Die Zigarette.

[73] Eigentlich erfüllt sie die Mission einer vielseitigen, wenn auch leichtfertigen Gespielin. Sie zerstreut, lenkt ab, beschwichtigt: man tändelt mit ihr, dreht sie liebevoll in den Fingerspitzen hin und her oder – stößt sie mißgestimmt beiseite. Dann bedient man sich ihrer wieder als Vermittlerin.

Zur Einleitung schwieriger Dialoge wird sie aus goldenem Etui nonchalant angeboten. Ihr blauer Dunst löst das Peinliche einer Frage in Luft auf. Sie ist eine vortreffliche Waffe, eher zum Angriff als zur Verteidigung natürlich. Ihr vertraut man mehr an – als dem Geliebten selbst. Sie glüht für ihn oder verlöscht, wenn es an der Zeit ist!

Außerdem bildet sie gegebenenfalls eine Schutzwand. Unterstützt mangelnde Sicherheit – betont mondäne, maskuline Einstellung. Nur in der Übertreibung wirkt sie lächerlich, ähnlich wie eine Gouvernante mit Strickstrumpf und Tanzröckchen. Sie darf nicht betont werden, sie muß dazugehören, mit von der Partie sein – wohin es auch gehen mag ...

Aber, wenn sie ihre Schuldigkeit getan hat, verschwindet sie. Was ehemals der Pfeil des Amor darstellte, soll heute der kleine schmale Papyros sein – hat er das Spiel eingeleitet, vorbereitet, zugespitzt, muß er einsam und verlassen sein oft unausgenütztes Leben auf dem Rand einer Aschenschale verhauchen, sozusagen: »Asche auf glühende Kohle streuen ...«[73]

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 73-74.
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