Vom Benehmen im Gasthaus, Theater, Konzert, Museum usw.

[23] Betrittst Du die Gaststube, so nimm sofort die Kopfbedeckung ab, hänge Überzieher, Hut oder Stock möglichst geräuschlos auf. Belege keine Tische oder Stühle damit. Das Kämmen der Haare, Putzen der Nägel und dergleichen Verrichtungen gehören nicht an öffentliche Orte. Halte Umschau nach einem noch leeren Platz und nimm diesen ruhig und unauffällig ein. Willst Du Dich an einen Tisch setzen, an dem andere schon Platz genommen haben, so frage mit einem höflichen: »Ist's erlaubt?« an, ob es den übrigen recht ist. Sitze oder Plätze für Späterkommende zu belegen, ist bei großem Andrang nicht statthaft. Triffst Du Bekannte, zu denen Du Dich setzen möchtest, in unbekannter Gesellschaft, so laß Dich ihnen vorstellen.

Unterhalte Dich nicht so laut, daß die in der Nähe sitzenden wohl oder übel Deiner Unterhaltung folgen müssen. Bedenke, daß Wände Ohren haben und Gasthauswände in erhöhtem Maße.

Trinkst Du aus Deckelgläsern, so vermeide das Klappen mit dem Deckel, stoße auch nicht mit den Biergläsern an.

Nimm nicht alle Zeitungen für Dich in Beschlag, begnüge Dich jeweils mit einer.

Hast Du Grund zum Tadel der vorgesetzten Speisen und Getränke, so laß Deinen Unwillen nicht am unschuldigen Kellner aus, sondern wende Dich an den Wirt.

Sei nicht herrisch gegen die Kellner, vermeide aber auch jede Vertraulichkeit. Trage dem Kellner gegenüber auch keine Geringschätzung[23] zur Schau, bitte ihn um seine Dienste, sprich ihn mit »Herr« eventuell auch mit seinem Familiennamen an. Sich mit einer Kellnerin im öffentlichen Lokal einen Scherz zu erlauben, ist ganz gegen die gute Sitte.

Vermeide jeden Streit mit Angeheiterten oder Streitsüchtigen. Laß Dich in keinen Wortwechsel mit unbekannten, schlecht erzogenen Personen ein. Spiele in einem öffentlichen Lokale nicht unaufgefordert Klavier. Laß auch das Musikwerk oder das Grammophon nicht zur Belästigung anderer dauernd spielen. Gib dem Kellner stets das zustehende Trinkgeld.

Sprich in einem Lokal nichts Nachteiliges von einem Menschen; man kann nie wissen, ob es nicht sein Vetter oder Bruder ist, der neben Dir sitzt.

Störe im Theater oder Konzert nie durch Dein Zuspätkommen. Kehre den Sitzenden beim Durchschieben durch die Bank nicht den Rücken zu. Überkleider und Hut laß im Theater oder Konzert stets in der Garderobe. Sitze still, wende Deine ganze Aufmerksamkeit den betreffenden Darbietungen zu. Führe keine laute Unterhaltung; bedenke, daß Deine Nachbarn gekommen sind, das Stück, aber nicht Dich zu hören. Seinem Beifall gibt man in gesetzter Weise durch mäßiges Händeklatschen Ausdruck, nicht in lärmender oder auffallender Weise. Alles Trommeln mit den Fäusten auf den Tischen, Trampeln mit den Füßen, lautes Rufen ist unfein und wird besser unterlassen. Verlasse Theater oder Konzert nie ehe die Darbietungen beendet sind; ein vorheriger lärmender Aufbruch ist in jeder Hinsicht eine große Rücksichtslosigkeit. Bringe Deine Nachbarn nicht durch unnötiges Fragen aus der Stimmung. –

Nimm den Stock nicht mit in das Museum hinein. Berühre nichts mit den Händen. Verstelle die Aussicht vor einem interessanten Gegenstande nicht zu lange. Schaffe Dir möglichst einen Katalog oder Führer an, damit Du niemand durch Fragen zu belästigen brauchst. Störe niemand und dränge auch niemand Deine Meinung auf. Urteile nicht über Kunstsachen, von denen Du nichts verstehst. Betrachte lieber wenig und dieses gründlich, als viel und flüchtig.

Quelle:
Roeder, Fritz: Anstandslehre für den jungen Landwirt. Berlin 21930, S. 23-24.
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