Vom Wetter bis zur Strandkabine ...

[84] Ja, ja, die Tischgespräche! Die haben es so in sich. Vom Herkömmlichen ganz abgesehen, das versteht sich schon nicht mehr von selbst. Es gibt junge Damen und geistige Snobs, die es ablehnen, sich von Sonnenschein, Hitzegraden, Kältewellen und Befinden – a priori zu unterhalten.

Aber was sonst? – Meistens zwingt man sich zu Ausgefallenem: die Erotik der heutigen Generation, von wann ab hat ein junges Mädchen heutzutage alle Rechte und keine Pflichten, die Frau von fünfzig Jahren und ihre Liebesabenteuer, Muskelrheumatismus und Dessous, die Anfälligkeit der Organe im Gegensatz zu einst und jetzt, die Stunden zwischen zwölf und drei Uhr nachts, verbrecherische Triebe, der Geist Don Juans als Mittel zum Zweck, neuer Okkultismus, die Wahrsagerin als Heiratsvermittlerin und so fort ...

Alles andere liegt viel näher: Sport, Schönheitspflege, Theaterstücke, ungelesene Bücher, Wohnungseinrichtungen, die Frau am Steuer, die Berufstätigen, Reiseziele, Sehnsüchte, Wünsche ...

Am wirksamsten sind rhetorische Fragen. Da kann man ruhig essen, der andere Teil überlegt und überschätzt den Fragesteller. »Was würden Sie tun, wenn ...«, »Versetzen Sie sich in diese Person«, »Welches Tier würden Sie am liebsten sein, oder gar eine Pflanze?«, »Kennen Sie die Unterschiede zwischen ...«, und da ist man bereits bei Witzen angelangt.

Am reizvollsten aber – die Themen um das »Du und Ich« – das Versteckspielen und Offenbaren, das Lügen und Wahrheitreden in einem Guß, das Bis-an-die-Grenze-Gehen in der Phantasie, gerade bei der Eisspeise oder dem prickelnden Sekt – doch wozu soll ich Ihnen das erzählen, das wissen Sie ja selbst ...
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Vom Wetter bis zur Strandkabine..

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 84-86.
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