Reise nach Frankfurt am Main,

nach Mainz und Holland

[165] So schlecht die Witterung war, welche ich bis Frankfurt hatte, so gewährte mir diese Reise doch das größte Vergnügen, da mich die Hoffnung belebte, daß auf Regen Sonnenschein folgen und ich durch diese Reise mir Reichtümer erwerben würde.

Es war eben Messe, als ich zu Frankfurt ankam, wo ich den Herrn von Seebach im Hotel »Zum Weidenhofe« antreffen sollte, aber – nicht fand. Von der freudigsten Hoffnung fühlt ich mich nun plötzlich bis zur tiefsten Mutlosigkeit herabgestimmt. O ich unglücklich Betrogener, seufzt ich für mich, ließ das Mißgeschick nur darum[165] dich alles aufopfern, um hieher zu kommen und dich betrogen zu sehen? – Ach, er ist fort, du bist verlassen! – Dieser Gedanke preßte mir heiße Tränen aus. Indem kam der Kaufmann Paulsen von Weimar, den ich frug, ob er nicht etwa den Herrn von Seebach hier gesehen hätte. »Nein«, sagte er, »aber wie mir der Herr Kammerrat Stichling gesagt hat, kömmt er oder muß vielleicht schon hier sein.« – Das war ein neuer Trost für mich; ich eilte in das Hotel zurück, gab dem Hausknecht meinen Reisepack in Verwahrung und hielt Nachfrage in vielen andern Hotels, ob der Herr von Seebach darin abgetreten wäre, erhielt aber überall eine verneinende Antwort. In der Nähe des Gasthofs »Zu den drei Reichskronen« auf der Friedberger Straße hört ich mich plötzlich beim Namen rufen; ich sah mich um, und in diesem Augenblicke wurde der Ruf wiederholt. Ich sah auf und erblickte an einem Fenster genannten Gasthofs wirklich den Mann meiner Sehnsucht. Er winkte mir, zu ihm hinaufzukommen, und die Freude, ihn gefunden zu haben, machte, daß ich die Stufen mehr hinauf sprang als lief. Ich mußte mich neben ihm niederlassen und der Kellner mir ein Kuvert neben das seinige legen. Bei ihm galt jetzt kein Unterschied des Standes, ich aß und trank daher mit ihm, als ob wir miteinander in einem und eben demselben Mutterleibe gelegen hätten. Er sagte mir, daß er mit der fahrenden Post gegangen wäre, und da ich fast Tag und Nacht gereiset war, so war ich vor ihm angelangt.

Nach Tische besorgte mein Herr einige Geschäfte bei dem Herrn Bankier Bethmann, während ich mich hier und da umsah; dann ging ich mit ihm in das Schauspiel.

Quelle:
Sachse, Johann Christoph: Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers. Von ihm selbst verfasst, Berlin 1977, S. 165-166.
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Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers
Der deutsche Gil Blas. Eingeführt von Goethe. Oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers