Besuchen nahm man früher den Zylinder mit in den Salon – legte ihn nach unten auf das Sofa oder versteckte ihn unter dem Flügel oder einer Vitrine, die unangezogenen Handschuhe sorgfältig hineingelegt – heute läßt man Hut und Mantel nach amerikanischem Muster im Entree – es sei denn, man macht Abendbesuche auf eine Minute, wie sie bei uns nicht üblich sind – und da ist man bereits im Frack oder Smoking. –
Übrigens Zylinder und Smoking – Teutone, mich fröstelt. –
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»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«
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1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
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