Intimität und Charakter.

[148] Die Sucht nach Liebesabenteuern ist uns angeboren. Nicht nur der Mann hat mit seiner »polygamen Ader« eine fadenscheinige Entschuldigung bereit für einen Urtrieb in uns, der wie ein Pferdefuß gerade immer dann zum Vorschein kommt, wenn wir dem Satan eine Engelsmaskerade überziehen. Kurz und bündig: die Frau ist Anlaß, Inhalt und Untergrund »gefährlicher Liebschaften«!


Intimität und Charakter

Es muß nicht unbedingt »Liebe« bei allen Aventüren sein – die Sinne diktieren. Die Wortbildung »Liebschaft« kennzeichnet allein schon eine begrenzte Dauer. Also ein Aperçu in Parenthese des eigentlichen großen Liebeswegs.


Intimität und Charakter

Doch auch die Nacht, die im Brio von Minuten verfließt, ist ein Stückchen Leben von euch – und eines andern. Denkt daran! Profaniert nicht das in euren Augen vergängliche Augenblicksbündnis durch großspurige Schwatzhaftigkeit! Frauen, die erobert werden, schenken sich meist freiwillig. Schmählich daher ein Lohn, der sich in verletzendem Stammtischplädoyer eines Talmi-Don-Juans äußert. Ihr glaubt, es seien keine rechten Erfolge,wenn ihr euch nicht mit gelungenen Taten brüsten dürft, wenn nicht der Nebenbuhler vor Neid erblassen oder der Intimus vor Bewunderung erröten kann. Das Pfautum des Männchens hat im Radschlagen seine Grenzen! Geschwätzigkeit setzt herab und entwürdigt! Nur um die Eitelkeit zu befriedigen, darf man andere nicht verletzen!

Sprechen wir von den Liebschaften, die euch selbst Gefahr bringen können – nicht etwa nur in physischer Hinsicht, mehr noch in psychischer, gemeinhin: Herz genannt. Man braucht nicht dem Wahlspruch von Heute: »Andere Städtchen – andere Mädchen!« zu huldigen, um aus eigenem Entschluß mit kräftigem Schnitt die Trennungsoperation bei Aussichtslosigkeit des Werbens vorzunehmen. Auch »allzu jung gefreit, hat recht oft gereut«.

Unser Zeitalter hat den Sieg der »Frau von Dreißig« verkündet, Gleichaltrigkeit oder geringer Unterschied stellen günstige Prognose. Wie steht's hingegen mit der elementar um sich greifenden Mode schrankenloser Anbetung jugendlich wirkender Frauen zwischen den zwei bewußten Altern durch Männer, die dem Jünglingsalter knapp entwachsen? Die wechselseitige Induktion ist zu verständlich – hie: letzte Erfahrung, raffinierteste Reise gepaart mit dekadenter Kultur, Erlebnissucht und wohlkonserviertem Körper, dort: Fülle des Gebens, dankbares Anerkennen, befriedigte Eitelkeit. Es sind die unheilvollsten Liaisons – anfänglich elementar, später irgendwie peinlich. Wer in solchen Fällen den richtigen Augenblick zum friedlichen Auseinandergehen findet, ist auch allen anderen Situationen gegenüber gefeit.

Seid dankbar, nicht nur im Sinne materieller Opfer, nein, auch in Feingefühl und Takt, einerlei, ob »vor her« oder »nachher« – seid immer »bon camarade« mit den Frauen, die in eurem Leben eine Rolle spielen – größte Genugtuung für den Mann ist das Bewußtsein, sogar da »gentlemanlike« gehandelt zu haben, wo es nicht einmal absolut notwendig war![150]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 148-151.
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