Reise zum Herrn Amtmann Knoch zu Schwarzenbek

[77] Meine Stelle wurde ersetzt, ich trat meine Reise nach Schwarzenbek an, wurde freundlich empfangen und nach abgelegter Probe im Rechnen und Schreiben förmlich als Schreiber angenommen.

Anfangs bestanden meine Geschäfte darin, in der Amtsstube die Reposituren zu numerieren, auf die Registranden neue Zettel zu machen, die Namen der Ortschaften an die Reposituren mit Frakturbuchstaben zu schreiben und die Akten in die gehörigen Fächer zu legen. Späterhin hatt ich die Ehre, mit dem Herrn Amtmann auf Besichtigungen und Kommissionen zu reiten oder zu fahren, und endlich ging es so weit, daß ich mit ihm in der Amtsstube an der Gerichtstafel sitzen und den Amtstägen beiwohnen durfte. Wie warf ich mich in die Brust, und wie freut ich mich, wenn ich durch meinen stier auf die Bauren gerichteten Blick sie in Verlegenheit setzte! Welch ein Ansehn gab ich mir, wenn ich, in Abwesenheit des Herrn Amtsschreibers, ihr Anbringen in Ausdrücken registrierte, worüber der Herr Amtmann zuweilen laut auflachen mußte! Kurz, mein Glück und meine Zufriedenheit schien zu blühen, als mir derselbe versicherte, daß er für meine Anstellung beim Amte sorgen und mir zu fixem Brote helfen wolle.

Meine Lage in diesem Hause wurde mir vorzüglich angenehm durch die humane Behandlung der Frau Amtmännin, einer äußerst liebreichen, wohltätigen Frau, und durch die besondere Traulichkeit ihres Herrn Bruders, welcher Auditeur gewesen und ein besonderer Musikliebhaber war. Er gab sich Mühe, mir Unterricht auf dem Klavier zu geben, für welches ich bald außerordentliche Vorliebe gewann.

Quelle:
Sachse, Johann Christoph: Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers. Von ihm selbst verfasst, Berlin 1977, S. 77-78.
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Der deutsche Gil Blas
Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers
Der deutsche Gil Blas. Eingeführt von Goethe. Oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers