Und immer wieder: der Handkuß!

[104] »Alles und Nichts« liegt in seiner Wirkung. In der Öffentlichkeit: meist nur ein Gruß, weniger eine Liebkosung. Nur bei der gereiften Frau, Mutter oder Vorgesetzten gilt er als Vorrecht einer zur Schau getragenen Ehrerbietung.


Und immer wieder: der Handkuß!

Aber sonst – der Handkuß – wohl der beredteste »postillon d'amour«! Ohne sich im Blick zu spiegeln, nach außen hin ganz Schablone, verrät ein Zucken der Lippen, was oft noch nicht ausgesprochen. Eine Zeichensprache, die sich zwischen der sachlichen Konversation und dem alle Pulse erregenden Liebesgestammel bewegen kann – vom Hauch auf das talergroße Hautrund, das der Schwedenhandschuh auf der inneren Fläche freiläßt, bis zum unmerklich seinen Mal, das ein blitzschneller Druck der Zähne auf rosigem Handrücken zurückläßt.

Ach, du armes, junges Mädchen – deine Hand darf weder im Restaurant noch auf dem Sportplatz, weder im Tanzparkett noch in der Loge an den Mund geführt werden. Wer das nicht glaubt oder nicht weiß, kompromittiert dich, denn der Handkuß steht nach wie vor der Kameradin feindlich gegenüber!

Eigentlich gehört der Handkuß ins Lager vergangener Romantik. Er soll Illusionen erwecken, in seinen ungezählten Variationen Dolmetscher sein und mit dem Feuer spielen – bis es helle Flammen schlägt – oder – – erlischt.[104]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 104-105.
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