Der Sammler.

[106] Während die Frau in kristallgeschliffenen Parfümkaraffen, seltsamen Puderdosen mit silberblitzenden Scharnieren, Regimentern von Lippenstiften, in Sintenispferdchen und Bonzofamilien ihre Spielzeuggarde sieht, hat der Mann Bedürfnis nach konstanterem Treiben, das weniger vergänglich und gebrechlich als Crememassen und Badetabletten, Porzellane oder Filetdeckchen.


Der Sammler

Er sammelt. Jeder sammelt. Das ist Naturbestimmung. Briefmarken und Schmetterlinge sind meist der Anfang. Wer es systematisch fortführt, macht sich Namen und Vermögen wie Lord Rothschild, dessen berühmte Schmetterlingsschätze nach Millionen Mark an Wert zählen – selbst Or. Staudingers, des besten deutschen Sammlers, »Exoten« gingen von Dresden aus Naturhistorische Museum für über eine Viertelmillion Mark! Führende Männer, speziell viele Künstler, lassen ihren Leidenschaften im Sammeln Lauf, Bosch, der Gewaltige des Farbentrustes, in Heidelbergbei seinen Insekten, Baron Schey bei seinem bizarren Arsenal von Stöcken, Pinkus, Neustadt i. S., als Philatelist ...


Der Sammler

Unsere Zeit wirft sich mit Passion auf Altertümer. Sie werden rar, also gilt es, um die Wette zu laufen – der Begriff von Sachwerten spukt in den Köpfen. Dosen aus Danzig und Nürnberg, Tabatieren, Miniaturen sind hohe Mode. Selbst sportliche Preisjäger rangieren unter die Pseudosammler – Tennis, Golf, Reit- und Autocracks stauen liebevoll nach jeder gewonnenen Schlacht eine neue Trophäe in die meist allzu großspurig gefüllte Glasvitrine. Mit dem Sport verwandt ist auch die Geweihsammlung des Weidmanns. Einst zierte sie Salons und Speisesäle, ihr Platz ist jetzt in der Diele oder neben dem Kamin. Nur ausgedehnte Wohnräume stehen im richtigen Verhältnis zum Umfang des Geweihbestandes, dessen Einzelexemplare Ort und Datum des Jagdglücks handschriftlich auf weißem Gebein vorzuweisen haben.

Bildersammler und Bibliophilen zählen zur Extraklasse.

Die Stoffe und Ostasienstücke von Eduard Fuchs, die Impressionisten des Breslauer Silberberg, des Geh. Arnhold, Samuel Courtoulds und Gerstenbergers, die deutsche Bildersammlung des neunzehnten Jahrhunderts von Max Böhm sind kulturgeschichtliche Dokumente kunstverständigen Zeitgeistes, ebenso wie die Musikbibliothek im Frankfurter Heim Paul Hirschs, in ihrer Art einzigartig auf der Welt.

Die Emphatik der Sammler entzündet nicht immer würdige Objekte. 15000 Sorten von Streichholzschachteln, 6000 Hotelplakate, 8000 Aschenbecher sprechen mehr für den »Spleen« als die Eigenart ihrer Sammler. Da ist schon die Marotte eines weitgereisten Gourmets amüsanter, der Menükarten und Flaschenetiketten bewahrte, die im Laufe des Jahres vollends zu einem getreuen Spiegelbild historischer Bankette, bedeutsamer Empfänge, ja sogar geheimpolitischer Aussprachen wurden.[108]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 106-109.
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