... eine vornehme Frau ...

[16] Das größte Kompliment unserer Zeitgenossen: »Eine vornehme Frau!« Obwohl sie kurze Röcke trägt, obwohl sie schon mit Herren allein diniert hat, obwohl sie manchmal richtig ausgelassen ist, obwohl sie mitunter die verfänglichsten Themen berührt, obwohl sie alle Zerstreuungen mitmacht, obwohl sie nichts ganz und vieles halb tut, obwohl sie beim Galaabend in der Botschaft genau so bekannt ist wie beim Katerfrühstück in einem Vorstadtkeller, obwohl sie zu Fußballschlachten und Sechstagerennen geht – obwohl, obwohl, obwohl – ist sie eine vornehme Frau!

Wie macht sie das? Sie macht es gar nicht – sie ist vornehm! Sie ist höflich, liebenswürdig, gleichbleibend, entgegenkommend. Sie fühlt menschlich mit, hilft gern und oft – aber sie vergibt sich nichts. Sie weiß ganz genau, daß Höflichkeit ein Mittel ist, angenehmer zu leben. Ihre gute Erziehung vermehrt noch diese Annehmlichkeiten. Sie ist »bon camarade« mit der ganzen Welt – aber nicht intim. Sie flößt Respekt ein, der sich zur Bewunderung und Verehrung – eventuell Liebe steigern kann.

Wenn die Welt von Ihnen sagt: »Eine vornehme Frau« – dann – sind Sie in der Tat: die auferstandene Dame unserer Tage![16]


... eine vornehme Frau ...

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 16-17.
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