Mit Contiatlas und Zeißglas.

[134] Du sollst der Herr sein! Sogar auch, wenn sie am Steuer deines Wagens sitzt. Als Mann des technischen Jahrhunderts und der sportlichen Welteroberung mußt du mit ebensolcher Behendigkeit die Hieroglyphen moderner Autokarten entziffern können wie die geheimnisvollen Distanz-, Gewichts- und Konditionsangaben, die das Programmbüchlein beim Derby auf grünem Rasen des Horner Moors enthält. Niemand wird von dir, dem Nichtfachmann, verlangen, einen Dreijährigen von einer fünfjährigen Stute beim Aufgalopp zu unterscheiden, aber Äußerlichkeiten und Institutionen, die mit Behendigkeit und Geschick rasch studiert werden können, dürfen einen gewandten Menschen vor den Augen der Frau nicht in Verlegenheit setzen. Ein Kavalierdienst beim Toto, ein rasches Erklären der Trikotfarben der Sixdaysmatadore, ein Beschreiben des Crawlstils beim Match Arne Borg-Weißmüller vermag ein stilles Werben um ein sachlich eingestelltes,[134] gesund-frisches Girl oft intensiver zu unterstützen als eine Häufung den Magen verderbender Konfiserieangebinde.

Überhaupt Kavalierpflichten! So selbstverständlich es sein sollte, daß der Gebildete niemals – ohne Ausnahme! – sich vor einer Dame durch eine Türöffnung quetscht, so unerläßlich ist es, für das Wohl und Wehe seiner Begleiterin zu sorgen, wenn es zu Sportkämpfen oder ähnlichem geht. Der Platz mit der besten Aussicht gehört der Dame – darum ist rechtzeitiges Eintreffen geboten! Wir kennnen die Pünktlichkeitsschwächen unserer Mitschwestern – eine kleine Notlüge ist gestattet, die den Beginn der Veranstaltung um eine halbe Stunde früher, als er in der Tat liegt, angibt (auch beim Theaterbesuch zu empfehlende Methode).


Mit Contiatlas und Zeißglas

Siehst du Zeichen der Ermüdung auf den Wangen deiner Kameradin, gib ihr Gelegenheit, einen Orink zu nehmen oder eile zum Wagen respektive zu dem jeweiligen Heimbeförderungsmittel. Eigene Sportslüsternheit hat hinter Leistungsgrenzen der unter deinem Schutz stehenden Dame in allen Fällen zurückzustehen – bist du als Begleiter zum Sportplatz gefahren, so hast du keine Ausrede verfügbar, dich von der prompten Ablieferung vor der Haustür zu drücken.

Im Auto sitzt die Dame normalerweise rechts von dem Herrn. Eigentlich oft ohne jeden inneren Sinn, denn bei Ausflugstouren in herrlicher Landschaft entgeht ihr, hinter dem breiten Rücken des Chauffeurs versteckt, der beste Teil der Aussicht. Auch beim Aussteigen ist das übliche »ladies first« unangebracht, der Herr hat der Dame am Trittbrett behilflich zu sein, besonders bei schlechtem Wetter für bequeme Anfahrt und trockene Passage unter Schirm oder Mantel zu sorgen.

In all diesen Kleinigkeiten entpuppt sich mit einem Blick oder Handgriff der gewandte Weltmann. Ob in der Theaterloge oder auf der Tribüne vor dem Boxring, stets haben Opernglas oder Fernstecher der Nachbarin zur Verfügung zu stehen. An allen exponierten Orten muß die Frau das Gefühl haben, sich auf ihren Beschützer in Unwichtigem und Wichtigem verlassen zu können, dann wird auch sie seinen sonstigen Ratschlägen williger folgen und stolz darauf sein, sich vor den kritischen Lorgnons der älteren Generationen und den tuschelnden Mienen der eleganten Freundinnen mit einem seiner Sache sicheren, gebildeten und äußerlich gepflegten Manne zu präsentieren. Und, Hand aufs Herz, was kann es für diesen Begehrenswerteres geben, als von Unzähligen um eine solche Stunde an der Seite einer schönen Frau beneidet zu werden?[135]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 134-136.
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