101.

[93] Um hier nur einiger dieser Schönheiten in der Aussprache, gegen die am allgemeinsten gefehlt wird, zu erwähnen, so lernen Sie das lange oder gedehnte a: z.B. in den Wörtern: Vater, laben, nahe, und mehrere dergleichen, sanft und schön aussprechen, das, zumal in dem Munde des Niedersachsen, und bei vollen Bakken sehr häßlich und als eine Art Mittelbuchstabe zwischen o und a, also beinahe, wie Boater und loaben klingt. Lernen Sie den Doppellaut eu z.B. in dem Worte: Freundschaft Leute, neu, Treue, u.s.w. recht schön ausdrükken und richtig von dem ei, als z.B. in den Wörtern: mein, Schein u.s.w., und von dem ai und oi, z.B. in den Wörtern: Hain, oder Boizenburg, wohl unterscheiden; diese letzteren Doppellaute scheinen zwar etwas hart zu klingen, aber man findet sie auch nur wenig. Unterscheiden Sie dann auch genau das ü vom i und das ö vom e, z.B. in den Wörtern: fühlen und lieben, unnütz und hizzig, über und Kiefer, hören und lehren, König und wenig u.s.w. Einen nicht minder schönen Reiz giebt[93] das h unsrer Aussprache. Lassen Sie es nie weg in den Wörtern wohl, (nicht wol) wahrhaftig, (nicht warhaftig), frohe (nicht froe), es giebt dieser sanfte Hauch des H. den Worten wahren Wohlklang. Fallen Sie außerdem auch nicht in den gewöhnlichen Fehler der Sachsen, die das d und t, das b. und p, und das g und j, so gewöhnlich mit einander verwechseln; z.B. in den Wörtern, die sich bei jenen Fehlern gar nicht in der Aussprache unterscheiden lassen, als: baden und Pathen, Drath und trat (er trat) gar und Jahr. Es würde hier zu weitläufig werden, wenn ich der mannigfaltigen häßlichen und die Sprache entstellenden Dialekte hier erwähnen wollte, die vorzüglich dieser und jener Provinz ankleben, und die mancher sich oft eben so wenig als seinen Glauben nehmen ließe; man denke hier nur noch an das g und k, das die Obersachsen mehrentheils ganz mit einander verwechseln, und mehrere dergleichen: da hingegen die richtige Aussprache des g mit der man es in den Worten: gut, groß, Gott, Gang, gütig, und mehreren, bald wie G und K, (doch nur nicht so weich, wie der Obersachse) ausspricht, ein schöner Reiz ist, und so das J sehr richtig vom G: (als z.B. in den Wörtern: Jahr und gar) unterschieden wird. Die Versäumung dieser richtigen und schönen Aussprache des g, und die Verwechselung des g mit j[94] giebt in den Wörtern: sagen, klagen, kluge u.s.w. den größten Mißklang; doch muß man auch hier das g nicht zu sehr als k, und nicht zu hart aussprechen.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 93-95.
Lizenz:
Kategorien: