285. Die Ehrbegierde.

(Terpsichore, 2. Th. S. 232.)


Nach edlen Männern strecket die Ehrbegier

Sorgfältig aus die Scheeren und hält sie fest.

Die Hände bluten; der Ergriffne

Seufzet im Innern. Dennoch läßt sie


Die Hand nicht los ihm, bis, wie ein Kind, er weint –

Und ließ sie los ihn; kehrt er bald zurück

Zur alten Pein. Mit neuer Sehnsucht

Sehnet er sich nach gewohnten Schmerzen. –


Was füllet unsre Tage mit Noth und Weh

Und Gram und Unruh? Traurige Ruhmbegier,

Um welchen Lohn, mit welcher Mühe,

Suchest du Krieg und Gefahr und Wunden


Und Tod! – Wo irgend, irgend des Reiches Zaun

Ein Ritzchen spaltet; siehe, da steht der Wolf

Und wezt den Zahn, indeß im Innern

Lämmer, unschuldige Lämmer zittern.


Er wezt den Zahn nach Beute. Die Beute macht

Ihn ruhmvoll, glücklich! – Glücklich? O glaub' es nicht!

Triumphe, Krieg und Nam' und Titel,

Ehren und goldne Beut und Wollust
[366]

Sind nicht Gemüthsgaben. Der Dichter spricht:

Wer, wenn er Alles, Alles Sich einig schenkt,

Und Nichts von außen sich versaget,

Außer Sich selbst, der versaget sich Alles.


Ihr Freunde! Viel ists, ewig gekannt zu seyn

Im Marmorbilde; schöner und größer ists,

Verehrt zu seyn in stillen Thaten,

Ewig geliebt in der Menschen Herzen


Auch ohne Bildniß. Möge mein Antlitz einst

Zu Staub verwesen; Bilder, ich neid' euch nicht,

Ihr Kaiserlarven! Wer verborgen

Schlummert und ruht, o er ruhet glücklich!


– – – – Was halfen euch Ehrenmähler

Pompejus, Cäsar, als ihr daniederlagt? –


Wer von der spätesten Welt sich Ehre wünschet, der ehre

Selber die späteste Welt! –

Quelle:
Laukhard, Friedrich: Zuchtspiegel für Eroberungskrieger, Advokaten und Aerzte. In: Zuchtspiegel für Fürsten und Hofleute, Paris [i.e. Leipzig] 1799, S. 365-367.
Lizenz:
Kategorien: