Hallo Bluff!

[171] Die ganze Welt ist eine einzige, gigantische Attrappe, wir wissen nicht, was dahinter steckt, wir erjagen nie letzten Sinn und Inhalt – lügen uns etwas vor, und das Ganze bleibt ein Vabanquespiel, in dem der Bluff Trumpf ist – Bluff im Poker, Bluff im Geschäft, Bluff des Geists und Bluff in der Liebe.


Hallo Bluff!

Bewunderung darf nie in lethargische Resignation ausarten. Was Fremde leisten, vermagst auch du! Der vollendete Adam wird im Zeichen der Normierung von Gedankenarbeit, Konversation, Gefühlen und Betätigung sich nur dem wirklichen Genie willig beugen, nicht einmal der zwangsläufig emporgehobene, hochdotierte Generaldirektor läßt Grenzen des Erreichbaren sich auftun!

Zur Sache! Gestehe nie (wenn's nicht die Gewissensfrage ist): das kann ich nicht, das weiß ich nicht, das mag ich nicht. Es hat schon Leute gegeben, die innerhalb von Wochen eine Sprache erlernt haben, die verlangt wurde! Gewonnene Zeit ist halb gewonnenes Spiel! Bluffe mit, tanz mit im Reigen des goldenen Kalbes, um es dir untertan zu machen, dann erst knallt die Hetzpeitsche des Zeitgeists nicht mehr auf deinem Rücken.

Nur in einem gib dich nicht übersteigert und undurchsichtig – den Menschen, die du liebst, die dir mehr bedeuten als die Stunde, der Tag, das Jahr – im Zusammenleben versagt der Selbstbetrug! Lieben und Liebenlassen ist nicht dasselbe. Hat doch in Paris kürzlich der kapricenreiche mondäne Club du Faubourg eine Preisfrage an die Männer gestellt: Was tue ich, wenn ich von zwei Frauen zugleich geliebt werde? Das von Maurice Dekobra inszenierte Meeting soll dem fashionablen Klubheim in der Rue de Moscou eine Generaloffensive Wissensdurstiger gebracht haben. Die Debatte pendelte vom »Bluff auf Abwarten« bis zur Askese, man einigte sich auf Annahme beider Offerten unter Zusammenschluß der interessierten Parteien![171]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 171-172.
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