»Im Wald und auf der Heide ...«

[130] Schießeisen und Bozener Jagdanzug machen noch keinen Jäger aus. Auch wer mit ein paar Schrotkörnchen einmal die Läufe eines Hafen gestreift hat, verdient diesen Ehrennamen nicht. »Weidgerecht« sein, ist der Gipfel der hehren Jagdkunst, zur Liebe und zum Verständnis für das Tier gesellen sich Fertigkeiten wie der todsichere Kugelschuß auf den flüchtigen Fasan und die Wildente, der Blick, welcher Gemsbock und Geiß auf vierhundert Meter zu trennen weiß.


»Im Wald und auf der Heide ...«

Ihnen, den Weidgerechten, gelten diese Zeilen nicht mehr. Sie wissen, worum es geht, hüten ihr Reich, ihr Schlaraffenland vor Unberufenen. Laßt euch trotzdem nicht abschrecken, als »Grünlinge« und »Jagdbabys« mitzutun, wenn es sich trifft. Höchste Zurückhaltung und Bescheidenheit sind geboten, auch das Jägerlatein steht fast nur mehr auf dem Papier und paßt nicht zu jedem Stadtfrack.

Zu Großjagden geladen zu werden, ist nicht schwer erreichbar, zumindest in Norddeutschland, etliche Diners in der Stadt dienen zur Aufklärung des Terrains, dann ist man glücklich zu einer Partie aufgefordert. Blamiere dich nicht vorher mit unnötigen Fragen nach Details über Jagdangelegenheiten, die womöglich gar nicht in Frage kommen.

Merke dir: Im März gehen die Schnepfen auf, Ende April, Anfang Mai Auerhahn und Spielhahnbalz, Mai bis September dominiert der kapitale Bock, September setzt die Zeit der Rebhühner und Hafen ein, Oktober die aufregende und faszinierende Hirschbrunst, Ende Oktober lädt man zu Treib- und Kesseljagden ein,[130] wobei der Fasan die Hauptrolle spielt, im November geht man auf die Gemse ins Alpplateau und Steingeröll.

Sperr' Augen und Nase auf, wenn zur nächtlichen Stunde der Aufbruch zu den Rehbockständen erfolgt. Beteilige dich nicht ohne Waffenkenntnis und Jagdschein. Sprich nicht gleich von Hafen»pfoten«, wenn es sich um »läufe« handelt, und nicht von »Ohren«, wo sie »Löffel« heißen! Schieß nicht dem Ehrengast den Zehnender vor der Nase weg, und erlege nicht ohne Genehmigung Fasanenhennen und Ricken.

Und die Kleidungsfrage? Möglichst keine noblen nagelneuen, weithin leuchtenden Garnituren. Vor allem muß der Hut in Ehren ergraut sein. Auf den feudalen Jagden Süddeutschlands und der österreichisch-ungarischen Magnaten kennt man überhaupt nicht die norddeutsche, etwas unbodenständige Sitte von richtig gehender »Jagdmode«, »Frack zum Jagddiner« und Einrichtungen, wie sie Englands Aristokratenjagden aus echter innerer Selbstverständlichkeit aufweisen. Der selige Kaiser Franz Joseph ist ein Menschenalter hindurch mit einer Lederhose und einem Filzhütchen ausgekommen!


»Im Wald und auf der Heide ...«

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 130-132.
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