Jeder sein Rockefeller.

[136] Wirklich, Geld allein macht nicht glücklich – die pure Tatsache vorhandenen Besitzes gibt noch lange keine Gewähr für Zufriedenheit mit dem Dasein. Vor allem aber, was viel wichtiger, Zufriedenheit mit sich selbst! Zum Glücklichsein muß man geboren sein, wird behauptet – man kann es sich aber auch erkämpfen. Sogar in unserer heutigen Zeit universelldemokratischer Einstellung trägt jeder Mann den Marschallstab im Tornister, den Schlüssel zum Tresor der Glücksschatzkammer in der Tasche.

Nie auf Erreichtem ausruhen, alle Möglichkeiten ausnutzen, sich selbst studieren und ausschöpfen, das ist die eine Stütze, mit vorhandenen Mitteln wirtschaften und kalkulieren, Verschwendung nur um gebotenen Rahmen betreiben, Wünsche auf Erfüllbares richten, standhaft sein und andern helfen – der andere Grundpfeiler zum Glücklichsein. Fehler und Nachlässigkeiten rächen sich bitter. Wie schwer muß beispielsweise ein Mann seine Nachgiebigkeit büßen, die ihn dazu verleitete, seiner jungen Frau in der ersten Ehezeit weit über seine Verhältnisse hinaus Ausgaben zu erlauben, um ihr das Leben leicht zu machen, ihr Freude zu bereiten – der Schritt zurück wird kaum mehr gefunden werden. Oft treibt Großmannssucht und gesellschaftliche Verlogenheit innerlich Gefestigte zu Versuchen, es Freunden gleichzutun, deren Einkommen ihnen mit Leichtigkeit andere Lebenshaltung gestattet.

Wo die Lust am Werk vorhanden, sind Unterschiede von Rang und Stellung nur relativ. Der Industrielle, dessen Bürozeit im Heim fortgesetzt wird, und der keinen Augenblick nachlassen darf, damit die Räder der Arbeitsmaschinerie nicht stille stehen, hat letzten Endes nicht mehr von seinem Leben wie der bei ihm tätige Werkmeister, dessen Feierabend ihn uneingeschränkt seiner Familie schenkt. Kein Wunder, daß unser Sinnen und Trachten dahin geht, die Freizeit zu mehren, die Arbeit zu konzentrieren, sechs bis sieben Stunden durchzuarbeiten, dann hinaus auf die Sportplätze, vor und nach der Teestunde trainiert – den Verlockungen des »nigthlife« nicht immer nachgeben, sondern dem Geist auch geben, was des Geistes ist!

In allen Lagern gibt es raffinierte Lebenskünstler, die es zuwege bringen, sich immer noch durch geschickte Einteilung eine freie Stunde zu erzwingen. Und sechzig gewonnene Minuten können oft ein ganzes zweites Leben aufbauen!
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Jeder sein Rockefeller

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 136-138.
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