Die Einladung.

[141] Je nachdem die Gesellschaft eine kleinere oder größere ist, muß die Einladung in mehr oder weniger zeremonieller Weise mindestens 2–3 Wochen vorher geschehen.

Eine vornehme Persönlichkeit ladet man, wenn diese am Orte wohnt, und man ihr eine besondere Ehre erweisen will, persönlich durch einen Besuch ein. Gleichstehende können wir schriftlich einladen. Für alle Arten von Einladungen findet man beim Buchdrucker Vorlagen. Herrschaften, welche z.B. häufig fremde Personen an ihrer Mittagstafel haben oder abends in ihrem Hause sehen, benutzen zur Einladung lithographierte Karten, welche lauten:


...................................

werden von Heinrich Meyer und Frau gebeten, ihnen die Ehre zu erweisen, am ........ bei ihnen zu Mittag zu speisen (oder: den Abend bei ihnen zuzubringen).

Gefl. um ...... Uhr.

U.A.w.g.


Diese Vorlagen sind zur Anwendung für gewöhnliche Fälle sehr bequem, da man nur den Namen des Eingeladenen das Datum und die Zeit einzufügen braucht, um solche zur Absendung fertig zu haben, sie sollten aber für außergewöhnliche Fälle keine Anwendung finden.[141]

Hat man eine Einladung erhalten, so teile man in einem höflichen Schreiben bald nach Empfang der Einladung schriftlich mit, daß man die Ehre zu schätzen wisse und von derselben dankend Gebrauch machen werde.

Nähere Bekannte kann man in der Antwort anstatt der »Ehre« auch des »Vergnügens« oder der »Freude« versichern, die einem die Einladung machte. Eine Antwort muß auf jeden Fall erfolgen; denn das »U.A.w.g.« bedeutet nicht etwa: »Und abends wird getanzt«, sondern »Um Antwort wird gebeten«. Selbst wenn sich diese Andeutung nicht auf der Einladung befindet, muß eine Antwort erfolgen, weil man im entgegengesetzten Fall sich eine Verletzung der Artigkeit zu Schulden kommen läßt.

Lehnt man eine Einladung ab, so geschehe es schriftlich unter tunlicher Angabe der Gründe, sowie unter Versicherung des aufrichtigsten Bedauerns; besser aber noch ist, man macht einen Besuch und teilt den Grund der Ablehnung mit. Sollte man aber vielleicht nur darum von der Einladung keinen Gebrauch machen wollen, weil man mit dem Betreffenden überhaupt nichts zu tun haben will, so kann die Mitteilung der Ablehnung schriftlich und in kühlen Worten erfolgen; geschehen aber muß sie, damit wir nicht den Schein der Ungebildetheit auf uns laden.

Ein großer Verstoß gegen die Artigkeit ist es, eine einmal angenommene Einladung hernach durch Ablehnung rückgängig zu machen. Sie würde vollends beleidigend sein, wenn man eine später an uns ergangene andere Einladung der ersteren vorziehen würde. – Der Betreffende würde, wenn er dieses erfährt, sich unser Betragen für späterhin zur Notiz nehmen!

Mündliche Bestellungen durch Dienstboten haben schon manchen Irrtum angerichtet. Nur im vertrautesten Freundesverkehr mag ausnahmsweise einmal die mündliche Bestellung eines dienstbaren Geistes zulässig sein.

Ist es einem gelungen, Zutritt zu besseren Zirkeln zu erlangen, so befleißige man sich der nicht großen Kunst, sich in jener Gesellschaft durch Anstand, Höflichkeit und Artigkeit beliebt zu machen, so daß man nicht allein[142] geduldet, sondern sogar gern gesehen ist. – Vor allem aber hüte man sich, in unpassende Gesellschaft hineinzugeraten und sei eingedenk des Sprichwortes: »Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist!«

Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 141-143.
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