Vom weißen Sport ...

[124] Ich flüstere Ihnen: Es tut sich was! Wir leben in der ganz großen Zeit des Cracktums. Hundert neue Klubs werden gegründet, um tausend kleine »Suzannes« und »Big Bills« zu erzeugen. Zehntausende strengen sich teils vergeblich, teils mit Erfolg an, Musterplätze wachsen wie Hochburgen aus den rotbraunen Decken, und weiße Filzbälle steigen wie Leuchtkugeln wahrzeichenkündend in den Äther oder an die Glasdecke der Halle.

Ja, ja – jetzt oder nie. Viele fühlen sich berufen – noch bedeutend mehr auserwählt. Wo ist der Tennisflirt, der mit lauwarmer Limonade an einem grünbewucherten Platz auf einer Gartenbank mit Blumen im Arm neben einer errötenden Blondine sieht, wo sind die Zeiten hin, wo man ohne Siege oder gar Meisterschaften in der Tasche sich gänzlich unerhitzt der bewundernden Cousine nähern durfte, um bei gemütlichem Hin-und-Hergehen möglichst nah am Neh das nächste »Rendezvous« zu vereinbaren?

Heute geht es hart auf hart – und der Flirt kommt entweder nach dem Training oder nur als Extraspiel während des Tennis in Betracht. Ich übertreibe nicht;[124] folgendes aufgefangene Gespräch bestätigt hier Behauptetes:


(Zwei Freundinnen beim Spiel.)


Ellen: Sieh mal auf, du, da fährt eben in einem neuen Sechszylinder ein guter Flirt von dir vorüber!

Anni (nur Bälle schlagend): Nimm ihn doch, ich servier' nicht zweimal!

Ellen: Grüß' schon, er hat dich erkannt, bleibt stehen, guckt her.

Anni (unentwegt drivend): Schneiden ist das einzige, was ich kann.

Ellen: Dabei liebtet ihr euch so?

Anni (verzweifelt): Immer alles Netz ...

Ellen: Weshalb heiratet ihr euch nicht?

Anni (einen Stein aus dem Schuh werfend): Bei so einem Handikap kann man doch nicht richtig!

Ellen: Hielt er nicht um dich an?

Anni: Schluß mit dem Spiel. Sofort ein neues ... (aufsehend) ... Du sprachst immerfort, ich habe kein Wort richtig verstanden.

Ellen: Ein Flirt fuhr vorbei, wohl ein erledigter Fall.

Anni (schon wieder servierend, abwesend): Erledigter Ball – ja, ja, das gute Placieren, aus oder in?

Ellen (laut lachend): Aus, Anni, ganz aus!


Vom weißen Sport..

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Vom weißen Sport..

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 124-126.
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