Zwei Generationen ...

[120] Schluß mit der Fehde! Vorwärts mit der Verbündung! Liebe Mutter, liebe Tochter, kommt euch entgegen – marschiert zusammen – nicht getrennt und gegeneinander. Ihr erreicht mehr. Auf dem Weg des Verstandes kommt man vorwärts. Die Zeit hat die Schuld, nicht die alte, nicht die junge Generation. Drückt ein Auge zu, wenn die »filia hospitalis« allein mit einem Flirt ins Theater geht oder nach eins nach Hause kommt, obwohl sie um zwölf hätte da sein sollen: dafür übertreibt nicht eure neuen Freiheiten, raucht nicht bis zum Exzeß, macht nicht allzuviel Torheiten auf einmal, ihr Losgelassenen – hört auf die Mutter, die es auf alle Fälle gut meint und sich gern belehren läßt.

Keine unnötigen Lügen – von keiner Seite. Je mehr verboten wird, desto mehr Heimlichkeiten auf der ganzen Linie. Wir wissen das ja alle. Die Briefe werden zu Hause geöffnet, schwupp läßt man sie woandershin adressieren usw. Wozu das alles? Freiheitsgefühle wachrufen, dann nützt man sie nicht aus. Zwang erreicht das Gegenteil, und wo guter Mille, modulationsfähige Innerlichkeit und Liebe fehlen, ist sowieso nichts zu ändern.

Frühzeitig dem Menschen Verantwortlichkeitsgefühl geben, ihn zu einer Persönlichkeit stempeln, der er Rechenschaft schuldig ist. Dummheiten entschuldigen, nicht jähzornig und beleidigt sein, keinen Zweifel in die Erzählungen der Kinder setzen, das verleitet sonst zur Unwahrheit!

Es gibt kein Alter mehr! Fünfzig- und Zwanzigjährige einen dieselben Passionen – die alte und neue Generation zerschmelzen in eine, die Mutter wünscht wie ihre Tochter, die Tochter wie ihre Mutter zu sein – Frieden auf Erden![120]


Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 120-121.
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