286. Der Reichsadler. Ein aufgelößtes heraldisches Räthsel.

[367] (Schubarts Gedichte, 2. B. S. 122.)


Ihr Forscher in der Wappenkunde

Was fragt ihr ernstlich nach dem Grunde:

Warum in jeder Schilderey

Der deutsche Adler doppelköpfig sey?

Zwey Köpfe, sprecht ihr oft im Feuer,

Sind ja ein wahres Ungeheuer,

Und Köpfe noch dazu, wie die,

Voll bissiger Antipathie. –

O laßt doch einmal nach, mit Forschen euch zu plagen!

Ein Novellist sogar kann euch die Wahrheit sagen.

Der eine Kopf, der westwärts blickt,

Sanft scheint und desto schärfer pickt,

Ist Kaiser Josephs Kopf, des toleranten Weisen!

Der andre Kopf, der nordwärts schaut,

Scharf sieht und mit dem Schnabel haut, –

Ist Friederich, der Donnergott der Preußen.

Warum sie aber uneins sind,

Begreift beynah ein kleines Kind:

Sie sind entzweyt in dem gemeinen Falle,

Was eine Kralle packt, packt auch die andre Kralle,

Drum zerren sie so jämmerlich –

O Vaterland, wie daurst du mich!!

Quelle:
Laukhard, Friedrich: Zuchtspiegel für Eroberungskrieger, Advokaten und Aerzte. In: Zuchtspiegel für Fürsten und Hofleute, Paris [i.e. Leipzig] 1799, S. 367-368.
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