4.

[270] Bayreuth, 1. Juni 1875.


Geehrtes, liebes Kind!


An Fräulein Grossi hatte ich zur rechten Zeit nach Prag geschrieben; seitdem, da ich keine Antwort von ihr erhielt, habe ich mich, wegen Übernahme der »Gutrune« durch sie, an Sie, Freundin, gewendet.

Da ich noch einen Sopran für eine der »Walküren« – Gerhilde – gebrauchte, und ich nicht gern erst noch eine fremde Sängerin hierfür aufsuchen möchte, weil doch eben Frln. Grossi für Freia und Gutrune schon am Anfang und Ende dableiben muß, so habe ich auch diese Parte an Sie für Frln. Grossi abgehen lassen. Nun gebe Gott, daß diese meine Annahmen in betreff der Leistungsfähigkeit der Dame nicht allzusehr auf Sand gebaut seien? Ich weiß von ihr und ihrem guten Willen noch nichts als durch Sie, liebes Kind. Lassen Sie sich nur doch nun einmal hierüber vernehmen!

Vielleicht haben Sie dieselbe durch Ihr freundschaftlich großartiges Vorbild, in betreff der Abweisung jeder finanziellen Schadloshaltung, etwas abgeschreckt? Das können enthusiastische Seelen wie die Ihrigen zustande bringen; die mir so fern stehende junge Dame dürfte aber am Ende darüber mißmutig werden, wenn ihr ihre Mitwirkung auch noch besondere Ausgaben verursachte. In diesem Fall, liebstes Kind, bitte ich Sie doch recht sehr, zur rechten Zeit etwa einzuschreiten und durch Zusicherungen in meinem Namen die junge Dame vor dem möglichen Schwanken zu bewahren.

Was macht Marie? Ist sie endlich einmal bei Ihnen? Empfehlen Sie mich Fräulein Lammert bestens und embrassieren Sie (wie ich es tat) diesmal für mich Ihre Mama!

Auf gutes Wiedersehen am Werke!

Ihr

Richard Wagner.

Quelle:
Lehmann, Lilli: Mein Weg. Leipzig 1913, S. 270-271.
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