23.

[61] Geben Sie dann auch Ihrem Gesicht vorzüglich den Reiz der Heiterkeit, die so leicht für sich einnimmt, überall Herzen gewinnt, und durch den bloßen Anblick Freude macht und also das Leben versüßt. Bemühen Sie sich diesen heitern Blick beständig, selbst im Kummer zu haben, es wird Ihnen viele Vortheile bringen. Der heitere Blick ist der Blick der Klugheit, die es weiß und erfahren hat, daß wir besser dabei fahren, wenn uns die Menschen für glücklich als für unglücklich halten, daß unsre Ehre, unser Name, unser Wirkungskreis und Einfluß auf andere Menschen und selbst unser Glück dabei gewinnt; den Unglücklichen verlassen gar zu oft die besten Freunde, sie finden sich in seinem Umgange nicht mehr geehrt, nicht mehr geschmeichelt und darüber hörte oft schon die Freundschaft selbst auf. Lassen Sie sich diese Regel, Ihrem Auge den heitern Blick anzugewöhnen recht wichtig seyn, es ist der schönste und wohlthätigste Reiz; er erhellt das ganze Gesicht, und ist gleichsam seine Sonne. Nur verstehen Sie nicht darunter das beständige einfältige grinzende Lächeln, das jedem schalen Witze Beifall lächelt, und beständig zu Gebote steht. Der heitere glückliche Blick bedarf der lächelnden Verziehungen des Mundes nicht; er spricht aus dem offnen freundlichen hellen Auge, aus dem freundlichen liebreichen gefälligen Ton der Stimme, von der offnen glatten[62] Stirn, aus der geraden freien ungezwungnen Stellung, aus dem Lebhaften, Umhersehenden, Alles bemerkenden, unbefangenen, zutraulichen, herzlichen Blicke, der alles um sich her duldet, lebhafte Theilnahme an der Freude zeigt, und sich mit Enthusiasmus für das Gute und Schöne erfüllt.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 61-63.
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