111.

[99] Folgen Sie dieser Regel schon deswegen, weil man in dieser Hinsicht wiederum sehr häufig von dem Kleide auf den Mann, auf sein ganzes Wesen, seine Gefühle und den Grad seiner Bildung schließt. Man würde dies freilich noch häufiger und mit mehrerer Gründlichkeit thun können, wenn nicht Nachahmungssucht das Eigenthümliche darinn fast allgemein verdrängte, obgleich das Aufnehmen, das Nachmachen einer thörigten, geschmacklosen Mode, schon wieder ein Zeugniß für den innern Geschmack selbst ab'egen könnte, wenn es nur nicht gar zu oft der Fall wäre, daß Modesucht den beurtheilenden Geschmack gar nicht zum wahren Bewußtseyn und zur Besinnung kommen ließe.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 99.
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