Kleidung.

[52] Die Kleidung muß den Körper bedecken und ihn erwärmen, zu diesem Zwecke darf sie weder zu weit noch zu eng, weder zu dick noch zu dünn, also der körperlichen Statur und der Jahreszeit angemessen sein.

Eine nicht außer acht zu lassende Bedingung ist es, daß dem Körper die Respirationsfähigkeit nicht genommen wird. Die Kleidung darf nicht luftdicht sein, sondern muß die Ausdünstung hindurch lassen.

Die Kleidung soll nicht zu eng sein, damit sie dem Körper eine freie Bewegung gestattet, doch auch nicht zu weit, um ihren Zweck, die gleichmäßige Erwärmung des Körpers, zu erfüllen.

Der Jahreszeit angemessen muß die Kleidung sein, da es selbstverständlich ist, daß man im Winter den Körper mehr gegen äußere Einflüsse schützen muß, als dieses im Sommer notwendig ist.

Zu enge Bekleidung des Fußes rächt sich selbst sehr schnell, indem sie das schrecklichste der Schrecken, die sogenannten Hühneraugen, auch Ballen erzeugt, während zu weite Fußbekleidung Verletzungen und Abschürfungen der Haut verursacht.

Daß man bei Frost und Regenwetter nicht mit leichtem oder gar defektem Fußzeug, welches Feuchtigkeit durchläßt, ausgehen darf, ist selbstverständlich, und es ist allgemein bekannt, daß manche Krankheitserscheinung, so die Erkältung, lediglich mangelhafter Fußbekleidung zuzuschreiben ist.[52]

Den Strumpf befestige man – ob oberhalb oder unterhalb des Knies bleibe unerörtert – mittelst eines elastischen Strumpfbandes, welches bei Kindern an das sogenannte Leibchen geknöpft und nicht um das Bein gelegt wird, da ein nicht elastisches, festangezogenes Band die Blutzirkulation hemmt und Kälte der Füße, ja des ganzen Beines, auch wohl Wadenkrampf nach sich zieht. Am besten aber soll es sein, das Strumpfband ganz zu verbannen und den Strumpf in passender Weise am Unterbeinkleid zu befestigen.

Nicht zu leugnen ist, daß eine schöne Büste einen recht wohlgefälligen Eindruck erzielt und daß auch ein Korsett zu den unentbehrlichen Garderobenstücken gezählt werden darf. Unsere heutige junge Welt tut aber des Guten zu viel, und schon manches blühende Menschenleben, daß zu den schönsten Hoffnungen berechtigte, fiel der Eitelkeit, eine schlanke Taille besitzen zu wollen, zum Opfer.

Das Korsett soll die natürlichen Körperformen in ihrer ganzen Fülle hervortreten lassen, dem Oberkörper mehr Festigkeit verleihen, aber es darf ihn absolut nicht beengen.

Ein zu festgeschnürtes Korsett drückt die inneren Körperteile zusammen, hindert den Magen in seinen Funktionen, und langwierige Leiden des Magens, der Lunge, Leber, Milz usw. sind die Folgen der Eitelkeit.

Hals und Nacken werden je nach Mode oder Geschmack mehr oder weniger durch die Kleidung bedeckt.

Der Hut hat den Zweck, das Gesicht, insbesondere die Augen vor den Strahlen der Sonne zu schützen und den Kopf zu bedecken. Demnach müßte, um diesen Zwecken zu entsprechen; immer ein Hut getragen werden, der mit breitem Rande versehen ist, was aber zuweilen durch die Mode illusorisch gemacht wird.

Im allgemeinen kleiden sich die Herren praktischer als die Damen. Das liegt eben daran, weil jene weniger auf Mode zu sehen pflegen uud so bizarre, unpraktische, den Naturgesetzen zuwiderlaufende Moden vermeiden.


Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 52-53.
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