Den 29. Januar.

[109] Am Morgen zog mein Bett ab. Meinen Schlafpartner gab ich meine eingenähte Decken. Er gab mir seine dafür. Packte meine Bettwäsche vorschriftsmäßig zusammen, wusch mich, spülte den letzten eingeatmeten Duft dieser Anstalt aus meinem Mund. Nahm von allen Bekannten Abschied auch von den Anstaltsgenie, den Damen- und Beamtenschneider und ging mit meinen abgezogenen Bettbrocken die Treppe hinunter in meine Abteilung. Stellte mich zum letzten Mal zum Singen und Beten auf. Aß dann meine letzte Mehlsuppe. Wartete eine Stunde bis ich mit Bettzeug und meinen ganzen Inventar in den Ankleideraum abgeholt wurde. Wir waren zehn Mann mit Barnack und ich. Wir gaben Alles ab und erhielten unsere Kleidung. Beim Verlassen des Raumes gab uns der Hausvater, weiteres Fortkommen wünschend, die Hand. Im Sekretariat erhielt ich eine Mark fünfzig Pfennig für Zehrkosten nach Magdeburg. Den Rest erhielt am anderen Morgen in Magdeburg. Der Director der Anstalt entließ mich mit kurzen Worten. Barnack hatte in Schönebeck eine Polizeistrafe von zwei Tagen noch zu verbüßen. Ein alter Beamter zeigte mir den Ausgang und ich war frei.

Quelle:
Schuchardt, Ernst: Sechs Monate im Arbeitshaus. Erlebnisse eines wandernden Arbeiters, Berlin [1907], S. 109.
Lizenz: