15.

[308] Bayreuth, 7. Sept. 1876.


Oh, mein gutes, liebes Wesen!


Wie hat mich Ihr Brief gerührt!

Von dem Vergangenen habe ich eigentlich keine andere Besinnung als das Bedauern, gerade auch gegen Sie, mich noch nicht so recht dankbar bewiesen zu haben! Sonst ist mir alles dumpf auf der Seele. Als meine Pferde gestern fortgeführt wurden, brach ich in Tränen aus! In 8 Tagen denken wir nun uns nach Italien aufzumachen. So gleich möchte ich doch nicht etwas Ähnliches beginnen; nur der König wollte absolut eine 4. Aufführung, Ende d.M. erzwingen, was natürlich abgeschlagen werden mußte.

Wir werden nächstes Jahr noch vieles zu korrigieren haben; ich hoffe, die meisten werden willig dazu sein, zu meinem Ziele, eine immer korrektere Aufführung herbeizuführen, mitzuwirken. Nur Betz wirft einen Schatten in meine Erinnerung! Der Unglückliche ging so weit, namentlich im Anfang der letzten Aufführung[308] der Walküre, seine Partie geradeswegs zu verspotten. Während ich über die Gründe seines Benehmens immer noch nachsinne, bestätigt man mich immer noch mehr darin, daß er sich geärgert habe, nicht herausgerufen werden zu dürfen! Ich geriet schon einmal auf diesen Verdacht und befrug ihn darum, worauf er mir lächelnd ablehnend erwiderte, »er und Niemann gingen ja überhaupt meistens gar nicht heraus, um sich zu bedanken!« ....

Nun ich denke mich darauf vorsehen zu müssen, den Wotan für nächstes Jahr anders zu besetzen, da Betz erklärt hat, nie unter keinen Umständen je wieder nach Bayreuth kommen zu wollen. – Was halten Sie, Beste, davon? –

Im übrigen mag ich mich jetzt noch nicht zu sehr mit dem Zukünftigen befassen, es lastet mir genug auf der Seele! –

Aber, – aber – Sie, liebstes Wesen, und – nehmen wir sie nur gerne mit dazu – die Schwestern, oh, Ihr strahlt hell und wahrhaft verklärt vor mir! Ich vergesse die ungeheure Energie Eurer Todesweissagung an Siegfried nie! –

Und so bewahren uns die Götter das Beste: und so grüße ich Sie, liebe Lilli, von ganzem Herzen, als

Ihr

treu dankbarster Schuldner

Richard Wagner.[309]

Quelle:
Lehmann, Lilli: Mein Weg. Leipzig 1913.
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