Temperamente.

[172] Die Ärzte sprechen da von roten und weißen Blutkörperchen, von Nervensystem und anderem. Hinter den geheimnisvollen Vorhang kann aber doch niemand blicken, denn wir sind vorbestimmt. Den Mann beherrschen die Temperamente ebenso wie die Frau. Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker, Sanguiniker sind die berühmten oder besser berüchtigten Gruppen. Gegen die Mitgift der Natur ist der Kampf vergebens, es gilt nur, mit dem Pfunde zu wuchern, die Gaben zum Guten oder Bösen zu lenken.

Was für unangenehme Mitmenschen sind die Rechthaber. Das letzte Wort muß ihnen bleiben, die bezauberndste Frau wird für die geringste Ungenauigkeit von ihnen Lügen gestraft, die Umgebung gequält, mißhandelt und zum Widerspruch gereizt. Meistens haben die Rechthaber noch zu allem unrecht – das ist ihre schlimmste Nebenerscheinung.

Die »Bolde« tun es ihnen gleich. Da ist der Witzbold, unerträglich für jedermann, mit abgegriffenen Eindeutigkeiten am falschen Platze, Pointenreißer, die selbst in der Trauerversammlung ihr Metier nicht lassen können. Dann die »neckischen« Bolde, mit ihren verfehlten »bon-mots«, Zitaten und dummen Galanterien.

Je lauter das Kriegsgeschrei der anderen, desto reservierter wird das »stille Wasser«. Er taut auf, wenn die letzten schon dahingeschmolzen sind, und scharrt sich von den Resten eine königliche Tafel zusammen. Eine erfolgreiche, aber unfaire Taktik, wenn sie nicht aus innerer Schamhaftigkeit geboren ist. Kind unserer Zeit ist der Sportprotz. Man sieht ihn in seinem massigen Kraftwagen, der voll geschmackloser Fahrplaketten gespickt ist, oder in auffallender Klubjacke mit Seglermütze und einer Sammlung von Klubnadeln und Ferngläsern. Der Sportsmann macht einen großen Bogen um ihn.

Ob es wohl den All-round-Mann gibt, der von allem das Beste vereint?


Temperamente

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 172-173.
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