[48] »Was die Dame ehrt – ist des Herrn wert«, zitiert gewandt der tadellos ausrasierte Bubikopf strafend zum blauschwarzschimmernden Borstenvisavis in der Trambahn.
Solange sich die Frauen diese lieblose Ungepflegtheit gefallen lassen, wird der Mann sich nicht die Mühe machen, eine Viertelstunde des Schlafs und zwanzig Pfennige zu opfern, um mit frisch aufgebügelter Wange das Jahrhundert in die Schranken zu fordern. Frauen – versprecht die verlockendsten Dinge, laßt nicht locker, treibt passiven Widerstand so lange, bis die Männer zum Friseursessel des täglichen Leidens nicht wie zum »elektrischen Stuhl«, sondern wie zur heimlich erkorenen Geliebten schreiten.
Dabei wird es doch so leicht gemacht mit Hilfe der technischen Nothilfe, dem Klingenapparat. Es ist eine eigene Wissenschaft um ihn und seinen robusteren Kollegen – das Messer. Der Ritus verlangt Ruhe, Sorgfalt, Geschicklichkeit und Geduld. Man studiere das Phantom des »Nach«wuchses. Blonde mit weichem Flaum[48] haben das große Los gezogen, dürfen auf und gegen den »Strich« gehen. Die Glasharten sollten Messerhelden werden und die »amerikanische« Rasur mit Auflegen dampfheißer Tücher erlernen. Bei Abendpflichten empfiehlt sich Wiederholung der Morgenprozedur.
Fläschchen und Essenzen sind nicht nur hübscher Zierat, sondern mit der richtigen Füllung unentbehrlich: Zitronenwasser, Eau de Cologne, milde Fettcreme, naturreiner Puder – kein Essig, keine Schärfen, kein unnötiger Alaun!
Da des Sonntags nur die Barbierläden, aber nicht die Wunden unter allen Umständen geschlossen bleiben, ist Selbsthilfe der einzige Ausweg von der Tyrannei des Verschönerungsrats.
Noch eins: Requisiten der Verjüngung sind allerpersönlichste Geheimakte und demgemäß unter Verschluß zu halten. Ausleihen – zur Schau stellen: Geschmacklosigkeit.
So recht gerüstet, kann der Tageshetze mit Ruhe entgegengesehen werden.
Motto: »Gut rasiert – ist halb gewonnen.«
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