Wie sie ihn sieht ...

[19] ... ungepflegt, unrasiert, farbenblind, ungeschickt, ungalant, schlecht gelaunt, viel zu aufdringlich oder allzu eintönig, ganz zugeknöpft, gleich zu intim oder viel zu schüchtern, ungebildet, indiskret, wahnsinnig eingebildet, riesig primitiv oder gänzlich ausgekocht, immer beleidigt, ewig rauchend, ungern zahlend, blind bei der eigenen, begeistert bei der anderen Frau, müde, selten verliebt, à la longue viel zu langweilig, in dieser Form überholt, sozusagen geduldet – auf die Dauer unmöglich ...


Wie sie ihn sieht ...

Und wie er sein sollte ...

... sprühend vor Temperament, breitschultrig, schmalhüftig, in englischen Anzügen, mit phantastischen Krawatten, abends wie ein Kinoheld mit stumpfem Zylinder und Frackmantel, bartlos bis zur Bewußtlosigkeit, nach spanischem Leder unmerklich duftend, überall Monogramme, dazu Selbstfahrer Bedingung, Junggesellenwohnung erwünscht, Beruf nur anerkannt mit wenig Arbeitsstunden, am liebsten Heldentenor oder Weltchampion oder Bankdirektor, mit einer Stimme voll zarter Sinnlichkeit, mit langen, seinen Händen, mit markierter Brutalität, aber innerer Weichheit, mir menschlichen Kräften. mir relativer Treue, einem reichlich großen Scheckbuch, auf alle Fälle mit Kreditmöglichkeiten, bewandert in Sachen der »haute couture« und allem nötigen »Drum und Dran«, voll von versteckter Eifersucht, großzügiger Loyalität und unausschöpflicher Zärtlichkeit, mit Sinn für Blumen, Schmuck, nicht zuletzt für die sogenannte »Seele« der Frau ...

»Wie sie ihn sieht« und »wie er sein sollte« – zwei entgegengesetzte Pole! Einigen wir uns auf die – Mittellinie.[19]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 19-20.
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